IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 8/2000, Seite 51 ff.


KLEMPNERTECHNIK


Die Maori nennen Neuseeland "Land der langen weißen Wolke". Beim Blick von der Aussichtsplattform des neuen Nationalmuseums in Wellington wird erkennbar, was gemeint ist.

Von Klempnern mitgestaltet:

Das Nationalmuseum in Wellington, Neuseeland

Friedolin Behning und Hartmut L. Plawer

Das neue Nationalmuseum in Wellington, Neuseeland, wurde schon im Frühjahr 1998 eröffnet. Spenglermeister aus der Schweiz waren hier - ebenso wie einheimische Fachkräfte - in einem Team rund anderthalb Jahre aktiv. Der Auftrag: Große Dachflächen und Außenwandbereiche waren in Klempnertechnik mit Metall zu decken bzw. zu bekleiden. Dazu wurden 36 Tonnen Titanzink aus Deutschland importiert. Nach der Fertigstellung zeigte sich, dass die handwerkliche Zusammenarbeit von Erfolg gekrönt war.

Bereits im Bauzustand zeichnen sich aus der Vogelschau Umrisse und Gestalt der verschiedenen Gebäudeteile ab.

Exotische Location

Etwa achtundzwanzig Flugstunden liegen zwischen Deutschland und Wellington, der Hauptstadt Neuseelands und gleichzeitig Standort des neuen Nationalmuseums. Vom australischen Melbourne aus hält man per Schiff östlichen Kurs durch die Tasmansee und erreicht Wellington nach etwa 1.700 Seemeilen und Durchquerung der Cookstraße, auf 41,17° südlicher Breite, 174,46° östlicher Länge. Die 1840 gegründete Stadt an der Südküste der Nordinsel ist seit 1863 Hauptstadt und kulturelles wie wirtschaftliches Zentrum des Inselstaates. Der ausgedehnte Museumsneubau liegt unmittelbar an der Wellington Waterfront, gegenüber dem Jachthafen. Seine einprägsamen Konturen fügen sich markant in die hauptstädtische Silhouette, bestimmen mit ihren charakteristischen Gebäudekonturen das Stadtbild von der Seeseite her.

Nächtliche Impressionen des neuen Nationalmuseums.

"Haus der Landesschätze"

Das Maori-Volk stammt aus Polynesien und ist schon seit dem 13./14. Jahrhundert auf Neuseeland heimisch. Es wurde seit dem 18. Jahrhundert von britischen Einwanderern "kolonisiert" und nennt Neuseeland in seiner Sprache "Ao-tea-roa", was in deutscher Übersetzung sinngemäß "Land der langen weißen Wolke" bedeutet. In der Maori-Sprache lautet die Bezeichnung des neuen Museums "Te Papa Tongarewa" - Haus der Landesschätze. Der Neubau soll die multikulturelle Gesellschaft Neuseelands enger zusammenbringen. Er zeigt geschichtliche, geographische und wirtschaftliche Zusammenhänge ebenso wie Lebensweise und Kunstformen der verschiedenen Völker des Landes. Mit 23 m Gebäudehöhe über Grund, einer Gesamtgrundfläche von 36.000 m2 und einer überbauten Fläche von einem Hektar verfügt das Museumsbauwerk über beachtliche Ausmaße, die sich auf fünf verschiedene Nutzungsebenen verteilen. Der dreieckige Grundriss sorgt in Verbindung mit dem vorgelagerten Hafenpark, stark gegliederten Außenflächen und einer vielfältig variierten Dachlandschaft für ein unverwechselbares Erscheinungsbild. Natürlich hat die Handwerkskunst der Gastspengler aus Europa hierzu ihren Beitrag geleistet.

Der Hafenpark-Flügel mit seiner gefalzten Außenbekleidung zeigt sich als klempnertechnisches Highlight.

