IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 9/2001, Seite 34 ff.


SANITÄRTECHNIK


Wassersparen am Bodensee

Regenwassernutzung an Schule und Hochschule

Dipl.-Ing. Klaus W. König*

Zwei Bildungsstätten, die Universität Regensburg/Bayern und Salem International College in Überlingen/Bodensee fangen Regenwasser auf und nutzen es. Lohnt sich das oder wird nur ökologische Technik zur Schau gestellt? Am Bodensee, dem größten Trinkwasserspeicher Europas, erscheint manchem Wasserversorger das "neumodische" Wassersparen wie Eulen nach Athen tragen oder Bäckerjungen Stuten schenken.

Ein registriertes Projekt der Weltausstellung im Jahr 2000.
Foto: König

Ein EXPO-Projekt

Die traditionsreiche Schule Schloss Salem, bereits in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts von Prinz Max von Baden und dem Reformpädagogen Kurt Hahn gegründet, erhielt mit dem Salem-College ihre jüngste Erweiterung. Fast 100 Schüler wohnen und lernen seit Oktober 2000 in Deutschlands größtem privaten Schulprojekt. Von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert und von der EXPO 2000 als offizielles Projekt anerkannt, formuliert die Schulleitung in ihrer Broschüre mit Stolz: "Die Nutzung von Regenwasser steht beispielhaft für Fälle, in denen ökologisch verträgliches Verhalten ohne Qualitätsverlust möglich ist. Dennoch muss man sich daran erst noch gewöhnen. Hier ist also Pädagogik gefordert. Ökologische Erziehung im College zielt darauf ab, im Alltag Verhaltensweisen einzuüben, die einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen nahe legen. Diese Elemente sollen selbstverständlicher Bestandteil des Lebens und Lernens im Internat werden und nicht als besondere Veranstaltungen herausgehoben werden. Deshalb wird das Regenwasser eines Bauteils, der sogenannten ,Unterrichtsschlange’, in einer Zisterne gesammelt und für die Toiletten im Unterrichtsgebäude und im Zentrum sowie für die Gartenbewässerung genutzt...".

Lageplan des Campus-Geländes, "Wohnschlangen"/Tutorate oben, U-förmige "Unterrichtsschlange", davon eingeschlossen zentrales Aula- und Verwaltungsgebäude. Zeichnung: Prof. Lederer, Ragnardottir, Oei, Architekten Stuttgart.

Selbstkritisch wird in der gleichen Schrift aber auch die Frage gestellt: "Regenwassernutzung, was ist daran nachhaltig?" und beantwortet mit drei Aspekten:

Campus-Gelände bei Überlingen, im Hintergrund der Bodensee.
Foto: König

Es ist erklärtes Ziel der Pädagogen hier, Ökologie auch im Alltag der Schüler transparent und erfahrbar zu machen. Kontrollinstrumente machen Strom- und Wasserverbrauch sichtbar und schärfen so das Bewusstsein, geben Stoff für den Unterricht. Der ökologische Anspruch wird an mehreren Stellen gleichzeitig deutlich: Außer in Zisternen für die Regenwasserbewirtschaftung wurde auch in energiesparende Systeme investiert:

- Fotovoltaik

- thermische Solaranlagen

- Fernwärme vom nahegelegenen Überlinger Holzschnitzelheizwerk

Parkfläche im Innenhof unversiegelt, teilweise Splitt, teilweise Schotterrasen, mit offenen Regenrinnen.
Fotos: König

 

 

Ideologische Eiferer waren hier nicht am Werk, das Kosten/Nutzen-Denken ist bei allem Umweltengagement ganz realistisch ausgeprägt. Zum Beispiel wurden nicht alle Sammelflächen an die Regenwasserzisternen angeschlossen, nicht alle Toiletten mit Regenwasser versorgt. Im Prospekt heißt es dazu: "Noch größer könnten die Einsparungen ausfallen, wenn auch die Tutorate angeschlossen wären. Der Materialaufwand für ein zweites Leitungssystem quer über den ganzen Campus wäre aber auch ökologisch betrachtet schädlicher als der jetzige Frischwasserverbrauch in den Toiletten."

Gebäudeteil der "Unterrichtsschlange".
Foto: König

International und ökologisch ausgerichtet zu sein ist pädagogischer Inhalt dieser weltweit bekannten Bildungseinrichtung und äußeres Erscheinungsbild der neu gebauten Anlage. Futuristisch und funktional anmutende Solarpanele, die auf Gebäuden nach dem antiken Vorbild der griechischen Prolis gruppiert sind. Im Zentrum der Anlage ein mächtiger Kubus, mit Aula und Verwaltung, umgeben von dem U-förmigen Unterrichtsbau, daneben die sogenannten "Wohnschlangen" die als Einzelgebäude im Reihenhausstil aneinandergebaut sind; - alles gemauert aus rustikal verarbeitetem Klinker.

