IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 24/2000, Seite 68 ff.


RECHT-ECK


VOB 2000 - Was bringt sie den Auftragnehmern?

RA Wolfgang E. Trautner und RA Norbert Pahl*

Am 30. Juni dieses Jahres wurde die "Verdingungsordnung für Bauleistungen" (VOB) als Gesamtwerk neu herausgegeben und im Bundesanzeiger veröffentlicht. Die Änderungen waren vor allem durch die Änderungen in den EU-Richtlinien über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungs-, Liefer- und Bauaufträge sowie durch das Inkrafttreten des Vergaberechtsänderungsgesetzes erforderlich geworden. Für Auftragnehmer stellt sich die Frage, was ihnen die Änderungen der "VOB 2000" im einzelnen bringen.

Die meisten Änderungen der VOB erfuhr der Teil A, während in der VOB/B einzelne Regelungen geändert wurden. Außerdem wurden die fachtechnisch und redaktionell überarbeiteten Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen (ATV) der VOB/C veröffentlicht. Im nachfolgenden Beitrag sind die maßgeblichen Änderungen zusammengefasst dargestellt.

Digitale Angebote zugelassen, aber…

Die neuen Medien - insbesondere E-Mail und Internet - haben das Wirtschaftsleben bereits revolutioniert. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der neuen VOB/A wider: Zukünftig können Angebote auch digital - z.B. per E-Mail - eingereicht werden (Änderung von § 21 VOB/A, wonach ein öffentlicher Auftraggeber in Zukunft neben der üblichen Schriftform digitale Angebote zulassen kann).

Das Besondere ist, dass hier die gesetzliche Regelung der praktischen Anwendbarkeit eines technischen Prozesses vorgreift: Nur wenige Institutionen, vor allem bei der öffentlichen Hand, verfügen jetzt schon über die technische Infrastruktur, die eine Erstellung, Übersendung und Bearbeitung digitaler Angebote in Übereinstimmung mit den rechtlichen Vorgaben ermöglicht.

Darüber hinaus werfen digitale Angebote wegen ihrer technischen Besonderheit eine Reihe von grundsätzlichen rechtlichen und praktischen Fragen auf. Dazu zählt die Frage der Verschlüsselung und damit des Schutzes von digital übermittelten Nachrichten ebenso wie die Überprüfbarkeit des Absenders mittels einer elektronischen Signatur bzw. eines sogenannten Kryptogramms.

Anpassungen an das Vergaberechtsänderungsgesetz

Auch das am 1. Januar 1999 in Kraft getretene Vergaberechtsänderungsgesetz sorgte für einen Anpassungsbedarf der VOB/A. Dieses Gesetz hat vor allem den Rechtsschutz der Bieter im Vergabeverfahren grundlegend verändert. Erstmals kann ein Vergabeverfahren, dessen Auftragswert die Schwellenwerte** überschreitet, sogar vor einem ordentlichen Gericht angegriffen werden. Gesetzliche Grundlage ist nunmehr der Vierte Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), d.h. die Paragraphen §§ 97 bis 129.

So war bisher nach § 25 Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 VOB/A (1992) z.B. "das annehmbarste Angebot" zu bezuschlagen. Der zum 1. Januar 1999 in Kraft getretene § 97 Abs. 5 GWB sieht nun vor, dass der Zuschlag auf "das wirtschaftlichste Angebot" zu erteilen ist. Da beide Vorschriften den gleichen Regelungszweck verfolgen, musste die VOB/A entsprechend angepasst werden. Der Zuschlag soll jetzt erteilt werden auf das Angebot, "das unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte, wie z.B. Preis, Ausführungsfrist, Betriebs- und Folgekosten, Gestaltung, Rentabilität oder technischen Wert als das wirtschaftlichste erscheint".

Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung

Außerdem sind die Rechtsgrundlagen zur Korruptionsbekämpfung sowie anderer illegaler Praktiken im Baubereich fortentwickelt worden. Dies hat zu folgenden Änderungen in der VOB/A geführt:

Neuer § 9 Nr. 1 Satz 2 und Satz 3 VOB/A: Bedarfspositionen dürfen nur ausnahmsweise in die Leistungsbeschreibung aufgenommen werden. Das gilt auch für Stundenlohnarbeiten, die nur in dem unbedingt erforderlichen Umfang in die Leistungsbeschreibung aufgenommen werden sollen. Bei dieser Neuregelung hat sich der Hauptausschuss von der Beobachtung leiten lassen, dass die von der VOB/A eigentlich nicht vorgesehenen Bedarfspositionen immer häufiger in Leistungsverzeichnisse aufgenommen werden. Dies widerspricht aber dem Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung. Ferner öffnet dies den Bietern Spekulationsmöglichkeiten, die nun unterbunden werden sollen. Das gilt auch bei den Stundenlohnarbeiten, die häufig zu besonders niedrigen Preisen angeboten würden. Im Ergebnis verbessert dies die Grundlagen der Kalkulation für den Bieter bzw. Auftragnehmer.

Neuer § 21 Nr. 3 Satz 1 VOB/A: Künftig soll die Anzahl von Nebenangeboten oder Änderungsvorschlägen an einer vom Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen bezeichneten Stelle aufgeführt werden. Änderungsvorschläge sollen wie jetzt schon auf besonderer Anlage gemacht und als solche deutlich gekennzeichnet werden (§ 21 Nr. 3 Satz 2 VOB/A). Neu: Angebote, die den Anforderungen des § 21 Nr. 2 VOB/A nicht entsprechen, können von der Wertung ausgeschlossen werden (§ 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A).

Neuer § 21 Nr. 4 VOB/A: Soweit Preisnachlässe ohne Bedingungen gewährt werden, sollen sie ebenfalls an einer vom Auftragnehmer in den Verdingungsunterlagen bezeichneten Stelle aufgeführt werden. Preisnachlässe, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, sind nicht mehr zu werten (§ 25 Nr. 5 neuer Satz 2 VOB/A).

Neuer § 22 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 VOB/A: Die Angebote müssen sofort nach Öffnung in allen wesentlichen Teilen im Eröffnungstermin selbst noch gekennzeichnet werden; die Klarstellung ist wichtig - vor allem im Zusammenhang mit der Verbesserung der Korruptionsbekämpfung.

Neuer § 22 Nr. 7 Satz 1 VOB/A: Auf Antrag können den Bietern die Namen der anderen Bieter sowie die verlesenen und nachgerechneten Endbeträge der Angebote sowie die Zahl ihrer Änderungsvorschläge und Nebenangebote nach der rechnerischen Prüfung mitgeteilt werden. Bei einem Antrag durch einen Bieter hat die Mitteilung unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern zu erfolgen (§ 22 Nr. 7 Satz 2 VOB/A).

Neuer § 26 Nr. 2 VOB/A: Die Bieter sind auch auf Antrag über eine Aufhebung der Ausschreibung unter Angabe der Gründe und evtl. über die Absicht, ein neues Vergabeverfahren einzuleiten, schriftlich zu unterrichten.

Anpassung an das EU-Vergaberecht

Zu Änderungen der Abschnitte 2 bis 4 der VOB/A musste es wegen der erforderlichen Angleichung an das EU-Vergaberecht kommen; dies wiederum war wegen des Beschaffungsübereinkommens (GPA) der Welthandelsorganisation geändert worden. Auch an die geänderte Baukoordinierungsrichtlinie und Sektorenrichtlinie musste die VOB angeglichen werden. Änderungen wird es in den Abschnitten 2 - 4 VOB/A in folgenden Punkten geben:

- Vorschriften über die Schwellenwerte, Einführung der Sonderziehungsrechte (Korbwährung des Internationalen Währungsfonds) als neuer zusätzlicher Schwellenwert (Neufassung §§ 1 a, 1 b und 1 SKR VOB/A).

- Anpassung des Begriffs des Bauauftrages an die Formulierungen der Baukoordinierungsrichtlinie und des § 99 Abs. 3 GWB.

