IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 8/2000, Seite 62 ff.


REPORT


Pilotprojekt Ginsheim-Nord

Regenwasserbewirtschaftung durch kontrollierte Versickerung

50 Knotenpunkte mit bis zu drei Strängen verschiedener Nennweiten zwischen 100 und 500 mm vernetzen das Rinnen-System.

Regenwasserbewirtschaftung durch ein modifiziertes Trennsystem: Mit dieser neuartigen Form der Oberflächenentwässerung tritt die Gemeinde Ginsheim-Gustavsburg der zunehmenden Versiegelung von Oberflächen und der damit zwangsläufig einhergehenden Kanalisierung des Regenwassers entgegen. Das 18,5 Hektar große Baugebiet Ginsheim-Nord wurde für ein Pilotprojekt genutzt. Dabei bewegen sich die Planer auf der Basis des Hessischen Wassergesetzes, welches besagt, dass Niederschlagswasser nur in die Kanalisation eingeleitet werden darf, soweit es nicht möglich ist, es am Anfallort mit vertretbarem Aufwand zu verwerten oder zu versickern.

Die zentralen Versickerungsmulden, hier einer der Einläufe, sind auf einer Fläche von rund 4100 m2 angelegt.

Ginsheim liegt an der sogenannten Mainspitze, dem Zusammenfluss von Main und Rhein. Die Hochwassergefahr ist latent vorhanden, und gerade an niederschlagsintensiven Tagen verkraften beide Flüsse keine weiteren Abwässer aus der Kanalisation. Gleichzeitig bietet sehr sandiger Boden ideale Versickerungsverhältnisse. Eine komplette Überrechnung des Kanalnetzes der Gemeinde (Schmutzfrachtsimulationsberechnung) ergab, dass ein weiteres Abführen von Regenwasser aus dem Baugebiet in die vorhandenen Entwässerungsnetze aufgrund deren Auslastung nicht zu realisieren war.

Einlauf in eine der zentralen Versickerungsmulden.

Zentrale und dezentrale Versickerung

Die Entscheidung fiel zu Gunsten eines modifizierten Trennsystems. Der Planansatz sah den Bau eines Schmutzwassersammlers und Regenwassernutzungsanlagen vor. Es sollte eine dezentrale Versickerung auf den privaten Grundstücken stattfinden sowie eine zentrale in den öffentlichen Grünflächen. Die Entwässerung von Straßen und Plätzen sollte über ein oberflächennahes Rinnensystem geschehen. Damit ließen sich auch große Kosteneinsparungen realisieren. 30 Prozent des anfallenden Niederschlags werden jetzt auf den Grundstücken zwischengespeichert. 50 Prozent des übrigen Wassers wird in der dezentralen Versickerung abgeführt, der Rest geht über die Straßenentwässerung direkt in ein im Baugebiet angelegtes Muldensystem. Die Fläche dieser zentralen Versickerungsmulden beträgt rund 4.100 m2 bei einer maximalen Einstauhöhe von 45 cm. Jede Mulde kann in die jeweils benachbarte entwässern. Und sollte es wirklich einmal zum großen "Jahrhundertregen" kommen, steht ein Notüberlauf in einen benachbarten, über 10.000 m2 großen Acker der Gemeinde zur Verfügung.

Das Rinnen-System zur oberflächennahen Entwässerung erstreckt sich über eine Gesamtlänge von rund 4,5 km.

Planung und Bau des notwendigen oberflächennahen Rinnensystems stellten an alle Beteiligten besondere Anforderungen. Die Entwässerungsrinnen mit Schwerlastabdeckung mussten entsprechend der hydraulischen Dimensionierung in den Straßenkörper integriert werden. Für diesen Part hatte man sich für die Birco Baustoffwerk GmbH aus Baden-Baden entschieden. Der Entwickler und Hersteller von Oberflächenentwässerungs-Systemen aus Beton kann auf eine jahrzehntelange Erfahrung zurückblicken. "Trotzdem war dieses Projekt aufgrund seiner Pilotfunktion eine große Herausforderung für unser Haus", sagt Siegbert Eller, Verkaufsleiter von Birco. "Schließlich gab es viele Sonderlösungen zu realisieren, die bei uns genaueste Planung per CAD erforderlich machten. Unsere Entwicklungsabteilung hat während der gesamten Bauzeit sehr eng mit Planer und Bauunternehmung zusammengearbeitet." Die Betonrinnen-Systeme haben zwei entscheidende Vorteile: Sie werden ohne aufwendige Schalung und aussteifende Materialien eingebaut. Das spart auf der Baustelle Arbeitskraft, Zeit und dementsprechend Geld. Darüber hinaus kam die Haltbarkeit während der Bauphase voll zum Tragen. Aber auch in der Dauerhaltbarkeit soll die Betonrinne ihren Konkurrenten überlegen sein, da sie in den gleichen Baustoff eingesetzt wird und so beide über denselben Ausdehnungskoeffizienten verfügen.

Ausschnitt aus dem Gesamtplan mit Nennweiten der Rinnenstränge, zentralen Versickerungsmulden und dem Notüberlauf in die Flächenversickerung.

Handanfertigung: Rinnen-Knotenpunkte mit Nennweitenübergängen

Eine besondere Herausforderung für Planer, Hersteller und Verleger ergab sich aus der Notwendigkeit von regelrechten Rinnen-Knotenpunkten. Hier laufen Stränge verschiedener Nennweiten zwischen 100 und 500 mm zusammen. "Jeder dieser Nennweitenübergänge ist ein Unikat und musste speziell im Baden-Badener Werk entworfen und vorgefertigt werden", sagt Werner Kohlschütter, Projektleiter von Birco. Sie wurden auf die entsprechenden Winkel zusammengesetzt, geschalt und letztlich in einem Guss betoniert. Ursprünglich waren von Planungsseite her Gehrungsschnitte und Bohrungen vorgesehen. Solche Konstruktionen wären aber aufgrund der Übergangsstellen viel zu anfällig gewesen. Es hätte zu Verschiebungen kommen können, sodass später der volle Durchfluss nicht mehr hätte gewährleistet werden können. Darüber hinaus wird durch die Knotenpunkte das optische Erscheinungsbild der gesamten Straßenquerschnitte verbessert.

Insgesamt sind 30 solcher Nennweitenübergänge, wo bis zu drei Stränge aufeinandertreffen, gefertigt worden. Im gesamten Baugebiet liegen rund 4,5 Kilometer Rinnen mit Schwerlastabdeckungen.

Internetinformationen:
www.birco.de


* B i l d e r :  Birco Baustoffwerk GmbH, Baden-Baden


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