IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 10/2000, Seite 128 ff.


REPORT


I.H.M. 2000

Verbindung von Innovation und Bewährtem

Leitmesse der Handwerkswirtschaft in München

Vom 16. bis zum 22. März 2000 präsentierte die 52. Internationale Handwerksmesse ihren 220 000 Besuchern aus über 70 Ländern wieder ein breites Produktspektrum aus den Bereichen Investitionsgüter für das Handwerk und Kunstgewerbliches aus dem Handwerk auf 150 000 m2 Ausstellungsfläche.

Doch die Konjunktur hinkt: Dieser Trend wird am deutlichsten bei den Beschäftigungszahlen. Nach wie vor wächst das Handwerk langsamer als die Gesamtwirtschaft. So bezifferte der "Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung" in seinem Jahresgutachten 1999/2000 das Wachstum in diesem Jahr mit 2,7% (Vorjahr: 1,4%). Im Handwerk lag das Wachstum im letzten Jahr dagegen mit 1% leicht unter dem der Gesamtwirtschaft und in diesem Jahr wird mit 1,5% realem Zuwachs gerechnet.

Ganz klar spielt auch der deutlich wachsende Export eine Rolle für diesen Unterschied der Wachstumsraten bei der Gesamtwirtschaft einerseits und dem Handwerk andererseits. Immerhin spüren diejenigen Handwerksbereiche, die mehr oder weniger direkt an den Export angekoppelt sind - das sind insbesondere die Zulieferer aus den Metallhandwerken - die aufwärts gerichtete Sogwirkung des Exports. Die Investitionsneigung des Handwerks selbst ist aber zur Zeit wegen verschiedener Unwägbarkeiten relativ gering.

Ertragslage des Handwerks unbefriedigend

Die Ertragslage im Handwerk hänge von der Reform des Steuerrechts und der Sozialversicherungen ab, erklärte Hanns-Eberhard Schleyer, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH).

Sie sei angesichts eines starken Wettbewerbs und hohen Preisdrucks "insgesamt" unbefriedigend, so Schleyer.

Selbst der geringe Umsatzzuwachs ist nach ZDH-Angaben allein den handwerklichen Zulieferern der Exportindustrie zu verdanken. Daraus habe sich im Süden Deutschlands, in Baden-Württemberg und Bayern, eine Art Sonderkonjunktur entwickelt.

Mit einem Beschäftigungszuwachs um 1% oder 60 000 Beschäftigte sei nur im Westen und nur dann zu rechnen, wenn die Abschlüsse mit den Gewerkschaften den Vorgaben des "Bündnisses für Arbeit" folgten, sagte Schleyer. Die Konjunktur im Inland gewinne kaum an Fahrt.

Die kleinen und mittleren Betriebe seien durch die zweite Stufe der Ökosteuer-Reform stark unter Druck geraten. Schleyer: "Die Stimmung im Handwerk ist angesichts dieser Entwicklungen explosiv". Die Betriebe hätten im vergangenen Jahr mit einer "dramatischen Einschränkung ihrer Investitionen reagiert und zuletzt nur in die Umstellung auf das Jahr 2000 investiert.

 

Harsche Kritik übte Schleyer am Steuerreformentwurf der rot-grünen Bundesregierung. Sie sei eine "Fortsetzung der fiskalischen Raubritterpolitik". Personenunternehmen blieben das "Stiefkind" der Reform, nur für 5% von ihnen komme das Optionsmodell in Frage, sich wie eine Körperschaft besteuern zu lassen. Nur eine weitere Senkung der Einkommensteuertarife könne hier helfen. Bis spätestens 2003 müsse ein Spitzensteuersatz von unter 40% erreicht werden. Die Altersteilzeit verfehle ihre Wirkung als "Beschäftigungsbrücke jung für alt" und belaste nur die Sozialversicherung.

E-Commerce beflügelt auch das Handwerk

Die Baubranche - das wurde auf der I.H.M. deutlich - setzt sich im Wesentlichen aus 291 000 Handwerksbetrieben, 100 000 Architekten und Planern, 54 000 Herstellern und Händlern sowie 8000 Dienstleistern zusammen. Demgegenüber stehen auf der Nachfrageseite ca. 116000 gewerbliche Bauherrn, 2900 Bauämter und nicht zuletzt jährlich 17 Mio. private Bauherrn, Renovierer und Do-it-yourselfer. Immer mehr Firmen erkennen, dass das Internet auch in diesem Bereich bislang ungeahnte Möglichkeiten eröffnet. Unabhängig von Zeit und Ort können Handwerksbetriebe ihre Dienstleistungen offerieren oder Kaufinteressenten in einem virtuellen Baustoffhandel nach geeigneten Produkten für ihr Bauvorhaben suchen.

Die konsequente E-Commerce-Nutzung des Internets war deshalb ein zentrales Thema auf der I.H.M. 2000. Im Rahmen einer Sonderschau und verschiedener Vorträge wurden die Chancen des Internets hautnah und plakativ vorgestellt. Mittels einer neuen Internet-Plattform für die gesamte Baubranche können jetzt auch kleinere Baufirmen, Architekten, Dienstleister etc. sowie der Mittelstand voll vom "Elektronik-Commerce" profitieren.

Noch gibt es keine Softwarelösung im Internet, was liegt also näher, als eine bundesweite Datenbank, in der alle Bauunternehmer, Bauhandwerker, Dienstleister und Händler erfasst werden und mit einer eigenständigen Homepage vertreten sind.

