IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 19/2001, Seite 60 f


REPORT


Begabtenförderung in der SHK-Ausbildung

Betriebsassistent der Sanitär- und Heizungstechnik

Ist es sinnvoll, begabte Auszubildende des SHK-Handwerks außerhalb des üblichen Lehrplans zu fördern? Natürlich. Schließlich braucht das Handwerk qualifiziertes Personal. Allerdings stellt sich die Frage, auf welche Art und Weise der Unterricht aussehen kann. Die Adolf-Reichwein-Schule in Marburg (Hessen) hat einen Weg gefunden: Mit einem zusätzlichen Berufsschultag für ausgewählte Schüler aus Mittel- und Oberstufe.

Die Absolventen des Lehrgangs "Betriebsassistent für Sanitär- und Heizungstechnik".

Die Idee einer Begabtenförderung im SHK-Handwerk hatten die beiden Berufsschullehrer Wolfram Möller und Ulrich Müller. Sie entwickelten mit großem Engagement das Konzept "Betriebsassistent der Sanitär- und Heizungstechnik" und stellten es den Innungen Marburg und Biedenkopf vor. Möller: "Die Obermeister der Innungen, Konrad Schweinsberger und Friedrich-Wilhelm Schäfer, erkannten sofort die positive Wirkung für das SHK-Handwerk und unterstützten das Vorhaben auf ganzer Linie. Finanzielle und materielle Unterstützung bekamen wir außerdem von den Herstellern Viessmann, Hansa, Geberit, Vaillant, Mepa und Fingerhaus."

Im ersten Halbjahr 2001 wurde dann der erste Lehrgang für Auszubildende mit überdurchschnittlichen Leistungen im Handwerksbetrieb und in der Berufsschule durchgeführt. 13 angehende Gesellen waren es schließlich, die an einem zusätzlichen Tag je Woche die Schulbank drückten. Freiwillig. Das ist durchaus bemerkenswert, denn ein weiterer Tag in der Berufsschule stößt keineswegs auf ungeteilte Zustimmung unter Azubis. Einer der Teilnehmer, Sebastian Topp (19 Jahre), schildert seine Motivation, warum er an der Zusatzqualifizierung teilgenommen hat: "Sicher kann ich das Gelernte später gebrauchen." Sven Köhl (23 Jahre) ergänzt: "Wir haben Infos bekommen, für die sonst in der üblichen Ausbildung keine Zeit ist". Richtig. Solarthermie und Photovoltaik, Blockheizkraftwerke, Wohnungslüftung, EDV und Internet, selbst Badplanung am PC stand auf dem Stundenplan. Der Kasten gibt nähere Auskünfte.

Wie bereits erwähnt, gab es auch Unterstützung von Herstellerseite. Die Standorte der Unternehmen waren Ziel zum Teil mehrtägiger Reisen: Mepa in Rheinbreitbach (Vorwandinstallation), Fingerhaus (Energiekonzepte im Niedrigenergiehaus), Geberit (Abwasserturm mit richtigen und falschen Abwasserinstallationen), Vaillant (Brennstoffzelle und Brennwerttechnik), Viessmann (Regelungstechnik). Die Reise nach Hansa steht noch aus und soll nachgeholt werden. Für Sven Köhl brachten die Lehrgänge bei den Herstellern besonders viel: "Dadurch bin ich in der Ausführung von Arbeiten viel sicherer geworden".

Im Rahmen der Abschlusskundgebung demonstrierten einige Schüler die Lehrinhalte: (oben) Brennstoffzelle, (mitte) Wärmepumpe, (unten) Badplanung.

Zurück zum zusätzlichen Berufsschultag. Für Auszubildende besteht eine Fünf-Tage-Woche aus einem Pflichtberufsschultag und vier Arbeitstagen im Ausbildungsbetrieb. Woher also kommt der zweite Berufsschultag? Die Antwort darauf liefern die Ausbildungsbetriebe. In einer beispiellos gemeinsam getragenen Aktion stellten sie die Auszubildenden frei. Obermeister Schäfer begründet die Übernahme der zusätzlichen Kosten so: "Das SHK-Handwerk braucht Fachleute, die es nun mal nicht zum Nulltarif gibt. Wir als Handwerksbetriebe tragen gern die Mehrbelastung, weil wir von der Weiterqualifizierung der Adolf-Reichwein-Schule überzeugt sind und später selbst den Nutzen haben." Dem braucht man nichts hinzuzufügen.

Die Vorteile liegen auf der Hand. Durch die zukunftsorientierten Inhalte der Ausbildung gewinnt das SHK-Handwerk Fachleute, die es dringend braucht. Des Weiteren steigt durch den Kontakt des qualifizierten Personals mit dem Endkunden das Image des SHK-Handwerks. Und der Auszubildende verbessert seine Aufstiegschancen im Betrieb. Sebastian Krotki (21), überzeugter Teilnehmer am Lehrgang, zieht Bilanz: "Ich bin froh, dass ich an dem Kurs teilgenommen habe."

Selbst die "Marburger Bank" ist von der Initiative überzeugt. Sie vergab den jährlich ausgeschriebenen Förderpreis "Innovativer Mittelstand" in diesem Jahr an die Adolf-Reichwein-Schule in Marburg für ihr Konzept der Begabtenförderung im Handwerk. Damit unterstreicht eine außenstehende Institution die Richtigkeit eines solchen Lehrkonzepts.

Ob allerdings eine Neuauflage der Zusatzqualifizierung an der Adolf-Reichwein-Schule im kommenden Frühjahr stattfindet, steht zum heutigen Zeitpunkt noch nicht fest. Denn die Integration in den Schulablauf und der hohe Einsatz der beiden Lehrer Müller und Möller neben der üblichen Berufsschulzeit führten zu einer außergewöhnlichen Belastung aller. Dennoch lässt sich eines festhalten: Nachahmung bundesweit empfohlen, will man dem Facharbeitermangel zielgerichtet entgegentreten.

Zusätzliche Lernfelder und Inhalte "Betriebsassistent"

  • Energiekreislauf, regenerative Energien, Energiebedarf in Gebäuden (früher, heute und in Zukunft)
  • Energieversorgung mit Schwerpunkt neue Technologien: Brennwerttechnik, Wärmepumpe, BHKW, Brennstoffzelle, Regenwassernutzung, Wohnungslüftung...
  • Mess- und Regelungstechnik
  • Wartung

Informationstechnik/EDV

  • Hardware, Software (allg.)
  • Branchensoftware (Wärmebedarfsberechnung, Badplanung,
  • Schulungssoftware verschiedener Hersteller)
  • Internet

Kundenorientierung

  • Kundenbetreuung
  • Beratung bei Energie- und Umweltfragen

Wer tiefere Informationen bekommen möchte, wendet sich an die Herren Müller und Möller. Beide stehen gern für Rede und Antwort zur Verfügung.

Adolf-Reichwein-Schule
W. Möller
U. Müller
Weintraut-Str. 33
35039 Marburg
Tel.: 06421/6977-0
Fax: 06421/16977-61 

 


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