"Wohnschlangen"/Tutorate mit Gründach, Wasserspeier und Ableitung im Untergrund zur Versickerung. Komponenten der Regenwasserbewirtschaftung und der Solartechnik sind offensichtliche Elemente der Architektur!
Fotos: König

Wo möglich, wird das Regenwasser unmittelbar in den Kreislauf zurückgeführt, das heißt flächig versickert durch Böden, die nicht versiegelt sind. Von den extensiv begrünten Bogendächern fließt das Wasser über Ablaufrinnen und Rohre aus dem Campus heraus und wird großflächig versickert.

Gebäudeansicht "Unterrichtsschlange" und zentrales Gebäude.
Foto: König

Für die Nutzung wird das Regenwasser vom Metalldach der U-förmigen "Unterrichtsschlange" gesammelt. Rohrleitungen DN 300 führen es durch einen Verteilerschacht auf den Grobfilter, der wie die Speicheranlage aus vorfabrizierten Betonfertigteilen besteht. Das Wasser durchläuft so eine unterirdische Kaskade von fünf Behältern, bevor es im letzten mit Unterwassermotorpumpen zur Technikzentrale gefördert wird. Die Toiletten im Unterrichtsgebäude, von dessen 3500 m2 Dachfläche das Regenwasser stammt, werden auf kurzem Wege durch das separate Leitungsnetz versorgt. Pro Jahr können so 2800 m3 Trinkwasser eingespart werden.

Unterverteilung der Regenwasser-Druckleitungen im Technikraum.
Foto: König

Einen Aspekt hebt der Schulprospekt, der eigens für die Regenwassernutzung hergestellt wurde, ausdrücklich hervor:

Unterverteilung Regenwasser: Leitung zur Gartenbewässerung ohne, beide Leitungen zur Toilettenspülung mit Zähleinrichtung, um gegebenenfalls Abwassergebühren danach bemessen zu können.
Foto: König

Kosten

Im Rahmen des Förderantrages bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt wurden 220.000 DM berechnet, davon 50% als Zuschuss genehmigt, die verbleibenden 110.000 DM wurden im Rahmen der Baufinanzierung durch das Salem-College getragen.

Sanierung Sportzentrum der Universität Regensburg, Bau eines 180 m3 Regenspeichers aus Betonfertigteilen.
Fotos: Mall Umweltsysteme

 

 

 

 

Sportzentrum Universität Regensburg

Zeitgleich mit Salem-College wurde im bayerischen Regensburg eine Regenwasseranlage zur Bewässerung des Sportzentrums erstellt. Im Zuge der Sanierung hat das Universitätsbauamt die Sammlung, Nutzung und Versickerung des Regenwassers beschlossen und das Ingenieurbüro Decker in Regensburg mit der Planung beauftragt.

Überlauf des Regenspeichers in den Rückhalteteich/Sickermulde.
Zeichnung: Ingenieur-Büro Decker, Regensburg

Die Regenwasserspeicher- und Versickerungsanlage ist bereits Ende 2000 ausgeführt worden, die Pumpentechnik Anfang 2001. Die Herkunft des Niederschlagswassers ist zunächst Drainage aus Grünflächen und Kleinspielflächen wie Beach-Volleyball, befestigte Tennisplätze und auch oberflächiger Abfluss einer Skaterbahn. In späteren Ausbauphasen werden möglicherweise noch Dachflächen von Hochbauten angeschlossen, zum Beispiel Schwimmbad oder Tribünenüberdeckung.

 

Salem College: Filter- und Speichertechnik mit Entnahmeschacht aus Betonfertigteilen, unterirdisch eingebaut.
Zeichnung: Mall

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Die Trinkwassernachspeisung bei leerem Behälter erfolgt zunächst noch aus dem Trinkwassernetz, in einer weiteren Ausbauphase und nach entsprechender Genehmigung möglicherweise aus dem Grundwasser. Ziel ist, das Sportzentrum der Universität so zu bewirtschaften, dass künftig möglichst kein Regenwasser vom Gelände mehr abgeleitet werden muss und zur Bewässerung kein Trinkwasser mehr ver(sch)wendet wird!