Die Grundversion der Homepage sowie die dazugehörige persönliche Mailbox, die Aufnahme in die Datenbank sowie die Anbindung an eine zentrale Web-Suchmaschine werden gemäß Konzeption der Handwerkskammer Oberfranken allen interessierten Betrieben kostenlos zur Verfügung gestellt. Die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Konzepts erfolgt über erweiterte Homepages, Einbindung von Produktfotos, Werbung etc. Dieses Zusatzangebot soll zu Preisen angeboten werden, die deutlich unter den heutigen Marktpreisen liegen.

Modernste Brennstoffzellentechnik

Auf dem Energiemarkt kommen in den nächsten Jahren wichtige Neuerungen zu. Erwartungen werden vor allem in die Entwicklung alternativer, umweltfreundlicher Methoden der Energieerzeugung gesetzt. Als besonders innovative Technik auf dem Weg zur vollständig regenerativen Energiekreislaufwirtschaft der Zukunft gilt die Brennstoffzellentechnologie.

Die I.H.M. 2000 bot allen Interessierten eine optimale Gelegenheit, sich über die neusten Entwicklungen speziell zum Thema Brennstoffzellentechnologie zu orientieren.

Die Brennstoffzelle gilt heute als Schlüsseltechnologie auf dem Energiemarkt des 21. Jahrhunderts. Ihre innovative Technik der umweltfreundlichen und bedarfsgerechten Energieerzeugung macht sie für die Zukunft so bedeutungsvoll: Das "Mini-Kraftwerk", wie die Brennstoffzelle oft genannt wird, ermöglicht die direkte Erzeugung von elektrischem Strom und Wärme durch Verbrennung von Wasserstoff und Sauerstoff.

Auch Stände im Bereich der Abwassertechnik fanden Interesse.

Dissens um die Beurteilung der aktuellen Wirtschaftspolitik

Die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung wurde auf der I.H.M. sehr kontrovers bewertet. Während Handwerkspräsident Dieter Philipp davor warnte, "Hand an unsere bürgerliche Verantwortungsgesellschaft" zu legen, entgegnete Bundeswirtschaftsminister Werner Müller, die Politik betreibe eine aufgeschlossene Mittelstandspolitik.

Philipp kritisierte die aktuellen Steuervorschläge, vor allem die Benachteiligung von Personenunternehmen, die in Kapitalgesellschaften "gedrängt" würden. Warum werde der gesamte Einkommensteuertarif nicht deutlicher und rascher abgesenkt, fragte Philipp. Die Option zur Körperschaftsbesteuerung stelle keine echte Alternative dar. Selbst der Bundesfinanzminister habe eingesehen, dass weit weniger als die ursprünglich angenommenen 30 Prozent der Handwerksunternehmen optieren würden.

Philipp begrüßte es, dass Bundeswirtschaftsminister Müller hier voll auf Seiten des Handwerks stehe. Müller selbst konterte, dass die gesamtwirtschaftliche Ausgangslage für das Handwerk - wie für die gesamte Wirtschaft - so gut wie lange nicht mehr sei. Ihn habe ausdrücklich gefreut, dass etwa das baden-württembergische Handwerk sogar von einer Hochstimmung in den Branchen spreche. Müller sagte, er könne die Zielrichtung Philipps nicht verstehen. Denn dieser habe dem Bundeswirtschaftsminister vorgeworfen, er achte nicht mehr darauf, die mittelständischen Kräfte zu stärken. Solche Äußerungen nützten dem Handwerk nicht, sondern schadeten nur. Das Handwerk solle sich konstruktiver zeigen. Philipp und ZDH-Generalsekretär Hanns-Eberhard Schleyer bezeichneten vor der Presse die Kritik von Müller als "unverfroren" und "politisch unklug". "Wir sind selbstbewusst genug - als größte Wirtschaftsorganisation des Landes - diesen Kampf aufzunehmen", sagte Philipp. Zudem habe der Minister in seiner Rede Sachverhalte unrichtig dargestellt. Die Ausführungen zur Steuerreform seien "perfide", sagte Schleyer, da es dem ZDH immer um den Tarif insgesamt gegangen sei - und nicht ausschließlich um den Spitzensteuersatz.

Old und New Economy

In jüngster Zeit - so Handwerkspräsident Traublinger, Handwerkskammer München - sei es ja in einigen Kreisen Mode geworden, die Volkswirtschaft zu trennen in die sogenannte "New Economy", also die aufstrebenden Betriebe aus den Bereichen der Informations- und Kommunikationstechnik, der Live-Sciences und der Medien sowie die "Old Economy", welche die traditionellen Wirtschaftssektoren umfasst. Die einen gelten als dynamisch, zukunftsträchtig und wachstumsstark. Die anderen werden fast als Auslaufmodelle abgehandelt. Eine Entwicklung, so Traublinger, die mit großer Sorge zu beobachten ist.

Vorgelegt wurde auch in München ein Zukunftspapier des Handwerks. Es beschreibt anschaulich die Koordination für den Zukunftskurs des Handwerks und seiner Organisation und zeigt praktische Lösungen auf, die definierten Ziele und skizzierten Versionen in die Praxis umzusetzen. Dies macht die Schrift des Beirates "Unternehmensführung im Handwerk" zu einem unverzichtbaren "Kompass" für Handwerksunternehmer und Politiker, aber auch zu einem hilfreichen Leitfaden für Partner aus Politik und Wirtschaft.


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