IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 8/2000, Seite 66 ff.


REPORT


 

Hackschnitzel als Brennstoff

Wärme für Schloss Höllinghofen

Ende letzten Jahres ist auf Schloss Höllinghofen (Hochsauerlandkreis) eine der größten Holzheizanlagen in NRW offiziell in Betrieb genommen worden. Die rund 1,1 Mio. DM teure Anlage wird mit Hackschnitzel aus wirtschaftlich nicht nutzbarem Waldholz befeuert und soll jährlich 120000 l Heizöl einsparen. IKZ-HAUSTECHNIK-Redakteur Markus Sironi war für Sie vor Ort.

Freiherr von Boeselager ist u.a. Besitzer des Wildwaldes Vosswinkel, einem etwa 900 ha großen Revier mit Wilderlebnis- und Wanderzonen. Naturinteressierte können hier einzeln oder in Gruppen heimisches Wild in natürlicher Umgebung beobachten oder die Vegetationsentwicklung im schalenwildfreien "Botanischen Wald" verfolgen — kurz, die unberührte Natur erleben. Dass sich der Großgrundbesitzer auch aktiv für den Naturschutz engagiert, war sicherlich einer der Gründe, die ihn vor etwa einem Jahr bewogen haben, auf den Brennstoff Holz zu setzen, als die Sanierung der Heizungsanlagen auf Gut Höllinghofen anstand. Unterstützung für dieses Vorhaben fand er beim Land NRW, das sich die Förderung der energetischen Holznutzung zum Ziel gesetzt hat und etwa 40% der Gesamtkosten trägt. Auch die VEW (Vereinigte Elektrizitäts Werke), Dortmund, steuerte Gelder aus dem Programm für Energiesparprojekte bei.

Eine Wärmeleistung von 700 kW erreicht der größere der beiden Hackschnitzel-Heizkessel, er wird von Hand angefeuert. Der kleinere Kessel erreicht eine Wärmeleistung von 150 kW und besitzt zudem eine vollautomatische Zündung.

Der Weg

Bereits Anfang der neunziger Jahre wurden Untersuchungen zur möglichen Nutzung umweltverträglicher Energien für das Schloss Höllinghofen und die umliegenden Liegenschaften durchgeführt. Zunächst waren die Überlegungen auf die Nutzung der Windenergie zur Stromerzeugung, später auch in Verbindung mit einem BHKW gerichtet. Doch eine Wirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung aller gegebenen Standortparameter ließ sich einfach nicht nachweisen. Als Mitte der neunziger Jahre absehbar war, dass eine Sanierung der bestehenden Heizungsanlagen des Schlosses und der vier umliegenden Gebäude erforderlich wurde, folgten Überlegungen zum Einsatz von Biomasse. Angedacht war die Erzeugung von Dampf zum Antrieb einer Turbine zur Stromerzeugung, der dabei entstehende Abdampf sollte thermisch genutzt werden. Doch auch diese Kombination erwies sich als unwirtschaftlich. Planer Alfred Bieker (Planungsbüro Bieker und Partner, Drolshagen) erläuterte dazu: "In Anlehnung an VDI 2067 wurde eine thermische Kesselleistung von 650 kW und eine Generatorleistung von 25 kW ermittelt. Der Wärmeerzeugung von 650 kW steht jedoch eine Erzeugung von 55 kW elektrischer Energie entgegen, also ein krasses Ungleichgewicht zwischen thermischer und elektrischer Energie. Aus diesen wirtschaftlichen Überlegungen heraus haben wir unsere Planungen deshalb auf die Nutzung von Holz zur Raumbeheizung und Trinkwassererwärmung beschränkt."

Die Rahmenbedingungen für diese Kombination sind nahezu optimal. Denn der Brennstoff Holz fällt bei der Holzverarbeitung in den nahe gelegenen Sägemühlen ohnehin als Abfallprodukt ab und kann entsprechend preisgünstig bezogen werden, der Brennstoffnachschub kann zudem durch betriebseigenes Personal bewerkstelligt werden. In Verbindung mit den Förderprogrammen von Bund und VEW ergab sich nun die gewünschte Wirtschaftlichkeit, sodass einer Realisierung des Projektes nichts mehr im Wege stand.

 

Detailfoto: In festen Zyklen säubert diese pneumatische "Kesselrohre-Abreinigung" die Rauchgaszüge des Hackschnitzel-Heizkessels.

Kesseltechnik

Bisher wurden das Schloss und die umliegenden Liegenschaften dezentral mit eigenen Wärmeerzeugern beheizt. Geplant wurde nun ein Nahwärmesystem, welches von einem zentralen Kesselhaus aus das Schloss, den Wildkeller, die Rentei, die Oberförsterei und den Pferdestall mit Warmwasser zur Raumbeheizung und Trinkwassererwärmung versorgt. Vorgesehen ist darüber hinaus auch der Anschluss einer Getreidetrocknung. Dieser Bauabschnitt soll in Kürze realisiert werden.

 

Über eine Austragung im Brennstofflagerraum und eine Förderschnecke zum Brennraum werden die Heizkessel automatisch mit den Holzschnitzeln beschickt.

