IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 03/2001, Seite 46 ff.


RECHT-ECK


Lohnanteile und Abfindungen

Ruhen von Arbeitslosengeld bei Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses

RA Friedrich-W. Stohlmann

Gemäß §§ 143, 143 a Sozialgesetzbuch III ruht die Zahlung von Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe in besonderen Fällen, soweit nämlich der Arbeitslose seinen Lebensunterhalt noch aus Leistungen bestreiten kann, die ihren Entstehungsgrund in einem Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis haben. Arbeitslosengeld bzw. -hilfe erhält der Arbeitnehmer erst dann, wenn er diese Leistungen (im Falle des § 143 a SGB III bis zu einem gewissen Grade) verbraucht hat. Dabei ist es gleichgültig, ob die aus dem Arbeitsverhältnis entstandenen Leistungen als Arbeitsentgelt, Urlaubsabgeltung oder Entlassungsentschädigung (Abfindung) ausgewiesen werden.

Der Vorschrift des § 143 a SGB III (Ruhen des Anspruchs bei Entlassungsentschädigung) liegt dabei insbesondere folgende Überlegung zugrunde: Hat sich der Arbeitnehmer darauf eingelassen, ein Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis früher zu beenden, als dies mit Rücksicht auf die seitens seines Arbeitgebers einzuhaltende Kündigungsfrist möglich war, so ist davon auszugehen, dass in einer Entlassungsentschädigung stets auch Lohnanteile für die Zeit zwischen dem tatsächlichen Ende des Arbeitsverhältnisses und dem Ablauf der für den Arbeitgeber geltenden Kündigungsfrist enthalten sind. § 143 a Abs. 1 Satz 1 SGB III beinhaltet insoweit eine unwiderlegbare Vermutung, die Entlassungsentschädigung (Abfindung) sei jedenfalls zum Teil die Gegenleistung des Arbeitgebers dafür, dass der Arbeitnehmer seine Rechtsposition "Fortbestand des Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist" freiwillig aufgegeben hat. Ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. -hilfe nach den §§ 143 bzw. 143 a SGB III, so hat dies zunächst nur die Folge, dass diese Leistungen dem Arbeitslosen nicht ausbezahlt werden. Der Anspruch an sich bleibt in seinem Bestand und Umfang unberührt, da dessen Minderung nach § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III nur insoweit eintreten kann, als der Anspruch tatsächlich erfüllt wird. Letzteres trifft auch für den Fall der "Gleichwohlgewährung" zu. Durch das Ruhen nach § 143 a SGB III wird also letztlich nur der Beginn des Gewährungszeitraums hinausgeschoben.

Ruhenstatbestände

Anspruch auf Arbeitsentgelt

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht nach § 143 Abs. 1 SGB III unabhängig von der Höhe des Entgeltanspruches in voller Höhe in der Zeit, für die der Arbeitslose Arbeitsentgelt erhält oder zu beanspruchen hat. Zunächst erscheint es widersprüchlich, dass ein Arbeitnehmer in der Zeit, in der er bereits Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, also schon arbeitslos im Sinne der §§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 SGB III ist, auch noch Anspruch auf Arbeitsentgelt haben könnte. Dieser vermeintliche Widerspruch erklärt sich jedoch daraus, dass Arbeitslosigkeit nach den genannten Bestimmungen immer schon dann eintritt, wenn ein Arbeitnehmer faktisch nicht mehr beschäftigt ist. Auf den rechtlichen Bestand des Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnisses kommt es nicht an. Arbeitslosigkeit im Sinne der genannten Bestimmungen liegt immer schon dann vor, wenn entweder der Arbeitgeber die Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers nicht mehr anerkennt oder aber der Arbeitnehmer seine Bereitschaft zur Dienstleistung aufgibt. Regelmäßig würde sich dabei bei § 143 Abs. 1 SGB III um die Fälle handeln, in denen ein Arbeitnehmer bei Fortzahlung des Entgeltes von der Arbeit freigestellt wird oder sich der Arbeitgeber nach unwirksamer Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Annahmeverzug befindet und Lohn bzw. Gehalt nach §§ 615, 295 ff. BGB schuldet.