- Änderungen bei den verkürzten Fristen für die Angebotsabgabe bei vorheriger Vorinformation (§§ 18 a, 18 b VOB/A).

- Erweiterung des Umfangs der Auskunftspflicht gegenüber Bietern, die nicht berücksichtigt wurden, sowie bei Aufhebung der Ausschreibung und Beendigung des Vergabeverfahrens nach einem Nachprüfungsverfahren (z.B. §§ 26a, 27a VOB/A).

Änderungen der VOB Teile B und C

Auch die Teile B und C der VOB erfuhren durch die Neuausgabe 2000 eine wenn auch geringfügigere Überarbeitung, die vor allem die bisherige Rechtsprechung nachvollzieht und in die VOB/B integriert. Die nachfolgenden Änderungen erfolgten überwiegend zur Klarstellung des Regelungsgehalts:

Nach § 2 Nr. 8 VOB/A hat der Unternehmer grundsätzlich keinen Anspruch auf Vergütung von solchen Leistungen, die von ihm ohne Auftrag oder in eigenmächtiger Abweichung vom Vertrag ausgeführt werden. Eine Ausnahme besteht allerdings dann, wenn der Auftraggeber die so erbrachten Leistungen nachträglich anerkennt; das gilt auch für die Fälle, in denen die Leistungen für die Erfüllung des Vertrages notwendig waren und dem Auftraggeber unverzüglich angezeigt wurden. Neu ist jetzt die Klarstellung in § 2 Nr. 8 Abs. 2 Satz 3 VOB/B, wonach in diesen Ausnahmefällen die Vergütung auf der Grundlage für geänderte oder zusätzliche Leistungen (§ 2 Nr. 5 oder Nr. 6 VOB/B) berechnet wird. Das heißt im Klartext: Der Auftragnehmer hat Anspruch auf Vergütung einschließlich eines Anteils für Wagnis und Gewinn; er muss diese Vergütung jedoch aus den Grundlagen der Preisermittlung des Hauptauftrages schlüssig entwickeln und in diesem Zusammenhang seine Urkalkulation offen legen.

Der - neue - § 4 Nr. 8 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B räumt dem Auftraggeber bei unbefugter Weitergabe von Bauleistungen an Subunternehmer durch den Auftragnehmer ein Kündigungsrecht ein, und zwar für den Fall, dass der Auftragnehmer trotz Aufforderung mit Fristsetzung nicht die eigene Ausführung innerhalb der gesetzten Frist aufnimmt. In der Praxis bedeutet dies, das alle Arbeiten, die im Kernbereich des Unternehmens liegen, auch selbst durchgeführt werden müssen.

Der bisher schon geltenden Rechtsprechung trägt die Änderung von § 6 Nr. 2 Abs. 1 Buchstabe a VOB/B Rechnung: Für eine Verlängerung der Ausführungsfristen wird nun nicht mehr ein vom Auftraggeber "zu vertretender" Umstand verlangt. Vielmehr reicht jetzt schon ein "Umstand aus dem Risikobereich des Auftraggebers" aus. Konkret bedeutet dies: Kann die Ausführungsfrist nicht eingehalten werden, weil z.B. ein anderes Unternehmen/Gewerk zuvor bereits den Zeitplan überschritten hat, so wird die Frist entsprechend verlängert. Wermutstropfen: Schadensersatzforderungen gem. § 6 Nr. 6 VOB/B, begründet z.B. durch längere Vorhaltung von Material oder die Bereitstellung von Mitarbeiter, können nach wie vor nicht geltend gemacht werden.

Aufgrund der zum 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Insolvenzordnung wurde § 8 Nr. 2 Absatz 1 VOB/B neu gefasst: Der Auftraggeber kann den Bauwerkvertrag kündigen, wenn der Auftragnehmer seine Zahlungen einstellt oder das Insolvenzverfahren oder ein vergleichbares gesetzliches Verfahren beantragt, eröffnet oder mangels Masse dessen Einleitung abgelehnt wird.