Kernstück der neuen Anlage sind zwei Hackschnitzel-Heizkessel der Fa. Schmid AG aus Eschlikon/Schweiz mit einer Gesamtwärmeleistung von 850 kW, wobei der kleinere Kessel mit einer Leistung von 150 kW die Wärmeversorgung in der Übergangszeit sicherstellt. Erst mit Beginn der Heizperiode wird der 700 kW große Kessel zur Wärmeversorgung herangezogen. Beide Wärmeerzeuger werden über eine Austragung (im Brennstofflagerraum) und eine Förderschnecke (zum Brennraum) automatisch beschickt. Schlacken und Asche werden ebenfalls automatisch in einen außen stehenden Container abgeführt.

Fließschema des Nahwärmesystems von Schloss Höllinghofen (Anmerkung: Die sicherheitstechnischen Einrichtungen sind der besseren Übersicht wegen nicht vollständig aufgeführt).

 

Im Innern des Kessels angelangt, werden die Hackschnitzel vorgetrocknet und dann in mehreren Stufen verbrannt. Ein Zentralcomputer optimiert dabei ständig die Zufuhr von Brennstoff und Luft. Nach Herstellerangaben können Hackschnitzel mit einem Wassergehalt bis zu 60% unter Einhaltung der Grenzwerte gemäß TA-Luft verbrannt werden. Die Leistungsregelung der Kessel ist im Bereich von 30 bis 100% möglich.

Besonders interessant ist die am 700 kW-Kessel angebaute pneumatische "Kesselrohre-Abreinigung". Mittels Druckluftstoß werden die einzelnen Rohrzüge nacheinander in festen Zyklen automatisch gereinigt — und das ohne Betriebsunterbrechung. Der Vorteil liegt auf der Hand: Die manuelle Reinigung entfällt, der Wirkungsgrad bleibt konstant.

Bei schönem Wetter hatten die Monteure der in Vosswinkel ansässigen ausführenden Firma Sedlaczek Heiztechnik GmbH einen angenehmen Arbeitsplatz. So wie hier beim Nachisolieren der Rohrleitungen. Bei Regen allerdings, sah dies schon anders aus…

Hydraulische Einbindung

Beide Heizkessel sind mit einer Rücklaufanhebung über Dreiwege-Ventil und Kesselkreispumpe ausgestattet und über eine hydraulische Weiche vom Verteiler getrennt. Die Kesseltemperaturen betragen konstant 80° C. Vom Verteiler aus geht dann die Nahwärmeleitung aus flexiblen, vorgedämmtem PE-X-Kunststoffrohr zu den einzelnen Unterverteilungen in den umliegenden Gebäuden. Zum Einsatz kam Rohr der Fa. Ecoflex in Twin- und Singleausführung. Etwa 400 m dieses bis zu einer Dauerbelastung von 90° C (kurzzeitig 120° C) zugelassenen Rollenmaterials, in den Dimensionen DN 90 bis DN 32, wurden verbaut.

Blick auf den Heizungsverteiler mit hydraulischer Weiche (Mitte), Schlammfangbehälter (links), automatischer Entgasungseinrichtung und Druckhaltestation (rechts). Nicht im Bild, die Wasseraufbereitung für die Kesseleinspeisung.

Da das Schloss tiefer liegt als die Heizzentrale, wurde dessen Heizungssystem über einen Plattenwärmetauscher vom Nahwärmenetz getrennt. Alle übrigen Gebäude werden dagegen direkt versorgt. Die Trinkwasserbereitung für die Gebäude erfolgt ebenfalls dezentral über die Nahwärmeleitung, zusätzlich sind alle Speicher mit einer elektronischen Heizpatrone ausgerüstet. Planer Alfred Bieker dazu: "Die Heizpatrone war in meinem Planungskonzept nicht vorgesehen, sie wurde aber von der VEW gefordert, um in den Genuss der Fördergelder zu gelangen."

 

Die Unterstationen in den einzelnen Gebäuden besitzen Regelgeräte für die außentemperaturabhängige Anpassung der Vorlauftemperatur und die Brauchwasserbereitung. Die Umwälzpumpen sind elektronisch geregelt, die Zirkulationspumpen mit Zeitschaltuhren ausgestattet. Für den hydraulischen Abgleich der Gebäude untereinander sorgen Strangregulierventile.

Prognosen

Nach den Berechnungen von Alfred Bieker sollen durch die Hackschnitzelanlage jährlich eine Energiemenge von umgerechnet etwa 120000 Liter Heizöl eingespart werden. Das bedeutet eine deutliche Reduzierung der CO2-Emissionen gegenüber den ölbefeuerten Altanlagen. Neben der CO2-neutralen Bilanz hat die Verbrennung von Holz aber auch den Vorteil, dass der Holzmarkt von krankem, astigem und dünnem Holz entlastet wird. Forstleute hoffen, dass sich dies auch positiv auf die Preisentwicklung und damit auf die gesamte Forstwirtschaft auswirken wird.


B i l d e r :  IKZ-HAUSTECHNIK


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