IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 15/16/2000, Seite 60 f


RECHT-ECK


Viel versprochen, wenig gehalten

Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen

RA Friedrich-W. Stohlmann

Am 1. Mai 2000 ist das "Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen" in Kraft getreten. Entgegen ursprünglichen Verlautbarungen in der Presse, hat der Deutsche Bundestag bereits auf seiner Plenarsitzung am 24. 2. 2000 in zweiter und dritter Lesung das "Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen" verabschiedet.

Dieses Gesetz wurde vom Bauhandwerk allgemein begrüßt und als ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung gewertet. Allerdings hat das Handwerk auch kritisiert, dass die weitaus umfangreicheren Gesetzesvorlagen nicht in vollem Umfang vom Gesetzgeber umgesetzt worden sind. Insofern ist das neue Gesetz zwar ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, führt aber nur zum Teil zu einer Entlastung und Sicherung der Werklohnforderungen im Bereich der mittelständischen Bauwirtschaft. So ist es nicht erstaunlich, dass der Rechtsausschuss der Länderkammer seine Billigung des Gesetzes mit der Empfehlung verbunden hat, die Bundesregierung zur Prüfung weiterer Maßnahmen aufzufordern, "um dem Problem der mangelnden Zahlungsmoral auf Dauer wirksam beizukommen".

Bis zu 3/4 aller Konkurse sind nach entsprechenden Recherchen und Statistiken auf eine zu geringe Kapitaldecke und auf zu hohe Außenstände zurückzuführen. Nicht nur in der Baubranche ist unverkennbar, dass die Nichtzahlung bereits Methode haben dürfte. Auftraggeber kalkulieren ihre verspätete Zahlung häufig von vornherein mit ein, um sich damit praktisch einen "zinslosen Kredit" zu verschaffen, für den keine Sicherheiten gestellt werden müssen. Vielfach verhelfe dieses Vorgehen auch zu einem unberechtigten Preisvorteil, weil Handwerker bei einem Zurückhalten der Zahlung mit vorgeschobenen Mängelrügen umso leichter unter Druck gesetzt werden könnten, einem vom Auftraggeber vorgeschlagenen Nachlass zuzustimmen, frei nach dem Motto: Tausche Mängel gegen Bargeld!

Mit den Neuregelungen, auf die im Einzelnen noch eingegangen wird, will der Bundestag - so die Begründung seines Rechtsausschusses in der Drucksache zu dem verabschiedeten Gesetz - "die Verzögerung von Zahlungen wirtschaftlich unattraktiv machen und die Möglichkeiten, fällige Ansprüche zügig gerichtlich geltend zu machen, verbessern". Hierzu werden vor allem im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) mehrere Vorschriften geändert und weitere eingefügt:

- Der in § 288 BGB bislang mit 4% im Jahr festgeschriebene Satz für Verzugszinsen wird angehoben. Künftig liegt er 5%-Punkte über dem jeweiligen Basiszinssatz (der mit Einführung des Euro den früheren Diskontsatz der Bundesbank abgelöst hat). Derzeit beträgt dieser Basiszinssatz 2,68%. Ein Schuldner müsste also nunmehr fast doppelt so hohe Zinsen bezahlen wie bisher, sofern der Gläubiger nicht konkret einen noch höheren Schaden durch die verspätete Begleichung der Rechnung z.B. durch Vorlage entsprechender Bankbescheinigungen, nachweisen kann.

- Künftig wird bei Geldforderungen eine Mahnung für den Verzugseintritt nicht nötig sein. Er tritt vielmehr nach Ablauf von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufforderung kraft Gesetzes ein. Den Zugang der Rechnung hat im Streitfall der Gläubiger (im Bauhandwerk also der Unternehmer) zu beweisen, weil er Anspruchsvoraussetzung für den Anspruch auf den Verzugsschaden ist. Wie die Gesetzesbegründung ausweist, ist die Regelung jedoch dispositiv, was bedeutet, dass die Parteien auch andere Modalitäten für den Eintritt des Verzuges vereinbaren können. So können sie beispielsweise auch vorsehen, dass der Schuldner vor Ablauf der 30-Tage-Frist gemahnt werden muss. Mit dieser Regelung in § 284 Abs. 3 BGB greift der Gesetzesentwurf einen Vorschlag der europäischen Kommission im Rahmen der Richtlinie zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Handelsverkehr auf.

