IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 11/2001, Seite 3


EDITORIAL


Beruflichkeit handwerklicher Erstausbildung muss erhalten bleiben!

In der Diskussion um die Neustrukturierung von Ausbildungsordnungen stehen sich die Verfechter von Grund- oder Basisberufen und die Befürworter von Ausbildungsordnungen mit stärkerer Differenzierung gegenüber.

Erstere kommen überwiegend aus dem Lager der Berufsschullehrer und einzelner Gewerkschaften, zweite aus der ausbildenden Wirtschaft - speziell handwerklicher Ausbildungsgänge - sowie interessanterweise von Eltern schulisch schwächerer, dafür aber vielfach stärker praktisch begabter Jugendlicher.

Der Anteil von Jugendlichen eines Schulentlassjahres mit einem deutlichen Mangel an abstrakter Denkfähigkeit und zugleich stark gesunkener Motivation - meist aufgrund von Misserfolgen in der allgemeinbildenden Schule - ist deutlich zweistellig und damit gesellschaftspolitisch eine nicht zu vernachlässigende Größe.

Eine praxis- und berufsbezogene handwerkliche Ausbildung und ein ergänzender berufsfachlicher Unterricht in der Berufsschule sind bisher die Grundlage dafür, dass im Handwerk über 60 % aller Hauptschüler eine Ausbildungschance erhalten haben.

Ob dies auch künftig möglich ist, hängt entscheidend von den neuen Ausbildungsordnungen und den daraus abgeleiteten schulischen Rahmenlehrplänen ab, d.h. vom Erhalt der Beruflichkeit handwerklicher Erstausbildung.

Das Bildungskonzept des Handwerks lautet "Der Mensch wird im Beruf gebildet". Bei beruflicher Tätigkeit wird der Einzelne dazu gebracht, sich Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen, sich mit der fortschreitenden Technik auseinanderzusetzen. Dabei gewinnt der junge Handwerker Lebenserfahrung, es formen sich Persönlichkeit und Charakter.

Wer generell eine zusätzliche Vermittlung sog. "Schlüsselqualifikationen" fordert, der übersieht, dass deren Vermittlung zwar in einer industriellen Lehrwerkstatt-Ausbildung und erst recht bei rein schulischen Ausbildungsgängen notwendig ist. Sie ist es jedoch nicht bei auftragsbezogener handwerklicher Ausbildung, bei der sich Qualifikationen wie Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Zuverlässigkeit, Belastbarkeit und die vielfältigen sozialen Kompetenzen quasi zwangsläufig bei der gemeinsamen Tätigkeit beim Kunden, in der Zusammenarbeit mit Meistern, Gesellen und anderen Lehrlingen entwickeln.

Das ZDH-Modell "Aus- und Weiterbildung nach Maß" erfüllt in betrieblicher wie schulischer Hinsicht o.g. Voraussetzungen für eine handwerkgerechte Erstausbildung. Dieser Vorschlag basiert auf gemeinsam zu vermittelnden Kernqualifikationen und vom Ausbildungsbetrieb aus einer bestimmten Anzahl entsprechend der betrieblichen Auftragsstruktur auszuwählender und mit dem angehenden Lehrling zu vereinbarenden und im Ausbildungsvertrag festzulegenden sog. "Wahlpflichtbausteine".

Auf der Grundlage dieses Modells hat es im Zentralverband Sanitär Heizung Klima einen einstimmigen Beschluss gegeben, der später noch einmal bezüglich der Zahl der Wahlprüfsteine anteilmäßig reduziert wurde. Er fand jedoch nicht die Zustimmung des Sozialpartners IG Metall, der nach dem Berufsbildungsgesetz am sog. Konsensverfahren zu beteiligen ist.

Die IG Metall geht ihrerseits von einem Modell mit Grund- oder Basisqualifikationen und einer Fachqualifikation aus und schlägt - bezogen auf die beiden bisherigen Ausbildungsberufe Gas- und Wasserinstallateur sowie Zentralheizungs- und Lüftungsbauer - vier Handlungsfelder (Wassertechnik, Wärmetechnik, Lufttechnik und Umwelttechnik) vor, von denen mindestens ein Handlungsfeld der Ausbildung zugrunde zu legen ist und in dem dann entsprechend Fachaufgaben zu vermitteln sind. Hiermit stimmt auch die IG Metall einer notwendigen betrieblichen Differenzierung entsprechend der Auftragsstruktur des einzelnen Ausbildungsbetriebes zu.

Diese Differenzierungsmöglichkeit bezieht sich jedoch lediglich auf die betriebliche Ausbildung. Und da liegt z. Z. das Problem! Wenn der Dualpartner Schule allgemeinbildende, überfachliche Qualifikation und sog. Orientierungswissen in den Mittelpunkt der Berufsausbildung - und weit darüber hinaus - stellt, dann geht die berufliche Handlungs- und Einsatzfähigkeit als Ergebnis der Ausbildung verloren!

Wenn berufliche Einsatzfähigkeit erst durch eine anschließende Weiterbildungsphase zu erreichen ist, dann führt das faktisch zu einer Verlängerung und Verteuerung der berufsintegrierten Erstausbildung mit absehbaren negativen Konsequenzen - nicht zuletzt auf die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe.

Es führt aber auch dazu, dass noch mehr Jugendliche, wie das Ergebnis einer Untersuchung des Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften (IPN) an der Universität Kiel bestätigt, "Nullbock auf Unterricht" haben, weil in unserer Dualausbildung praktische Unterweisung und Berufsschulunterricht sich immer weniger ergänzen, sondern auseinanderlaufen!

Hugo Schütt
Hauptgeschäftsführer
FSHK Schleswig-Holstein

 


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