Erdbebensichere Konstruktion

Aufgrund der geographischen Lage und vulkanischer Aktivitäten der Nordinsel, musste eine erdbebensichere Bauweise gewählt werden, was in Verbindung mit Verdichtungsmaßnahmen im Bereich des aufgeschütteten Hafenareals zur Erhöhung der Baukosten beitrug. Das Gebäude wurde nach einer bewährten Technik auf 150 mit Blei verfüllten Gummi-Metall-Sockeln errichtet, die Erdbebenstöße aufnehmen können. Nach der Terminologie der Spezialisten sorgen diese Maßnahmen dafür, dass das Bauwerk ein Erdbeben, wie es höchstens einmal in 250 Jahren auftritt, schadensfrei übersteht. Bei einem heftigeren Beben, wie es maximal alle 500 Jahre auftritt, wird mit kleineren, aber reparablen Schäden gerechnet. Im schlimmsten Fall - bei einem 2000-Jahre-Erdbeben - ist mit der Zerstörung des Museums zu rechnen, allerdings werden Menschen und Exponate im Museum bei einem derartigen "Super-Gau" unverletzt bleiben - sagen die Spezialisten. Die Probe aufs Exempel blieb bisher - Gott sei Dank - aus.

Mit elegantem Schwung ist das Vordach zur Aussichtsplattform gestaltet; die Randblende wurde in Falztechnik bekleidet.

Erfolg trotz langer Anlaufzeit

Die Realisierung des neuen Museums erforderte, wie bei vielen ungewöhnlichen Vorhaben, lange Anlaufzeiten. Dabei wurden erste Ideen, das große Museum für alle nationalen Belange in der Hauptstadt zu errichten, bereits 1984 diskutiert. Nachdem die Standortentscheidung zugunsten des weiträumigen Hafengeländes, der Wellington Waterfront, gefallen war, wurde ein Architektenwettbewerb gestartet. Die unabhängige Jury entschied sich im Juni 1990 für den Vorschlag des neuseeländischen Architekturbüros Jasmax und betraute es mit dem Entwurf für den Neubau. Im Jahr 1993 wurde mit den Rohbauarbeiten begonnen. Als Generalunternehmer für die gesamte Bauausführung fungierte die Firma Fletcher. Sie beauftragte Calder Stewart Roofing aus Invercargill, als Subunternehmen mit der Erstellung der Metallarbeiten für die Dächer und einen Teil der Fassaden. Für die Ausführungstechniken bei der Titanzink-Verarbeitung orientierte man sich an europäischen Vorbildern; sehr zum Vorteil dieses Bauvorhabens.

Im Wechselspiel von Pult- und Walmdachflächen und einer Vierteltonne: routinierte Klempnertechnik.

Titanzink aus Deutschland, Spengler-Know-how aus der Schweiz

Gefragt waren erstklassige Referenzen, sodass die einheimische Firma Calder Stewart mit der Ausführung der Metalldächer und -fassaden betraut wurde. Für die Dächer und Außenwandpartien importierte sie 36 t Rheinzink "vorbewittert", 0,8 mm dick. Da erfahrene Handwerker mit Spenglerausbildung und entsprechender Praxis im Lande nicht bereitstanden, begann die beauftragte Firma gezielt um routinierte Fachkräfte aus Europa zu werben. Mit Unterstützung eines Branchenkenners aus dem benachbarten Australien wurde Marcus Buscetta aus der Schweiz als Bauleiter gewonnen und mit der Zusammenstellung einer geeigneten Spenglercrew beauftragt. Bis Juli ’95 gelang es ihm, fünf Berufskollegen, ebenfalls aus der Schweiz, für diese Aufgabe zu begeistern, sodass dem Beginn der Metallarbeiten nichts mehr im Wege stand und mit der Ausführung begonnen wurde.

Eines der riesigen Rundfenster, vollflächig in Falztechnik gestaltet.