Urlaubsabgeltung

Nach § 143 Abs. 2 Satz 1 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. -hilfe für die Zeit des abgegoltenen Urlaubes, wenn der Arbeitslose wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung erhalten oder zu beanspruchen hat. Voraussetzung ist also, dass der Arbeitslose entweder eine – unabhängig von der arbeitsrechtlichen Situation – ursächlich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang stehende Urlaubsabgeltung tatsächlich erhalten hat oder dass ihm arbeitsrechtlich noch ein Urlaubsabgeltungsanspruch zusteht. Der Ruhenszeitraum beginnt mit dem Ende des die Urlaubsabgeltung begründenden Arbeitsverhältnisses und läuft kalendermäßig zum Ablauf aller abgegoltenen Urlaubstage ab. Unabhängig ist dabei, ob der Arbeitslose in dieser Zeit Arbeitslosengeld bezieht oder nicht. Feiertage, die in diesen Abgeltungszeitraum fallen, sollen ebenfalls als Urlaubstage zählen, da diese nicht mehr im Rahmen des Arbeitsverhältnisses vergütet würden.

Entlassungsentschädigung

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht nach § 143 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 SGB III außerdem dann, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung seines Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistungen erhält bzw. zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist.

Leistung wegen vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Eine Entlassungsentschädigung im Sinne des § 143 a SGB III führt dann zum Ruhen des Arbeitslosengeldes, wenn das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet wird und wegen der vorzeitigen Beendigung eine Geldleistung gewährt wird oder beansprucht werden kann. Vorzeitig heißt, dass die für den Arbeitgeber (nicht die für den Arbeitnehmer!) geltende ordentliche Kündigungsfrist nicht eingehalten wird. Auf welche Weise und aus welchem Grund das Arbeitsverhältnis beendet wird (Kündigung, Auflösungsvertrag, Vergleich, arbeitsgerichtliches Gestaltungsurteil), ist unerheblich.

Es spielt auch keine Rolle, von wem die Initiative für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen ist bzw. wer dieses aufgelöst hat.

Für bestimmte Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nicht mehr oder nur unter bestimmten Voraussetzungen mit ordentlicher Kündigungsfrist aufgelöst werden kann, fingiert das Gesetz in § 143 a Abs. 1 Satz 3 und 4 SGB III Kündigungsfristen.

Wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird eine Entlassungsentschädigung gewährt, wenn zwischen der Geldleistung und dem — vorzeitigen – Ende des Arbeitsverhältnisses ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Für die Annahme von Ursächlichkeit reicht es aus, dass die Geldleistung dazu geeignet war, dass das frühere als an sich mögliche Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis zu fördern. Werden demgegenüber dem Arbeitnehmer nur anlässlich des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis Leistungen gewährt, besteht also lediglich ein rein zeitlich und kein ursächlicher Zusammenhang, kommt ein Ruhen nach § 143 a SGB III nicht in Betracht. Zu solchen für § 143 a nicht relevanten Leistungen können gehören:

Bei den Entlassungsentschädigungen im Sinne der genannten Bestimmung handelt es sich in der Regel um die Zahlung eines einmaligen Geldbetrages. Jedoch kann auch die vereinbarte Weiterzahlung des Arbeitsentgeltes über das Ende des Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnisses hinaus oder die Gewährung einer Rente eine Entlassungsentschädigung sein. Eine ähnliche Leistung im Sinne des § 143 a SGB III ist auch der Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB.