- Weiterhin soll auch bei einem BGB-Werkvertrag der Unternehmer in Zukunft Anspruch auf Abschlagszahlungen haben. Nach dem neu geschaffenen § 632 a BGB kann ein Unternehmer von dem Besteller "für in sich abgeschlossene Teile des Werkes" Abschlagszahlungen verlangen. Die Regelung orientiert sich an § 16 der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB/B). Sie gilt ausdrücklich nicht nur für die vertragsgemäßen Leistungen, sondern auch für erforderliche Stoffe oder Bauteile, die eigens angefertigt oder (zur Baustelle) angeliefert wurden, allerdings nur, wenn Sicherheit geleistet wird. Etwas unbefriedigend ist die Formulierung "für in sich abgeschlossene Teile des Werkes", da gemäß § 16 VOB/B Abschläge jederzeit nach entsprechendem Baufortschritt verlangt werden können, wobei es sich dabei nicht um in sich abgeschlossene Teile des Werkes handeln muss. Hier ist daher dringend eine Nachbesserung des Gesetzgebers vonnöten.

- Für den Besteller soll in Zukunft die Möglichkeit ausgeschlossen sein, die Abnahme wegen unwesentlicher Mängel zu verweigern. Insofern heißt es in § 640 BGB: "Wegen unwesentlicher Mängel kann die Abnahme nicht verweigert werden. Der Abnahme steht es gleich, wenn der Besteller das Werk nicht innerhalb einer ihm vom Unternehmer bestimmten angemessenen Frist abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist." Die Formulierung ist nicht geeignet, den Unternehmer vor den üblichen Behauptungen des Vorliegens wesentlicher Mängel zu schützen. Auch hier ist eine Modifizierung notwendig. Erfreulich ist die Modifizierung des § 641 BGB, wonach der Zahlungsanspruch eines Subunternehmers spätestens dann fällig wird, wenn der Hauptunternehmer vom Bauherrn seine Vergütung erhalten hat.

- Ebenso ist die Neuschaffung des § 641 a BGB (Fertigstellungsbescheinigung) im Wesentlichen zu begrüßen. Diese Regelung lautet:

(Abs. 1):

Der Abnahme steht es gleich, wenn dem Unternehmer von einem Gutachter eine Bescheinigung darüber erteilt wird, dass

1. das versprochene Werk im Falle des § 641 Abs. 1 Satz 2 auch ein Teil desselben hergestellt ist und

2. das Werk frei von Mängeln ist, die der Besteller gegenüber dem Gutachter behauptet hat oder die für den Gutachter bei einer Besichtigung feststellbar sind (Fertigstellungsbescheinigung). Das gilt nicht, wenn das Verfahren nach den Absätzen 2 bis 4 nicht eingehalten worden ist oder wenn die Voraussetzungen des

§ 640 Abs. 1 und 2 nicht gegeben waren. Im Streitfall hat dies der Besteller zu beweisen. § 640 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Es wird vermutet, dass ein Aufmaß oder eine Stundenlohnabrechnung, die der Unternehmer seiner Rechnung zugrunde legt, zutreffen, wenn der Gutachter dies in der Fertigstellungsbescheinigung bestätigt.

(Abs. 2):

Gutachter kann sein

1. ein Sachverständiger, auf den sich Unternehmer und Besteller verständigt haben oder

2. ein auf Antrag des Unternehmers durch eine Industrie- und Handelskammer, eine Handwerkskammer, eine Architektenkammer oder eine Ingenieurkammer bestimmter öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger.

Der Gutachter wird vom Unternehmer beauftragt. Er ist diesem und dem Besteller des zu begutachtenden Werkes gegenüber verpflichtet, die Bescheinigung unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen.

