IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 17/2001, Seite 46 ff.


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Werk Wittlich

Sanitärgeschichte geschrieben

Ideal Standard feiert 100-jähriges Firmenjubiläum

In diesem Jahr feiert Ideal Standard sein 100-jähriges Bestehen. Ursprünglich als Radiator- und Kesselhersteller gegründet, wurde aus dem einstigen Branchenpionier im Laufe der Geschichte eine internationale Firmenfamilie mit 106 Produktionsbetrieben in 35 Ländern und gleichzeitig der größte Sanitäranbieter weltweit.

Am 30. April 1901 wurde die "Nationale Radiator Gesellschaft mbH" in Berlin als Tochter der American Radiator Corporation New York gegründet. Die rasante Entwicklung der Baukonjunktur und die große Offenheit der Deutschen für technische Neuerungen hatten das Unternehmen bewogen, diesen vielversprechenden Markt nicht länger von den USA aus, sondern über eine inländische Produktionsstätte zu versorgen. Diese wurde 1902 in dem kleinen Elb-Hafen Schönebeck bei Magdeburg in Betrieb genommen. Bereits ein Jahr später trennte man Produktion und Verwaltung und verlagerte den Sitz der Gesellschaft nach Berlin. Dort residierte man unter der Kurzfirmierung NARAG. Die Produktpalette der Gesellschaft umfasste gusseiserne Radiatoren und Gusskessel, die zunächst als Luxus, bald aber als der Inbegriff modernen Wohnkomforts galten.

Hauptverwaltung American Standard New York 40West40th.

Schon nach kurzer Zeit wurde eine Erweiterung der Schönebecker-Produktionsanlagen notwendig und bald darauf auch der Bau eines zweiten, für den westdeutschen Markt günstiger gelegenen Werkes. Im linksrheinischen Neuss fand die NARAG einen geeigneten Standort. Bereits ein Jahr später kam hier die Radiatoren-, bald auch die Tempergießerei in Gang. Im Zuge einer Reorganisation wurden beide NARAG-Produktionsstätten in der zweiten Hälfte der 20er-Jahre spezialisiert: Fortan fertigte das Neusser Werk Radiatoren, während in Schönebeck Gusskessel hergestellt wurden.

Erfreuliche Mitgift: das Sanitärgeschäft

Den Einstieg ins Sanitärgeschäft brachte die Fusion der amerikanischen Muttergesellschaft mit der Standard Sanitary Corporation. Beide verbanden sich 1929 zur "American Radiator & Standard Sanitary Corporation". Kurz darauf fusionierten auch ihre deutschen Töchter, wobei ihnen ihre unmittelbare Nachbarschaft im Neusser Hafengelände zugute kam. Die Standard Sanitary Corporation wurde als Geschäftsbereich Sanitär der NARAG angegliedert. Während diese nach wie vor Gusskessel fertigte, entstanden nebenan gusseiserne, emaillierte Badewannen, Messingarmaturen und Sanitärkeramik aus hochwertigem Porzellan.

Art Deco-Bad aus dem Jahr 1930.

Der zweite Weltkrieg unterbrach die ständige Aufwärtsentwicklung des Unternehmens. Das Neusser Hafengelände mit seinen zahlreichen Produktionsstätten gehörte zu den gesuchtesten Zielen alliierter Bomber. Wegen der starken Zerstörungen musste die NARAG 1945 sämtliche Fertigungsanlagen für Keramik, Armaturen und Radiatoren erst wieder aufbauen. Einzig das Gusswannenwerk wurde nicht wieder errichtet, weil inzwischen Stahlwannen im Kommen waren.

Neuer Name für neue Zeiten

Doch der Krieg hatte nicht nur Trümmer, sondern auch ein geteiltes Deutschland hinterlassen, sodass das Unternehmen von seinem ostdeutschen Werk abgeschnitten war. In den Nachkriegsjahren war es unmöglich, weiterhin Gusskessel aus dem sowjetisch besetzten Schönebeck zu beziehen, deshalb begann die NARAG 1950, in Neuss Gusskessel zu entwickeln. Ein Jahr später wurde aus der "National Radiator Gesellschaft mbH" die "Ideal Standard GmbH".

Durch die politische Entwicklung war die einstige europäische Metropole Berlin in Randlage gerückt. Deshalb verlegte das Unternehmen 1956 seinen Verwaltungssitz in die neue bundesdeutsche Hauptstadt Bonn, nahe der Produktionsstätte Neuss. Damit verlagert sich auch der Aktionsschwerpunkt in den Westen des Wirtschaftswunderlandes: 1955 hatte die Gesellschaft die Rheinkälte Düsseldorf, Hersteller von Kühl- und Kältetechnik, erworben, die bis 1969 zur Ideal-Standard GmbH gehörten. 1963 entsteht in Wittlich ein Fertigungsbetrieb für Stahlradiatoren. 1965 erwirbt Ideal Standard die Projahn-Werke Waldbröl mit Produktionsstätten in Waldbröl und Berlin, wo Stahlkessel, Stahlradiatoren und Lufttechnik bzw. Plattenheizkörper hergestellt werden.

