IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 20/2001, Seite 66 ff.


UNTERNEHMENSFÜHRUNG


Strategien für Ihren Erfolg

Teil 1: Grundprinzipien

W. Neise

Die strategische Ausbildung der Geschäftstätigkeit hat auch im Handwerk existenzielle Bedeutung. Als sehr wirksam für die Formulierung von Zielen und das Erreichen der gesteckten Vorgaben hat sich die so genannte EKS-Strategie erwiesen. Die Grundprinzipien dieser Strategie und ihre praktische Anwendung werden anhand unterschiedlicher Fallbeispiele in den kommenden Ausgaben näher erläutert.

Ohne Strategie ist Erfolg nur Zufall

Auftragsschwund, Gewinnrückgang, Konkurrenzdruck - das sind die Schlagworte, die die Situation im Handwerk kennzeichnen. Angesprochen auf eine aktive Marktbearbeitung, hört man trotzdem von vielen Unternehmern im Handwerk:

Wenn Sie genau das tun, was Sie bisher getan haben, dann erreichen Sie auch nur das, was Sie heute sind.

Es gibt aber offensichtlich Handwerksbetriebe, denen es besser geht, die eine gute Auftragslage haben und ständig unter Mitarbeitermangel leiden. Sind die Inhaber vielleicht bessere Unternehmer, sind sie schlauer, oder haben sie mehr Eigenkapital zur Verfügung? Sicher nicht.

Mir sagte einmal ein Handwerksmeister während eines Messegespräches, dass die vielen Ratschläge für ein strategisches Marketing den "einfachen" Handwerker überfordern. Man hört mehr oder weniger interessiert zu und kann, wenn die Diskussion beendet ist, mit dem Gesagten in der alltäglichen Praxis wenig anfangen.

Wahrscheinlich kommt man um Veränderungen im eigenen Betrieb dennoch nicht vorbei, denn allen ist klar, Markt- und Kundenverhalten haben sich gewandelt. Was eine Erfolgsstrategie ist, wie sie wirkt und wie man sie durch praktisches Handeln umsetzt - das wird Thema dieser und weiterer Folgen dieser Beitragsreihe sein. Die Erfolgsstrategie EKS steht dabei im Mittelpunkt.

Das Ziel ist Ihr Profil

Das Ziel der EKS-Strategie liegt darin, dass Sie anders werden als andere Unternehmen in Ihrem Marktumfeld. Jedes Unternehmen ist so einzigartig wie der Fingerabdruck eines Menschen. Leider wird vielfach versucht, genauso zu sein wie alle anderen Unternehmen, was zu den eingangs genannten Problemen führt. Die jeweilige Kombination eigener Fähigkeiten, seiner Beziehungen, seines Images und seiner Stärken ergibt ein einmaliges, unverwechselbares Profil.

Die Kunst liegt nun darin, für Ihr Unternehmen eine Marktlücke zu finden, in der die Stärken Ihres Unternehmens genauso hineinpassen wie ein Schlüssel ins Schloss. Die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden und Kundengruppen sind heute so enorm verschieden und differenziert, dass dies immer möglich ist.

Im Idealfall passen das Stärkeprofil Ihres Unternehmens und das Anforderungsprofil genau zueinander. Die Bedürfnisse sind heute so unterschiedlich, dass es praktisch für jede Stärke ein passendes Geschäftsfeld gibt.

Machen Sie es anders als alle anderen, um "ganz anders" erfolgreich zu werden.

Viele Unternehmen und Führungskräfte glauben, in erster Linie die Schwächen ihres Unternehmens bekämpfen zu müssen, um erfolgreich zu werden. In den nächsten Wochen und Monaten werden Sie etwas anderes tun: Sie werden sich zunächst ausschließlich mit den Stärken Ihres Unternehmens beschäftigen. Wenn Sie nur an den Schwächen herumlaborieren, wird Ihr Betrieb bald genauso aussehen wie viele Ihrer Mitbewerber. Denn je intensiver Sie Ihr Augenmerk auf Ihre Schwächen konzentrieren, desto mehr werden diese die Stärken dominieren und letztendlich Ihr Profil schwächen.

