IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 21/2001, Seite 44 ff


REPORT


Drei Liter reichen

Im "Haus der Zukunft" dienen Wachskugeln als Wärmespeicher

Nur drei Liter Heizöl pro Quadratmeter und Jahr, gleichzeitig über 80 Prozent weniger CO2-Ausstoß - im Drei-Liter-Haus der BASF in Ludwigshafen geht diese Rechnung auf. Das moderne Gebäude, auch "Haus der Zukunft" genannt, ist ein rundum modernisierter Altbau mit neun Wohneinheiten auf insgesamt 700 Quadratmetern. Verglichen mit einem nicht sanierten Altbau sinkt der Jahresheizwärmebedarf um das Sieben- bis Zehnfache. In Geld ausgedrückt bedeutet das für den Mieter einer 100-Quadratmeter-Wohnung: Eine Reduktion der Heizkosten von jährlich 2000 DM auf unter 300 DM.

In nur einem Jahr modernisierte die BASF gemeinsam mit verschiedenen Partnern das Mehrfamilienhaus mit neun Wohneinheiten im Brunckviertel des Ludwigshafener Stadtteils Friesenheim. Der modernisierte Altbau kann sich sehen lassen: auf ganze drei Liter Heizöl pro Quadratmeter und Jahr soll sich die Heizlast belaufen.

Das innovative Haus ist Teil des von der BASF sanierten Brunckviertels, eines Ludwigshafener Stadtteils aus den 30er-Jahren in unmittelbarer Nähe zum Werksgelände mit ehemals 850 Wohneinheiten. Das städtebauliche Neukonzept umfasst neben der Modernisierung eines Teils der Altbauten auch den Abriss und Neubau von Wohnungen. Darüber hinaus legt der Chemiekonzern neue Grünanlagen an und beruhigt das Wohnumfeld mit einem eigenen Verkehrskonzept. So soll die Wohnqualität des gesamten Brunckviertels nachhaltig verbessert werden.

Ausschnitt aus dem Lüftungssystem des Gebäudes.

In den modernisierten Wohneinheiten dieser BASF-Werksiedlung liegt der Heizwärmebedarf schon heute unter sieben Litern. "Zusammen mit den geplanten Neubauten sollen der Energieverbrauch und die CO2-Emissionen für das gesamte Wohngebiet um 70 bis 80 Prozent reduziert werden", erklärte Dr. Wolfgang Schubert, Vorsitzender der Geschäftsführung Luwoge-Wohnungsunternehmen der BASF, anlässlich der feierlichen Einweihung des Gebäudes Ende Juni dieses Jahres.

Anbringen des Latentspeicherputzes. Dieser besteht aus mikroskopisch kleinen Wachskapseln, die einen Wachskern enthalten. Beim Schmelzen des Wachses in den Mikrokapseln wird der Umgebung eine erhebliche Energiemenge entzogen, die umgekehrt beim Kristallisieren wieder frei wird.

Damit die Wachspartikel in den Putz eingearbeitet werden können, wurden sie in Mikrokapseln mit einem Durchmesser von 5 um "verpackt".

Die 20 cm starke Dämmung sorgt für einen optimalen Wärmeschutz. Davon partizipieren vor allem die Mieter: Statt einer differenzierten Heizkostenabrechnung wurde mit ihnen eine Brutto-Warmmiete vereinbart.

Rundherum gut ausgestattet

Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein ganz normales Gebäude, doch das Drei-Liter-Haus steckt voller technischer Raffinessen und innovativer Ideen. Dabei werden die Energieeinsparung und die damit verbundene Reduktion des CO2-Ausstoßes in erster Linie durch eine spezielle Wärmedämmung erreicht.

Neopor ist ein neu entwickelter Polystyrolhartschaumstoff, der sich besonders zur äußeren Wärmedämmung eignet. Mit zehn Litern Erdöl, die für die Herstellung einer Neopor-Platte benötigt werden, lassen sich nach Aussage von BASF in einem Zeitraum von 50 Jahren etwa 1200 Liter Heizöl einsparen. Weiterer Vorteil von Neopor gegenüber herkömmlichen Dämmstoffen: Infrarotabsorber und Reflektoren setzen die Wärmeleitfähigkeit zusätzlich herab.

Im Winter warm, im Sommer kühl - das verspricht ein neuartiger Innenputz, der in dem Gebäude zum Einsatz kommt. Er enthält einen Latentwärmespeicher aus Wachskügelchen, etwa 750 bis 1500 Gramm Wachs pro Quadratmeter Wand. Die Wärmekapazität von zwei Zentimetern dieses Putzes entspricht der einer 20 Zentimeter dicken Hohlziegelwand. Der Latentwärmespeicher sorgt für ein angenehmes und behagliches Raumklima. Wird es draußen beispielsweise zu heiß, so wird die überschüssige Wärme durch den Wachs aufgenommen, ohne dass sich dabei die Raumtemperatur groß erhöht. Kühlt es sich wieder ab, so wird die gespeicherte Wärme wieder an die Raumluft abgegeben. Damit das Wachs, das je nach Jahreszeit mal fest und mal flüssig ist, in Beton oder Putz eingearbeitet werden kann, haben es die Forscher in Mikrokapseln verpackt. Bei den Fenstern setzt sich der gute Dämmstandard fort. Diese sind gleich dreifach verglast und haben einen U-Wert von 0,8 W/(m2 K). Zusätzlichen Wärmeschutz bieten die mit Edelgas gefüllten Vinidur-Kunststoffrahmen.

