IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 20/2000, Seite 83 f.


UNTERNEHMENSFÜHRUNG


... Schwupp, und das Problem ist bei Ihnen!

Wie Sie verhindern, dass Mitarbeiter Arbeit an Sie loswerden!

Jürgen Gerhardus*

"Clevere" Mitarbeiter delegieren Aufgaben, die sie normalerweise selbst erledigen müssen, auch mal ganz gerne an ihren Chef zurück. Das ist Problemtransfer. Erst hatte der Mitarbeiter das Problem, jetzt hat es die Führungskraft. Mit dem Ergebnis, dass deren Schreibtisch niemals leer zu werden scheint und sie in Sachaufgaben "erstickt". Doch Sie als Führungskraft werden vor allem für Führungsaufgaben bezahlt. Was also tun, um den Problemtransfer zu verhindern?

Zunächst gilt es, den Versuch des Problemtransfers und die dafür von Mitarbeitern benutzten Techniken überhaupt zu erkennen. Die beliebtesten Techniken im Überblick:

Die Mitleidtechnik

Funktioniert besonders gut bei Führungskräften, die am Helfer-Syndrom leiden: "Chef, ich weiß nicht, wie ich das alles schaffen soll", oder "Chef, wie geht das?"

Die Berater-Technik

Funktioniert besonders gut bei Führungskräften, die auf kooperativem Führungsstil stehen: "Chef, was halten Sie von folgender Idee ... das kann man doch ganz anders machen ..." Die Berater-Technik funktioniert auch in Form der Quer-Delegation: "Chef, mein Kollege kann das viel besser für Sie erledigen. Wenn Sie’s dem geben, wird es außerdem viel früher fertig."

Das Kopplungs-Geschäft

Funktioniert besonders gut bei Führungskräften im Verkauf: "Chef, wenn Sie mir ... besorgen, dann können Sie die Ausarbeitung sogar einen Tag früher bekommen."

Praxistip

Entscheiden Sie mit Hilfe der folgenden Prüffragen, ob Sie eine Rückdelegation annehmen wollen oder nicht.

Sorgen der Führungskraft

Prüffragen dazu

Der Mitarbeiter könnte scheitern

Wieviel Geld steht auf dem Spiel?
Gefährdet ein Scheitern meinen Erfolg?
Was bedeutet das Scheitern für den Mitarbeiter?

Der Mitarbeiter könnte Fehler machen

Welche Auswirkungen hätte ein Fehler?

  • materiell?
  • auf Kollegen/Kunden?

Merke: Jeder hat das Recht auf eigene Fehler!

Das kann niemand so gut wie ich.

Muss ich das wirklich selbst machen, weil ich es am besten kann?

Gilt es nicht umgekehrt: Diese Aufgaben kann ich als erstes delegieren, denn niemand kann das Ergebnis so gut kontrollieren wie ich?

Ist dem Mitarbeiter die Aufgabe wirklich richtig klar?

Habe ich ihn schon gefragt, in welchen Schritten er vorgehen will?

Ich bin selbst unter Druck meiner Führungskraft.
Ich muss schwer aufpassen.

Steht wirklich mein Erfolg auf dem Spiel?

Packt er das schnell genug?

Bin ich nur neugierig oder brauche ich es wirklich so dringend?

Ist mein Mitarbeiter überhaupt bereit, die Verantwortung zu übernehmen?

Habe ich ihn langsam daran gewöhnt und erleben lassen, dass mit Verantwortung auch ein Freiraum an Befugnissen verbunden ist?

Problemtransfer per Rückdelegation. 

Die Luftballon-Technik

Funktioniert besonders gut bei ängstlichen Führungskräften: "Chef, der Kunde ist so verärgert, wenn der abspringt - das ist nicht nur der Auftrag, der ist Meinungsbildner. Aber der ist sehr empfänglich dafür, dass ihn der Chef anruft."

Die Alle-in-einem-Boot-Technik

Für Gemeinschafts-Apostel: "Chef, hier sind wir als Abteilung gefordert, das betrifft das Image von uns allen."

Die Schuldkomplex-Technik

Für Führungsbürokraten: "Ich hatte ja schon vor zwei Jahren den Vorschlag gemacht, aber damals hatten Sie gemeint, dass anderes wichtiger wäre, und jetzt ist es dringend!"

Die Pyromanen-Technik

Für Führungs-Aktionisten und Führungs-Darsteller: "Chef, es brennt ... (hoffentlich hat mich keiner beim Zündeln gesehen)."

Wer diese Techniken hinter dem Verhalten des Mitarbeiters einmal erkennt, hat das Problem des Problemtransfers fast schon im Griff. Um es auch abschließend zu lösen, können Sie sich folgende Devise zu eigen machen: Seien Sie immer ansprechbar, doch lassen Sie die Probleme da, wo sie entstanden sind. Machen Sie Ihrem Mitarbeiter klar, dass er für die Lösung seiner Aufgabenstellung selbst verantwortlich ist.

Abgewehrt!

Was aber sagen, wenn der Mitarbeiter an Ihrem Schreibtisch steht und versucht, sein Problem zum Problem des Chefs zu machen: Fragen Sie ihn einfach: "Wie ist Ihr Vorschlag?" oder, noch besser: "Wie lautet Ihr entscheidungsreifer Vorschlag?"

Die - zugegeben - polemische, aber sehr wirksame Variante dieser Frage lautet: "Sie wollen also, dass ich Ihre Arbeit tue?" oder "Sie wollen, dass ich das tue, wofür Sie bezahlt werden?" Damit machen Sie klar, dass Sie die Technik durchschaut haben.

Die Führungskraft, die den Versuch der Rückdelegation auf diese Weise beantwortet, entlässt den Mitarbeiter nicht aus der Verantwortung, aber sie lässt ihn auch nicht allein. Auf jeden Fall verhindert sie, dass ihr voller Schreibtisch das Ergebnis der Bequemlichkeit anderer ist.

Sorgen der Führungskraft

Häufig ist aber gar nicht unbedingt der Mitarbeiter Ursache des Problemtransfers. Auch die Führungskraft mit ihren - zum Teil berechtigten - Sorgen um Ziele und Qualität kann die Bereitschaft zur Rückdelegation Ihrer Mitarbeiter fördern. Manche dieser Sorgen erweisen sich im Alltag als überflüssig und unberechtigt. Um dies zu erkennen, finden Sie im Kasten eine Reihe von Prüffragen.


*  Jürgen Gerhardus ist Geschäftsführer der VA-Akademie für Führen und Verkaufen in Sulzbach/Ts.


[Zurück]   [Übersicht]   [www.ikz.de]