Die Strategie der erfolgreichsten Unternehmen

Haben Sie sich auch schon gefragt, warum manche Unternehmen anderen immer um Längen voraus sind? Und zwar selbst dann, wenn der Wettbewerb immer härter und unberechenbarer wird? Ist es Zufall, Glück, Begabung oder überdurchschnittliche Risikobereitschaft? Diese Frage ließ auch dem Systemforscher Wolfgang Mewes keine Ruhe. Er analysierte die Erfolge tausender Führungskräfte und Unternehmen. Dabei fand er heraus, dass sie alle - bewusst oder unbewusst - nach einer ähnlichen Strategie vorgingen. Mewes kam zu dem Ergebnis: Erfolg ist einzig und allein eine Frage der richtigen Strategie!

Machen wir einen kleinen Test (siehe Kasten): Sind Sie den Herausforderungen des Wandels gewachsen?

Nachdem Sie nun selbst Gelegenheit hatten, Ihre Erfolgsfähigkeit einzuschätzen, wenden wir uns jetzt den Grundregeln der Erfolgsstrategie zu.

Strategische Selbsteinschätzung

Wie stark denken und handeln Sie strategisch?

fast immer

je nachdem

fast nie

1 Inwieweit arbeiten Sie nach klar definierten Unternehmenszielen?

2 Können Sie zielsicher auf Verlängerungen der Rahmenbedingungen reagieren?

3 Berücksichtigen Sie bei Ihrer Unternehmensstrategie Ihre relativen Stärken und Erfolgspotenziale?

4 Wenn Sie Informationen aufnehmen, wissen Sie dann genau, was für Sie wirklich strategisch wichtig ist?

5 Richten Sie Ihre Aktivitäten auf eine klar definierte Zielgruppe aus, die Sie fest im Auge haben?

6 Inwieweit denken Sie ständig an die Problemlösungen für Ihre Zielgruppe?

7 Setzen Sie neue Impulse stets konsequent um, statt diese irgendwo abzulegen und zu vergessen?

8 Wenn Sie eine Entscheidung treffen müssen, haben Sie dann feste Kriterien für Ihre Entscheidungsfindung?

9 Schaffen Sie es, über Ihr Tagesgeschäft hinaus auch mittel- und langfristig wichtige Dinge anzupacken?

10 Reservieren Sie sich regelmäßig strategische Planungszeit, um ihre Ziele, Geschäftspolitik und Aktivitäten zu überprüfen?

Gesamtzahl (Summe aller Kreuzchen)

Multiplizieren Sie die Spaltenergebnisse mit

x 3

x 2

x 1

Addieren Sie die Ergebnisse zu Ihrem persönlichen Strategie-Wert

Auswertung: Ist Ihr Strategie-Wert

10 bis 15: Betreiben Sie im Allgemeinen kein strategisches Erfolgsmanagement und verzetteln sich in Ihrer Selbstorganisation und in Ihrer Tagesgestaltung. Die EKS hilft Ihnen, Ihre Prioritäten strategisch besser zu setzen und Ihre Kräfte besser zu konzentrieren.

16 bis 22: Versuchen Sie, Ihr Erfolgsmanagement strategisch auszurichten; es mangelt Ihnen jedoch ein wenig an Systematik und Konsequenz, um damit auch den entscheidenden Durchbruch zu erzielen. Die EKS hilft Ihnen, Ihre persönliche Erfolgsstrategie zu entwickeln und konkrete Maßnahmen sowie erste Umsetzungsschritte zu planen.

23 bis 30: Kann Ihr strategisches Erfolgsmanagement bereits als gut bezeichnet werden. Sie konzentrieren sich konsequent auf das Wichtige. Weiter so! Die EKS hilft Ihnen, noch erfolgreicher zu werden und Ihre Erfolge dauerhaft abzusichern.