Beispiel:

Ein Arbeitsverhältnis hat mehr als fünf Jahre im Betrieb bestanden. Die gesetzliche Kündigung gemäß § 622 Abs. 2 Ziffer 2 sieht eine Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Ende eines Kalendermonats vor. Die Vertragsparteien schließen allerdings einen Auflösungsvertrag mit sofortiger Wirkung, obwohl bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis noch mindestens drei Monate bestanden hätte. Hier muss sich der Arbeitnehmer die gezahlte Abfindung zum Teil anrechnen lassen, da insoweit die Zahlung des Arbeitslosengeldes für drei Monate ruht.

Unterscheidung nach Kündigungsfristen

§ 143 a SGB III regelt das Ruhen von Arbeitslosengeld wegen einer Entlassungsentschädigung in typisierender und pauschalierender Form. Das Gesetz unterscheidet dabei zwischen verschiedenen Arbeitnehmergruppen, je nachdem, wie stark deren Kündigungsschutz ausgestattet ist.

§ 143 a Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB III regelt zunächst den "Grundtatbestand" und den in der Praxis häufigsten Fall des Ruhens wegen einer Entlassungsentschädigung. Danach ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld vom tatsächlichen Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem letzteres bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist geendet hätte.

Die hier geregelte Frist beginnt mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist, bei Fehlen einer solchen Kündigung mit dem Tage der Vereinbarung über dessen Beendigung.

Beispiel:

In einem Tarifvertrag ist festgelegt, dass einem Arbeitnehmer, der das 55. aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet und dem Betrieb mindestens 15 Jahre lang angehört hat, nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden kann. Die (tarifgebundenen) Parteien des Arbeitsvertrages schließen am 30.11.1999 einen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis zum 30.6.2000 gegen Zahlung einer Entlassungsentschädigung enden soll. Der Ruhenszeitraum beginnt hier nach § 143 a Abs. 1 Satz 1 SGB III mit dem 1.7.2000. Die in § 143 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB III fingierte Kündigungsfrist von 18 Monaten beginnt am 1.12.1999 und läuft bis zum 31.5.2001. Das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs würde sich also maximal auf die Zeit vom 1.7.2000 bis zum 31.5.2001 erstrecken. Hätten Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis wie oben zum 30.6.2000 endet, erst am 31.1.2000 geschlossen, so würde der Ruhenszeitraum nach § 143 a Abs. 1 Satz 1 SGB III zwar ebenfalls am 1.7.2001 beginnen, jedoch begönne die 18 Monatsfrist hier erst am 1.2.2000 zu laufen und endete schließlich am 31.7.2001. Arbeitslosengeld würde also insgesamt 13 Monate lang ruhen. Bis dahin kommt ein Ruhen allerdings keinesfalls in Betracht, da § 143 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III eine Höchstgrenze von einem Jahr festlegt.

Arbeitnehmer, denen nicht ordentlich gekündigt werden kann

Bei Arbeitnehmern, denen nicht (ordentlich) gekündigt werden kann, fingiert § 143 a Abs. 1 Satz 3 SGB III Kündigungsfristen.

Bei zeitlich unbegrenztem Ausschluss einer ordentlichen Kündigung sieht § 143 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB III eine Frist von 18 Monaten vor. Diese 18 Monate Frist verträgt sich auf den ersten Blick nicht mit der Jahresfrist nach § 143 a, die als Höchstgrenze anzusehen ist. Dazu weiter unten nach dem nachfolgenden Beispielsfall.

Bei zeitlich begrenztem Ausschluss der ordentlichen Kündigungsfrist bzw. in den Fällen, in denen Arbeitnehmern, deren ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, unter Einhaltung einer Frist außerordentlich gekündigt werden kann, gilt nach § 143 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB III die Kündigungsfrist, die ohne den Ausschluss der ordentlichen Kündigung maßgeblich gewesen wäre. Die erstgenannte Alternative (zeitlich begrenzter Ausschluss der ordentlichen Kündigungsfrist) kommt etwa zum Tragen, wenn der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin ein Betriebsratsmitglied ist oder dem Mutterschutzgesetz unterliegt.