Der Vergleich von Verbrauch, Emission und Heizkosten am Beispiel einer 100 m2 großen Wohnung (berechnet auf ein Jahr) zeigt, welche großen energetischen Einsparpotenziale in der Altbaumodernisierung stecken.

Lüftung mit System

Ein kontrolliertes Wohnungslüftungssystem sorgt dafür, dass alle Räume optimal be- und entlüftet werden. Die Lüftungsanlage gewinnt über einen Kreuzstrom-Wärmeübertrager zudem rund 85% der in der Abluft enthaltenen Wärme zurück und führt sie dem Gebäude wieder zu. Damit es keine Zugerscheinungen gibt, wird die Zuluft über Luftweitwurfdüsen, die zwischen Türrahmen und Decke in den Schlaf- und Wohnzimmern angebracht sind, eingeblasen. Sie strömt dann an der Decke entlang und sinkt allmählich im Raum ab. Der Mieter selbst kann den Lüftungsbetrieb in drei Leistungsstufen steuern: Stufe 1 ist der Minimalbetrieb, der mit einer 0,3-fachen Luftwechselrate eine Grundlüftung darstellt, wenn der Mieter nicht zu Hause ist. Stufe 2 bringt eine 0,5-fache Luftwechselrate, wenn sich der Mieter in der Wohnung aufhält. Eine Luftwechselrate mit Faktor 1 wählt der Mieter bei besonderen Gerüchen oder Dämpfen mit Stufe 3.

Die Lüftungsanlage ist für einen maximalen Gesamtförderstrom von 1400 m3/h ausgelegt.

Minikraftwerk im Keller: Ein Teil des Wärme- und Strombedarfs wird in dem Neun-Familien-Wohnhaus über eine Brennstoffzelle gedeckt. Die Zusatzversorgung erfolgt mittels Gasbrennwertkessel bzw. über das öffentliche Stromnetz.

Optisch unauffällige Anordnung von Heizkörper und Luftauslassdüse in einem Wohnraum.

Die Brennstoffzelle - ein Minikraftwerk im Keller

Geheizt wird das Haus unter anderem über eine Brennstoffzelle, die als Energieträger Erdgas verwendet. Die Brennstoffzelle deckt etwa ein Siebtel des Gesamtenergiebedarfs ab. Den Rest liefert ein moderner Gasbrennwertheizkessel. Es ist eine der ersten Anlagen dieser Art in Deutschland, die unter realen Bedingungen eingesetzt und im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie mit externen Partnern getestet wird. Dafür ist das Gebäude mit modernsten messtechnischen Geräten ausgestattet, die alle Verbrauchsdaten digital vor Ort erfassen, speichern und visualisieren. Insgesamt werten die Wissenschaftler 120 Millionen Messdaten pro Jahr aus. Durch die Verwendung dieses hoch effizienten Energiewandlers entstehen nur sehr geringe Luftschadstoffe, da als Reaktionsprodukt überwiegend Wasser anfällt. Im Wohnraum selbst wird mit Radiatoren (Auslegungstemperaturen: 70/50°C) geheizt, da eine Fußbodenheizung im Altbau nur unter unverhältnismäßigem Aufwand zu realisieren gewesen wäre.

Auf insgesamt rund drei Millionen DM belaufen sich die Kosten dieses Pilotprojektes, von denen ein erheblicher Teil durch die Projektpartner eingebracht wurde. Dass es nicht bei diesem einzigen Gebäude bleiben wird, ist sich Dr. Schubert sicher. Er plant bereits weitere Prototypen um "neue Entwicklungsmöglichkeiten und Chancen der energetischen Sanierung aufzuzeigen".

Innovative Bausteine im 3-Liter-Haus.

 


Hintergrund Brennstoffzelle

Die Brennstoffzelle im Drei-Liter-Haus ist eine Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzelle mit einer Betriebstemperatur von unter 100°C. In der vorgeschalteten Brenngasaufbereitung wird Erdgas in einem autothermen Reformer und zwei Gasreinigungsstufen in ein wasserstoffreiches Gas umgewandelt und dem Brennstoffzellenstapel zugeführt. Dieser besteht aus zwei parallel geschalteten Stapeln, die jeweils wiederum aus einzelnen Polymermembranzellen aufgebaut sind. Dort findet unter Luftzufuhr der Brennstoffzellenprozess statt. Das heißt, aus Wasserstoff und Sauerstoff bilden sich kontrolliert Wasser und die gewünschte Energie: Strom und Wärme. Im Volllastpunkt entsteht Gleichstrom von 36 Ampere bei einer Spannung von 96 Volt, der im Wechselrichter in Wechselstrom von 230 V umgewandelt werden muss, um im Stromversorgungsnetz verwendet werden zu können. Die Ausgangsleistung beträgt maximal drei kWel. Ein Wärmeübertrager koppelt die "Abfallwärme" aus und speist sie in das Heizungssystem ein. Durch eine besondere Schaltung kann die Wärmeleistung im Bereich zwischen vier und acht kWth variiert und damit der Verbrauchscharakteristik angepasst werden. Die Restgase werden in einem katalytischen "Nachbrenner" völlig verbrannt.

Technische Daten:
Strom: 3 kWel,
Wärme: max. 8 kWth,
Elektrischer Wirkungsgrad: 32% (bei 3 kW), 38% (bei 1 kW),
Abmessungen: 1,50 Meter Höhe, 0,75 Meter Breite, 0,70 Meter Tiefe,
Hersteller: Hamburg Gas Consult.


B i l d e r :   BASF AG, Ludwigshafen


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