(Abs. 3):

Der Gutachter muss mindestens einen Besichtigungstermin abhalten; eine Einladung hierzu unter Angabe des Anlasses muss dem Besteller mindestens zwei Wochen vorher zugehen. Ob das Werk frei von Mängeln ist, beurteilt der Gutachter nach einem schriftlichen Vertrag, den ihm der Unternehmer vorzulegen hat. Änderungen dieses Vertrages sind dabei nur zu berücksichtigen, wenn sie schriftlich vereinbart sind oder von den Vertragsteilen übereinstimmend gegenüber dem Gutachter vorgebracht werden. Wenn der Vertrag entsprechende Angaben nicht enthält, sind die allgemein anerkannten Regeln der Technik zugrunde zu legen. Vom Besteller geltend gemachte Mängel bleiben bei der Erteilung der Bescheinigung unberücksichtigt, wenn sie nach Abschluss der Besichtigung vorgebracht werden.

(Abs. 4):

Der Besteller ist verpflichtet, eine Untersuchung des Werkes oder von Teilen desselben durch den Gutachter zu gestatten. Verweigert er die Untersuchung, wird vermutet, dass das zu untersuchende Werk vertragsgemäß hergestellt worden ist; die Bescheinigung nach Abs. 1 ist zu erteilen.

(Abs. 5):

Dem Besteller ist vom Gutachter eine Abschrift der Bescheinigung zu erteilen. In Ansehung von Fristen, Zinsen und Gefahrübergang treten die Wirkungen der Bescheinigung erst mit ihrem Zugang beim Besteller ein.

Diese neu eingeführte sog. Fertigstellungsbescheinigung erscheint auf den ersten Blick für den Handwerksbetrieb vorteilhaft. Ob sich diese neue Bestimmung im BGB tatsächlich in der Praxis bewährt, bleibt abzuwarten. Möglicherweise lassen sich in Zukunft Streitigkeiten schneller beenden, weil die Kontrahenten und ggf. auch das Gericht sich von vornherein auf die entscheidenden Punkte konzentrieren können.

- Auch der § 648 a BGB wird etwas modifiziert. Dem Abs. 5 des § 648 a BGB werden folgende Sätze angefügt:

"Dasselbe gilt, wenn der Besteller in zeitlichem Zusammenhang mit dem Sicherheitsverlangen gemäß Abs. 1 kündigt, es sei denn, die Kündigung ist nicht erfolgt, um der Stellung der Sicherheit zu entgehen. Es wird vermutet, dass der Schaden 5% der Vergütung beträgt."

Diese Neuregelung verschafft dem Unternehmer die Möglichkeit, bei Kündigung des Auftrages und Nichtstellung der gewünschten Bürgschaft über die Auftragssumme einen pauschalen Schadensersatz geltend zu machen. Hierzu sind die Einzelfragen noch nicht abgeklärt, sodass vorerst die Begründung des Rechtsausschusses zu dieser erweiterten Regelung abgewartet werden muss.

Durch einen neuen § 27 a im Gesetz über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGBG) wird die Bundesregierung zu einer Verordnung ermächtigt, die regeln soll, welche Abschlagszahlungen im Baugewerbe verlangt werden dürfen. Die Verordnung lehnt sich an die Vorschriften in der Makler- und Bauträgerverordnung an. Sie soll sicherstellen, dass Verbraucher nicht im "Kleingedruckten" benachteiligt werden. Auch durch individuelle Vereinbarung lässt sich diese Vorschrift nicht umgehen (§ 24 a AGB-Gesetz).


Schlussanmerkung:

Der Bundesrat argwöhnt zu Recht, dass die Neuregelungen nicht ausreichen werden. Er will die Schaffung eines gesonderten Bauvertragsrechts prüfen. Auch erwägen die Rechtspolitiker, den Zivilgerichten durch ein Teil- oder Vorab-Urteil die Möglichkeit zur schnelleren Durchsetzung von Forderungen zu verschaffen. Zudem könnte das bereits bestehende "Gesetz über die Sicherung von Bauforderungen" effektiver gestaltet werden. Diese Überlegungen und Vorschläge sind zu begrüßen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der richtige Schritt in die richtige Richtung gemacht worden ist und dass zu hoffen bleibt, dass der Gesetzgeber auf diesem Wege fortschreitet und das mittelständische Handwerk mit weiteren gesetzgeberischen Maßnahmen unterstützt.


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