Die vier Prinzipien der Erfolgsstrategie

Prinzip 1: Konzentration statt Verzettelung

Nur durch die richtige Konzentration der Kräfte kommt man seinem Ziel näher. Das wussten bereits die Militärstrategen im Mittelalter. Ging man anfangs noch in unstrukturierten Haufen aufeinander los, ersann man alsbald die lineare Schlachtordnung, bei der die Krieger sich frontal gegenüberstanden. Bei der schiefen Schlachtordnung konzentrierte sich ein Teil der Kräfte zu einer keilartigen Spitze. Mit dieser Schlachtordnung drang man leichter, sicherer, schneller und tiefer in die Reihen des Gegners ein und hatte die größte Chance in seinen Rücken zu gelangen. Die Summe der eingesetzten Kräfte blieb die gleiche, die Wirkung war aber erheblich stärker. Die EKS-Strategie nutzt dieses Prinzip der schiefen Schlachtordnung - nicht um den Gegner zu besiegen, sondern um Kunden und neue Partner zu gewinnen (Bild 1).

Bild 1: Grundprinzip der EKS-Strategie.

Durch Spezialisierung zu Spitzenleistung

Nur der Spezialist, der seine Stärken voll und ganz einsetzt, kann Spitzenleistungen bieten. Darum lautet die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Strategie: Konzentration der Kräfte und Spezialisierung auf das, was man am besten kann bzw. woraus Ihre Kunden den größten Nutzen ziehen können.

Wer sich verzettelt, bleibt durchschnittlich

Misserfolge und Konkurrenzdruck sind meistens die Folge eines entscheidenden Strategiefehlers: der Verzettelung der Kräfte (Bild 2). Wer auf vielen Märkten eine ganze Reihe von Leistungen anbietet, kann allenfalls durchschnittlich werden. Je mehr Sie Ihre Kräfte verzetteln, desto schwieriger wird es, etwas ganz Besonderes zu bieten. Und etwas wirklich Besonderes müssen Sie heute schon anbieten, um attraktiver zu sein als Ihre Konkurrenz. Wer sich auf eine spezielle Aufgabe konzentriert, bemerkt automatisch Lerngewinne über die ständigen Wiederholungen und die Entwicklung seiner Fähigkeit, Probleme zu lösen. Diese Gesetzmäßigkeit können Sie auch im Sport beobachten: Erstens sind Spitzensportler stets auf eine Disziplin spezialisiert, und zweitens können sie nur durch konsequentes Training, also Wiederholungen, in Richtung der Nummer Eins in ihrem Gebiet kommen.

Bild 2: Strategischer Fehler und die Auswirkungen.

Die Konzentration der Kräfte und die Spezialisierung haben positive Folgen, wie Sie in Bild 3 erkennen können. Die Nummer Eins zu sein, hat viele Vorteile. Der Marktführer kann selbst auf einem sehr kleinen Nischenmarkt überproportional erfolgreicher und sicherer agieren als ein durchschnittlicher Wettbewerber auf einem großen Markt. Der Marktführer ist bekannt und glaubwürdig. Man vermutet bei ihm die größte Fachkompetenz, er ist der Trendsetter und hat nicht nur finanzielle, sondern auch psychische und emotionale Vorteile. Die Ausstrahlung des Ersten ist wesentlich größer als die des Zweiten (Mittelmäßigen) - ein Phänomen, das den Naturgesetzmäßigkeiten folgt. Die besonderen Vorteile des spezialisierten Handwerksbetriebes, welcher auf einem Fachgebiet die Marktführerschaft besitzt, sind relativ einfach zu erklären: Je unübersichtlicher der Markt und die Angebote werden, desto mehr suchen Interessenten, Kunden, Geschäftspartner und Mitarbeiter nach einem dominierenden Orientierungspunkt - und das ist der Marktführer.

Bild 3: Erfolg durch die Bündelung der Kräfte.

Prinzip 2: Die Konzentration auf den wirkungsvollsten Punkt

Die Konzentration der Kräfte ist das erste Element strategischen Denkens nach EKS. Das zweite Element ist die Konzentration auf den wirkungsvollsten Punkt. Auch hier gibt es ein historisches Beispiel. Der Legende nach soll der kleine Hirte David den wesentlich stärkeren Riesen Goliath besiegt haben. David verhielt sich anders wie andere in einer vergleichbaren Situation. Er konzentrierte seine Kräfte mittels einer Steinschleuder und traf den wirkungsvollsten Punkt: die Stirn des Riesen. Da der menschliche Körper ein vernetztes System ist und David den Knotenpunkt dieses Systems getroffen hat, fiel der Riese tot um. Nun wirft heute niemand mit Steinen. Aber übertragen Sie die Legende vom Inhalt her auf Ihre strategische Marktsituation. Denken Sie vernetzt - statt - linear.