Kann dem Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden, gilt nach § 143 a Abs. 1 Satz 4 SGB III eine Kündigungsfrist von einem Jahr.

Beispiel:

Im Tarifvertrag ist geregelt, dass Arbeitnehmern, die dem Unternehmen 15 Jahre lang angehört haben, nur noch außerordentlich gekündigt werden kann. Wird ein Sozialplan aufgestellt, der eine Entlassungsentschädigung vorsieht, soll jedoch eine 6-monatige Kündigungsfrist gelten. Wäre in diesem Fall allein § 143 a Abs. 1 Satz 1 SGB III maßgebend, käme ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld deshalb nicht in Betracht, weil das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen (tariflichen) Kündigungsfrist beendet wurde. Es gilt jedoch die einjährige Kündigungsfrist des § 143 a Abs. 1 Satz 4 SGB III, der insoweit als Spezialgesetz zu sehen ist.

Grenzen des Ruhenszeitraumes

Die zeitlichen Grenzen des Ruhenszeitraumes regelt der genannte § 143 a. Die absolute Obergrenze liegt bei einem Jahr. Länger ruht Arbeitslosengeld in keinem Fall. Im Übrigen ist nach den Teilvarianten in § 143 a zu unterscheiden. Auszugehen ist dabei immer von der günstigsten Regelung für den Arbeitslosen. Arbeitslosengeld ruht nach § 143 a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III nicht über den Tag hinaus, an dem der Arbeitslose – unterstellt, sein Arbeitsverhältnis hätte weiter bestanden – 60 % der Entlassungsentschädigung verdient hätte. 40 % der Entlassungsentschädigung sind demnach immer "ruhensfrei". Das Gesetz geht davon aus, dass in einer Entlassungsentschädigung 40 % stets einen Ausgleich für verlorengegangenen sozialen Besitzstand darstellen. Je älter der Arbeitnehmer ist und je länger er dem Unternehmen oder dem Betrieb angehört hat, desto höher ist nach § 143 a Abs. 2 Satz 3 SGB III der Anteil der Entlassungsentschädigung, der den Verlust des sozialen Besitzstandes ausgleichen soll. Dementsprechend mindert sich der Anteil der Entlassungsentschädigung, der ein Ruhen von Arbeitslosengeld bzw. -hilfe bewirkt. Dies ergibt sich anschaulich aus der folgenden Tabelle.

Durch diese Bestimmung wird eine Korrektur insoweit hergestellt, als der Arbeitnehmer selbstverständlich nach Berechnung eines bestimmten Prozentsatzes der Entlassungsentschädigung in den Genuss der Arbeitslosenunterstützung kommt.

Der vorstehende Artikel zeigt, wie kompliziert die Anwendung der genannten Bestimmungen aus dem Sozialgesetzbuch III ist. Sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer sind daher gehalten, sich bei entsprechenden Überlegungen auch zum Abschluss eines Auflösungsvertrages über die Konsequenzen des Ruhens von Arbeitslosengeld zu informieren.

Jahre des Arbeitsverhältnisses im Betrieb oder Unternehmen

Lebensalter zum Ende des Arbeitsverhältnisses in Jahren

 

bis 40

ab 40

ab 45

ab 50

ab 60

ab 65

weniger als 5

60 %

55 %

50 %

45 %

40 %

35 %

5 und mehr

55 %

50 %

45 %

40 %

35 %

30 %

10 und mehr

50 %

45 %

40 %

35 %

30 %

25 %

15 und mehr

45 %

40 %

35 %

30 %

25 %

25 %

20 und mehr

40 %

35 %

30 %

25 %

25 %

25 %

25 und mehr

35 %

30 %

25 %

25 %

25 %

25 %

30 und mehr

 

25 %

25 %

25 %

25 %

25 %

35 und mehr

 

 

25 %

25 %

25 %

25 %

 

der Entlassungsentschädigung werden bei der Ermittlung des Ruhenszeitraumes angerechnet 


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