Die "unechte Abnahme" in § 12 Nr. 2 Buchst. b VOB/B ist eine Feststellung des technischen Zustandes von Teilen der Leistung. Sie gehört daher eigentlich zu den Vorschriften über die Ausführung. Zur Klarstellung wurde sie daher aus § 12 Nr. 2 Buchst. b VOB/B herausgenommen und als § 4 Nr. 10 VOB/B neu gefasst und angefügt. Damit wurde auch verdeutlicht, dass es sich nicht um eine Abnahme im rechtlichen Sinne handelt.

Unternehmen beklagen seit einiger Zeit die schlechte Zahlungsmoral der - öffentlichen - Auftraggeber. Um hier Abhilfe zu schaffen, wurde der Zinssatz des § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B von bisher 1% über dem Lombardsatz auf 5% über der Spitzenrefinanzierungsfazilität der Europäischen Zentralbank erhöht. Von dieser deutlichen Erhöhung des Zinssatzes verspricht sich der Deutsche Verdingungsausschuss eine Beschleunigung fälliger Zahlungen. Wichtig: Dieser Passus hat nichts mit dem am 1. Mai dieses Jahres in Kraft getretenen Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen zu tun!

Änderungen der VOB/C

An die Stelle der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen (ATV) des Ergänzungsbandes 1998 zur VOB-Ausgabe 1992 treten die ATV der VOB-Ausgabe 2000. Folgende ATV wurden fachtechnisch überarbeitet:

Ausblick: Weitere Anpassungen im Vergaberecht

Die Neuherausgabe und Veröffentlichung der VOB im Bundesanzeiger ist nur der erste von zwei Schritten, wie diesen Änderungen vor allem im A-Teil der VOB Wirkung verliehen wird. Eine Verpflichtung der öffentlichen Auftraggeber zur Anwendung der Neufassung der VOB/A begründet allerdings erst die im November 2000 vom Bundesrat verabschiedete Vergabeverordnung, die wohl zum 1. Januar 2001 in Kraft treten wird (siehe Kasten).

Neue Vergabeverordnung setzt VOB 2000 in Kraft

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 10. November 2000 der neuen Vergabeverordnung zugestimmt. Sie kann daher aller Voraussicht am 1. Januar 2001 in Kraft treten. Ab diesem Zeitpunkt müssen die öffentlichen Auftraggeber die VOB 2000 anwenden. Diese Rechtskonstruktion nennen die Juristen "Kaskade". Gemeint ist, dass die Verdingungsordnungen wie VOB, VOL und VOF nur wirksam werden, wenn eine über ihnen stehende Rechtsverordnung ihre Anwendung vorschreibt - das ist die Vergabeverordnung. Die wiederum hat ihre Ermächtigungsgrundlage in dem Vergaberechtsänderungsgesetz, das bereits am 1. Januar 1999 in Kraft getreten ist. Damals wäre eigentlich schon ihre Neufassung fällig gewesen.

Die Vergabeverordnung in der jetzt vom Bundesrat abgesegneten Fassung bringt eine wesentliche Neuerung für das öffentliche Auftragswesen, soweit sich das Auftragsvolumen über den Schwellenwerten (Bau: 9,7 Mio DM, Dienstleistungen und freiberufliche Leistungen: in der Regel 391 TDM) bewegt. So müssen Bieter, die nicht den Zuschlag erhalten sollen, immerhin 14 Tage vorher darüber informiert werden, wer stattdessen den Zuschlag bekommen soll und was die Gründe dafür sind. Dies erleichtert es den Bewerbern um öffentliche Aufträge, sich gegen Vergabeverstöße notfalls mit gerichtlicher Hilfe zu wehren


*) RA Wolfgang E. Trautner und RA Norbert Pahl, Anwaltssozietät Schlawien Naab, Frankfurt, www.schlawien-naab.de.


**) Bauaufträge: 9.779.150 DM; Dienstleistungen: 391.166 DM und bei Sektorenauftraggebern 782.332 DM; freiberufliche Dienstleistungen 391.166 DM.


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