Heizkessel LB 3, meistverkaufter IS-Kessel.

Wittlich wird europäisches Armaturenzentrum

Ende der 60er-Jahre wird der Standort Wittlich zu einem modernen Armaturenwerk für den ganzen europäischen Markt umgebaut. Im gleichen Zeitraum stellt das Unternehmen die Armaturenfertigung in Neuss und dem französischen Clichy ein, um sie in dem Moselstädtchen zu konzentrieren. Im Gegenzug wird die Keramikproduktion in Neuss ausgeweitet. Marktentwicklung und -prognosen führen 1975/76 schließlich dazu, dass sich Ideal Standard aus dem Heizungs- und Lüftungsgeschäft zurückzieht und die Fertigungsbetriebe in Waldbröl und Berlin aufgibt.

Die steigenden Ansprüche und wachsende Differenziertheit des Sanitärmarktes machen ein weitreichendes Umstrukturierungsprogramm erforderlich: Neuss wird zur Fertigungsstätte hochwertiger Keramikprodukte. Auf Dauer aber schwächten die hohe Lohn-, Administrations- und Umweltschutzkosten die Wettbewerbsfähigkeit des langjährigen Produktionsstandortes, sodass die Fertigung mehr und mehr von den europäischen Schwestergesellschaften übernommen wurde. Im Jahre 1998 wurde der Produktionsstandort schließlich geschlossen.

Der Verkaufsschlager Ceramix: Über 50 Millionen Stück wurden weltweit vermarktet.

Ceramix: Eine Armatur macht Weltkarriere

Von wegweisender Bedeutung für die Branche waren vor allem die Neuerungen im Armaturenbereich: Der einzige echte Markenartikel der Branche heißt Ceramix, der erste ernst zu nehmende Einhebelmischer und damit Urbild einer völlig neuen Armaturenspezies. Unzählige Male hat man ihn kopiert, plagiiert und seinen Hersteller wegen vermeintlicher Untreue zum klassischen Vertriebsweg attackiert. Nichts konnte den Erfolgskurs hemmen. Über 50 Millionen Mal ist der legendäre Einhebelmischer inzwischen weltweit installiert worden. Mit der Ceramix führte Ideal-Standard auch ihre neue Dichttechnik ein: Die erste Kartusche mit patentierten keramischen Dichtscheiben war eine Revolution in der Armaturentechnik. Sie machte ein für allemal Schluss mit einem geradezu sprichwörtlichen Übel: dem tropfenden Wasserhahn.

Ein Meilenstein in der Armaturentechnologie war auch die erste voll elektronisch gesteuerte Dusch- und Wannenarmatur EBC. Sie erlaubt bis zu sechs Benutzern die Programmierung ihrer individuellen Wünsche an Wassertemperatur und -menge. Sie ist komfortabel, sparsam und umweltfreundlich und beweist damit, dass der Weg zum Umweltschutz nicht im Verzicht auf Hightech, sondern gerade in deren konsequenter Nutzung liegt.

EBC, Innovation der Armaturentechnik.

Zeiten und Ziele wandeln sich

In den letzten Jahren ist Ideal-Standard auf dem deutschen Markt auch zu einem wichtigen Anbieter von Whirlpoolwannen avanciert. Anders als seine Wettbewerber konzentriert sich der Bonner Hersteller nur auf eine Qualitätsklasse, nämlich "top" und sorgt mit einer ganz eigenen Produktphilosophie für verbraucherfreundliche Preise. So wird bei sämtlichen Ideal-Standard-Systemen auf alles verzichtet, was die Kosten unnötig in die Höhe treibt und der Komfortgewinn einer jeden möglichen Funktion an seinen Mehrkosten gemessen. Das Ergebnis: Manch teures Detail kann ohne weiteres durch eine preisgünstigere, funktional gleichwertige Lösung ersetzt werden. Praxis- nicht prestigeorientiert sind auch die intelligenten technischen Lösungen, mit denen der Hersteller Montagezeiten reduziert und damit Kosten mindert.

So hat das Unternehmen im Laufe seiner hundertjährigen Geschichte schließlich vom Versorgen zum Verwöhnen gefunden. Zweifellos ein noch schöneres Thema und nicht weniger aussichtsreich. Kein Wunder, dass der hochbetagte Jubilar auch zu Beginn seines zweiten Jahrhunderts optimistisch in die Zukunft blickt.


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