Sportzentrum Universität Regensburg: Überlauf der Sickermulde über das Mönchsbauwerk in den Sickerschacht.
Zeichnung: Ingenieur-Büro Decker, Regensburg

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Das pädagogische Potenzial als Bestandteil des Umwelterziehungskonzeptes von Salem-College


Die ökologischen Maßnahmen

Die natürlichen Wasserkreisläufe sind durch unsere Lebensweise von Übernutzung bedroht. Der vernünftige Umgang mit der Ressource Trinkwasser wird somit zur pädagogischen Aufgabe. Daher gehören folgende Maßnahmen zum Konzept des Salem-College in Überlingen:


Technische Projektdaten Salem-College

Inbetriebnahme:

Oktober 2000

Regenwassersammelfläche:

3500 m2

Trinkwassereinspeisung:

2800 m3 pro Jahr

Zisternengröße 48,6 m3/Zulaufleitg. DN 300/Filterfeinheit 0,4 mm

Planung

 

Architektur:

Prof. Lederer/Ragnardottir/Oei, Stuttgart

  • Technische Ausrüstung:

Scholze Ingenieure, Leinfelden-Echterdingen

  • Versickerung:

Landschaftsarchitekt Hornstein, Überlingen

Ausführung

 
  • Sanitär und Regenwassernutzung:

Franz Lohr, Ravensburg

  • Außenanlagen:

Gartenbau Schöppler, Meßkirch


Neue Trinkwasserverordnung im Jahre 2003

"Die Richtlinie 80/778/EWG des Rates vom 15. Juli 1980 über die Qualität von Trinkwasser für den menschlichen Gebrauch muss an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt angepasst werden." (Der Rat der Europäischen Union). Die Bundesrepublik Deutschland war nach EU-Recht verpflichtet die Richtlinie 98/83/EG des Rates vom 3. November 1998 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch binnen zwei Jahre in nationales Recht umzusetzen. Dabei war es den EU-Mitgliedsstaaten erlaubt, zusätzliche Einschränkungen und Verschärfungen vorzunehmen.

Der Verordnung, die zum 1.1.2003 in Kraft treten wird, sind folgende Gesetze übergeordnet:

Da die Bundesregierung in der Begründung zu ihrem Entwurf Wert darauf legt, dass die Festlegungen der Grenzwerte und Anforderungen dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis und technischer Entwicklung entsprechen, wäre es nur folgerichtig gewesen, die vorgesehene Einschränkung bei der Abgabe von Betriebswasser an Verbraucher aus dem endgültigen Verordnungstext zu streichen. Kernpunkt in Bezug auf die Regenwassernutzung ist die Abgabe von Betriebswasser zum Wäschewaschen. Es geht erst aus dem Begründungstext, nicht aber aus dem eigentlichen Text der Verordnung selbst hervor, dass dies zulässig ist, wenn gleichzeitig den Verbrauchern die Wahl zwischen Trink- und Betriebswasser eingeräumt wird.

Die Novellierung der Trinkwasserverordnung betrifft keine Anlagen, die der ausschließlichen Nutzung im familiären Bereich dienen. Allerdings zeigt die Praxis, dass Bauämter dem Bürger diese Information vorenthalten, was bereits heute zu erheblichen Irritationen und Problemen führt.


* Dipl.-Ing. Klaus W. König ist beratender Ingenieur (EUR ING FEANI) und freier Architekt in Überlingen. Schwerpunkt seiner Arbeit sind Konzeption und Planungen von Regen- und Betriebswasseranlagen. Daneben berät er Städte und Gemeinden, leitet Seminare und hält Vorträge zum Thema. König ist Vorstandsmitglied der "Fachvereinigung für Betriebs- und Regenwassernutzung" und Mitarbeiter im DIN-Ausschuss NAW V 8 "Regenwassernutzungsanlagen".


L i t e r a t u r h i n w e i s :

König, K.: "Regenwasser in der Architektur, Ökologische Konzepte". Ein Fachbuch der Regenwasserbewirtschaftung: Regenwassernutzung, Gründach, Versickerung. Dokumentation ausgeführter Beispiele mit Angaben zu den Kosten. Ökobuch-Verlag, Staufen, 1996. Fachbuch, 21 x 21 cm, 236 S., viele Abb., gebunden, DM 56,00; ISBN 3-922964-60-5

König, K.: "Regenwassernutzung von A - Z". Ein Anwenderhandbuch für Planer, Handwerker und Bauherren. Schwerpunkt Sanitär- und Speichertechnik. 5. Auflage, 2000. 141 S., 156 teilw. farbige Abb., DIN A 4 gebunden, DM 35,00 zzgl. Porto u. Verpackung; ISBN 3-9803502-0-7

König, K.: "Zum Umgang mit Regenwassernutzung", Leitfaden für Kommunen in Deutschland. Ökologie, Recht und Gebühren, Technik. Beispiele und Erfahrungen aus Sicht der Gemeindeverwaltung. 1999. 34 Seiten mit Vordrucken und Arbeitsblättern, DIN A 4, DM 20,00 zzgl. Porto u. Verpackung; ISBN 3-9803502-2-3


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