Märkte sind - genauso wie biologische Organismen - vernetzte Systeme. Das heißt, Veränderungen eines Elementes führen zwangsläufig auch zu Veränderungen anderer Elemente und damit des gesamten Systems. Nutzen Sie die Gesetze des Marktes, denn wer die Vernetzung und die sich darin befindenden wirkungsvollsten Knotenpunkte erkennt, kann sie gezielt für seine eigenen Ziele nutzen.

Prinzip 3: Minimum-Faktor Engpass

Was die Zielgruppe für ihre Entwicklung braucht, wird sie begeistert nachfragen. Die Kunst des Handwerksmeisters als Unternehmer liegt gerade darin, in der Vielzahl der Probleme das Kernproblem zu erkennen, das mit allen anderen Problemen verknüpft ist. Wenn dieses Problem gelöst ist, fällt es leichter, die anderen Aufgaben zu lösen - oder diese haben sich manchmal schon von selbst erledigt (Bild 4).

Die Natur zeigt uns auch hier den richtigen Weg. Der Naturwissenschaftler Liebig erforschte bereits vor 140 Jahren das Pflanzenwachstum. Er stellte fest, dass eine Pflanze vier Elemente zum Wachstum benötigt. Sollte nur ein Element fehlen, so stellt die Pflanze ihr Wachstum ein, auch wenn die anderen Elemente im Überfluss vorhanden sind. Die strategische Kunst ist nun, Ihren Kunden immer genau den Engpassfaktor zuzuführen, also genau das, was sie aktuell am dringendsten zu ihrer eigenen Entwicklung brauchen. Wer dazu in der Lage ist, hat den wirkungsvollsten Punkt getroffen und besitzt den Schlüssel zum Erfolg.

Bild 4: Problemerkennung - der Schlüssel zum Erfolg.

Prinzip 4: Nutzenorientierung statt Gewinnmaximierung

Wer stets den Nutzen seiner Zielgruppe steigert, erzielt seinen Gewinn automatisch. In jedem Handwerksbetrieb werden täglich viele Entscheidungen getroffen. Für welche Alternative Sie sich entscheiden, muss immer von Ihren Zielen bestimmt werden. Je genauer die Zielsetzung des Betriebes ist, desto besser funktionieren die Informationsabläufe und die Gesamtentwicklung des Betriebes. Gewinnmaximierung darf kein dauerhaft sinnvolles Ziel sein. Vielmehr sollte die Nutzenmaximierung für Ihre Zielgruppe verfolgt werden. Der eigene Unternehmensgewinn stellt sich automatisch aufgrund wachsendem Interesse und Nachfrage der Kunden von ganz allein ein. Ein solches Vorgehen nennt man indirekte Gewinnmaximierung (Bild 5).

Bild 5: Gewinnmaximierung durch nutzerorientiertes Handeln.

Der Unterschied zwischen der direkten und der indirekten nutzenorientierten Gewinnmaximierung ist aber von entscheidender strategischer Bedeutung. Das wird unter anderem an den verschiedenen Instrumenten, mit denen das Ziel erreicht wird, deutlich. Die direkte Gewinnmaximierung können Sie bestenfalls über aggressiven Verkauf oder durch Machtausübung erreichen, was aber langfristig nicht sinnvoll ist. Die indirekte Gewinnmaximierung dagegen lässt nur den Weg über die Erhöhung des Nutzens für eine klar umrissene Zielgruppe zu. In den folgenden Beiträgen werden über die Grundprinzipien hinaus die sieben notwendigen Umsetzungsschritte theoretisch und praktisch an Hand von Fallbeispielen aus dem Handwerk und anderen Bereichen praxisnah vorgestellt.

Fortsetzung folgt


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