Unter erschwerten Bedingungen

Die erste Zeit brachte, nach dem Bericht der schweizer Spengler, auf der Baustelle in Wellington verschiedene Schwierigkeiten. Es gab schon viel Arbeit und die Begleitumstände waren ungewohnt. Richard Caminada aus Sankt Gallen berichtete, dass Wetter- und Sprachprobleme zu lösen waren und die Ausführung der Spenglerarbeiten nur mit den im Lande zur Verfügung stehenden, begrenzten technischen Mitteln geschehen konnte. Die Wetterprobleme bestanden in ständigen starken Winden - oder genauer gesagt - Stürmen und periodischer Nässe des neuseeländischen Winters. Sprachprobleme und unterschiedliche Ausführungsmodalitäten sowie andere Arbeitsgewohnheiten komplizierten die Arbeiten zusätzlich. Aber in gemeinsamen Anstrengungen und mit Geduld und viel gutem Willen verstanden es die "Gastspengler" aus der Schweiz, die auftretenden Probleme schrittweise auszuräumen. "Um den großen Arbeitsanfall im ersten Halbjahr mit den zur Verfügung stehenden Mitteln und Hilfskräften zu bewältigen", so Erich Stocker, "hatten wir bis Ende des Jahres 1995 jeder eine 60-Stunden-Woche!" Das hielt die wackeren Schweizer jedoch nicht davon ab, ihre Arbeit in gewohnter Akkuratesse auszuführen.

Damit trotz der beschriebenen Probleme Arbeitsergebnisse erzielt werden konnten, die dem hohen Schweizer Standard entsprechen, waren zeitaufwendige und anstrengende Maßnahmen erforderlich. Teilweise mussten den anderen beteiligten Handwerkern erst einmal die Arbeitsabläufe und -techniken erklärt werden, ebenso die Eigenschaften des hier eingesetzten Titanzinks. Im Nachhinein stellen die Schweizer Spengler fest, dass Zusammenarbeit und auch nicht alltägliche Aufgabenstellung sogar Spaß gemacht haben und für alle Beteiligten eine große Herausforderung waren.

Die schöne Gestaltung der großen Dachpartien überträgt Neuseelands Formensprache in die Technik von heute.

Eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben

Einige bedeutende Merkmale der Metallarbeiten beim Neubau des neuseeländischen Nationalmuseums werden nachfolgend erläutert. Die spenglertechnischen Lösungen bezüglich der Metalldächer und -außenbekleidungen gliederten sich in eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben. So waren konkav und konvex gewölbte Dächer, ebenso wie Pult- und Steildachflächen, Attiken, Stirnbänder und Ortgangbereiche zu decken, anzuschließen und einzufassen. Darüber hinaus mussten größere Teilbereiche von Fassaden bekleidet werden, manche von ihnen im Grundriss gekrümmt, sich verjüngend oder großstufig abgetreppt. Arbeitstechnisch anspruchsvoll waren auch die zahlreichen Untersichten von überspringenden und auskragenden Bauteilen, die partiell in die metallische Gebäudehülle integriert wurden. Besondere architektonische Akzente haben die Planer mit einer Reihe verschiedengestaltiger, additiver Formelemente im Dach- und Fassadenbereich gesetzt. Dazu gehören zum Beispiel die Außenwand durchdringende, dreidimensionale Einfassungen von Öffnungen, schwungvolle, segelähnliche Solitärdächer und eine kaskadenartig verspringende Überdachung, oberhalb einer halbkreisförmig verlaufenden Treppenzone beim Hafenpark-Gebäude. Alle Aufgaben wurden von Spenglern aus der Schweiz und ihren einheimischen Helfern vorbildlich gelöst. Damit ist ein Stück moderner europäischer Klempnertechnik mit Erfolg "zum anderen Ende der Welt" übertragen worden.

Sehenswerte Details der Vordach-Untersichten mit Steckfalzpaneelen und geneigte, vertikale Randbereiche in Winkelstehfalztechnik.

Vorbild Europa

Wie auch bei anderen Gebäuden, die mit Metall gestaltet und vor schädigenden Witterungseinflüssen geschützt werden, waren auch bei diesem Objekt verschiedene praxiserprobte Ausführungs- und Verlegetechniken notwendig. Dies sind zum Beispiel die Doppelstehfalz- und Winkelstehfalztechnik sowie - für Untersichten - das Rheinzink-Steckfalz-Paneelsystem. Für Dächer, Außenwandbekleidungen, Verwahrungen und Dachentwässerungselemente wurde 0,8 mm dickes, "vorbewittertes" Rheinzink-Material eingesetzt. Die Bekleidung der Untersichten ist aus 1 mm dickem, ebenfalls "vorbewittertem" Material mit Steckfalz-Paneelen ausgeführt. Die Unterkonstruktion besteht, mit Ausnahme bei den selbstgekanteten Steckfalz-Paneelen, in der Regel aus ca. 18 mm dickem Baufurnier-Sperrholz, das mit einer Trennlage versehen wurde. Zum Befestigen der Scharen dienen regelkonforme Fest- und Schiebehaften. Im Hinblick auf die extrem hohen Windkräfte und ein für Neuseeland nicht alltägliches System wurde ein Haftenabstand von 15 cm gewählt. Die Befestigung der Haften erfolgte mit jeweils 3 Schrauben aus nichtrostendem Stahl.

Der "Master Roof Plan", d.h., die von den Architekten erstellte Aufsichtzeichnung der einzelnen Dachpartien, zeigt die Anordnung der Scharen und die Umrisse der metallgedeckten Flächen (Zeichnung: JASMAX Architects, Auckland NZ).

Herausragende Leistung

Bei der Endabnahme wurde die herausragende handwerkliche und organisatorische Leistung der Schweizer Handwerker gewürdigt. Die Spenglerarbeiten wurden als beispielhaft in allen Details beurteilt und anerkannt. Ein erfreuliches Ergebnis war diese Handwerksleistung auch für das Unternehmen Calder Stewart aus Invercargill: Der gleichnamige Inhaber hatte zusammen mit seinem leitenden Mitarbeiter, Keith Ivey, vor Baubeginn eine Informations- und Besichtigungsreise nach Europa unternommen und auch deutsche Beispielobjekte mit Metallbedachungen besichtigt. Anlässlich des Aufenthaltes der Neuseeländer in der Bundesrepublik betreute einer der Autoren die Besucher gemeinsam mit Franz Wittlich, Klempnermeister aus Kurtscheid. Dabei lernten die Gäste vom "anderen Ende des Globus" beispielhaft ausgeführte, hiesige Klempnerarbeiten kennen und u.a. auch die verschiedenen Falz- und Profilierwerkzeuge von Schlebach. Solchermaßen präpariert waren sie für die Ausführung ihres eigenen Prestigeobjektes in Neuseeland bestens gerüstet und scheuten keine Mühe, das im fernen Deutschland Gesehene zum Maßstab eigener Bauaktivitäten zu übernehmen.

Schematische Darstellungen verschiedener Detailpunkte nach Arbeitsskizzen der Schweizer Spengler.

Resümee

Sehenswerte Klempnerarbeiten mit Metall werden - oft nach europäischem Standard - weltweit ausgeführt. Mit dem Gebäude des neuen Nationalmuseums für Neuseeland wurde dabei eines der größten und vielseitigsten Bauwerke dieser Art im pazifischen Raum verwirklicht. Durch seinen privilegierten Standort am Hafenpark von Wellington sowie das progressive Entwurfskonzept zählt es zu den bemerkenswerten Werken neuzeitlicher Architektur. Seine Dachpartien und Fassadenbereiche sind klempnertechnische Arbeiten auf hohem Niveau. Mit ihnen ist die Botschaft traditionellen handwerklichen Könnens aus europäischen Regionen bis zu den Antipoden, der alten Heimat der Maori, gelangt.


* Bilder: ABC, Frankfurt; Rheinzink GmbH & Co. KG, Datteln


* Literatur: Informationen des New Zealand Tourism Board, Frankfurt/Main
Berichte der schweizer Journalistin Franziska Schawalder sowie der Diplomierten Spenglermeister Richard Caminada und Erich Stocker
Baumetall 6/98


[Zurück]   [Übersicht]   [www.ikz.de]