IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 8/2000, Seite 31 ff.


SANITÄRTECHNIK


Regenwasseranlage des DaimlerChrysler-Projekts in Berlin

Wasser als ökologische Herausforderung

Urbanes Gewässer mit Regenwasser vom Daimler-Chrysler-Areal und Schilfgürtel zur natürlichen Reinigung. Foto: Vincent Mosch/DS-Plan

Dipl.-Ing. Gabriele von Kardorff*

Lebenspendend, lebenerhaltend, lebenvernichtend: Seit Urzeiten ist das Wasser Stoff für Mythen und Magie, für Poesie und Dramen. Und immer schon war Wasser auch ein Thema für Stadtplaner, Architekten und Techniker — mit wechselndem Stellenwert.

Frühe Kulturen beherrschten bereits den Kanalbau für die Landwirtschaft, die Römer reinigten öffentliche Toilettenanlagen raffiniert mit Wasser, bei uns glichen mittelalterliche Städte eher Kloaken. Die Neuzeit endlich glaubte mit naivem Vertrauen in die Technik, alle Probleme gelöst zu haben. Die Flüsse waren begradigt, die Städte kanalisiert, die Wohnungen mit Trinkwasseranschlüssen versorgt: schöne neue Welt. Aber an den Abwässern starben die Fische, die Flüsse bedrohen bis heute die Städte mit Hochwasser, in den versiegelten Großstädten reicht die Kanalisation bei starkem Regen nicht aus und der Aufwand für die Abwasserreinigung steigt stetig wie auch die Wasserrechnungen für die Bürger.

Wasser heute — das ist ebenso ein ökologischer wie ein wirtschaftlicher Faktor. Gefragt ist deshalb eine neue Qualität der Zusammenarbeit zwischen Architekten, Ökologen und Technikern. Eines der zukunftsweisenden Beispiele für diese Entwicklung ist die Regenwassernutzung im Bereich des DaimlerChrysler-Areals am Potsdamer Platz in Berlin. Mitten in einer Großstadt entstand hier eine der größten Regenwassersammelanlagen im Rahmen eines umweltschonenden Wasserkonzepts. Die Anlage ist Teil eines bauökologischen Gesamtkonzeptes für das DaimlerChrysler-Projekt, das außerdem zu einer umweltschonenden Energieversorgung, klimagerechten Bauweise und schadstoffarmen Baumaterialien geführt hat. Die Konzeption, Beratung und das Ökomanagement hierzu wurde planungs- und baubegleitend von der DS-Plan Ingenieurgesellschaft für ganzheitliche Bauberatung und -planung durchgeführt.

Teil der Technikzentrale für die Regenwassersammlung im Untergeschoss des Gebäudes C1 mit den Druckerhöhungs- und Filteranlagen. Foto: Vincent Mosch/DS-Plan

Voraussetzungen und Grundkonzept

Schon in der Masterplanung von Renzo Piano/ Christoph Kohlbecker ging es um die Frage: Wohin mit dem Regenwasser von 48000 m2, Dachflächen auf 19 Gebäuden? Die Menge — rund 23 000 m3/Jahr — schloss Sickerflächen auf dem Areal von vornherein aus. Aber auch der benachbarte Tiergarten kann bei starken Regenfällen keine zusätzlichen Wassermengen vertragen. Die Kanalisation — eine Mischkanalisation aus Abwasser und Regenwasser der Gebäude — bot ebenfalls keine ökologisch akzeptable Lösung. Sie überlastet bei plötzlichem Starkregen schon heute häufig die Kläranlagen, und das überschüssige Wasser fließt dann auch schon mal ungereinigt in die Vorfluter.

Ökoeffizient im Hinblick auf diese Situation erwies sich in allen Untersuchungen die möglichst vollständige Nutzung des Regenwassers direkt auf dem Areal. Die Dachflächen aller 19 Gebäude werden auf klassische Weise entwässert. Über Fallrohre und Sammelleitungen wird das Wasser dann in vier Nebenzisternen mit 350, 560, 660 und 680 m3 Fassungsvermögen sowie einer Hauptzisterne mit 1200 m3 Volumen gesammelt sowie dunkel und kühl gespeichert. Drei Verbraucher teilen sich dieses Wasser. Priorität hat dabei der künstliche See mit 12300 m2 Oberfläche. Da die Verdunstungsmenge über die große Fläche bei Tiefen von 30 cm bis 1,80 m größer ist als der natürliche Zugewinn durch Regen, muss der See mit durchschnittlich 12 100 m3 Wasser pro Jahr nachgespeist werden. Bei anhaltendem starken Regen dient der See aber gleichzeitig auch als Rückhaltevolumen, wenn die Zisternen gefüllt sind. Kann auch der See kein Wasser mehr aufnehmen, wird der Überschuss direkt an den Landwehrkanal abgegeben. Mit diesem Konzept war ein Planungsziel erreicht: In der Regel belastet Regenwasser auf dem Potsdamer Platz die Kanalisation auch bei stärksten Regenfällen nicht. Nur für den Ausfall des Systems ist ein kleiner Abfluss zur Kanalisation vorgesehen. Als weiteren Verbraucher des Regenwassers wurden die Gartenanlagen im Areal mit rund 750 m3 Bedarf und die Toilettenspülungen in fünf Gebäuden festgelegt, für die im Schnitt 9300 m3 zur Verfügung stehen.

Eine ökologisch sinnvolle Lösung dieser Zielvorgaben erforderte weit mehr als die bekannte Wasser- und Sanitärtechnik leisten kann. Denn Wasser ist nicht nur kostbar und kostspielig — es ist auch ein leicht verderbliches Gut. Wenn dieses Problem nicht der Chemie überantwortet werden sollte, ergab sich die zwingende Forderung nach interdisziplinärer Zusammenarbeit der Bauökologen mit den Landschaftsarchitekten, den verschiedenen Architekten der Gebäude und den Planern der Haustechnik.

Spezielle Anforderungen an Dachflächen

In die Sammlung des Regenwassers wurden alle verwendeten Dachmaterialien eingebunden: extensive Begrünung, Glas, Kies, Metall, Bitumen. Es war jedoch wichtig, bereits in der Entwurfsplanung zu prüfen, welche Materialien von den Architekten angedacht werden, und ob diese mit einer Regenwassersammlung verträglich sind. So wurde Kupfer als Dachmaterial ausgeschlossen, weil zu befürchten war, dass dies zu einer Schwermetallbelastung des Sees führen könnte. Auch eine extensiv begrünte Dachfläche eignet sich nach herkömmlicher Auffassung nicht zum Sammeln von Regenwasser. Da allerdings ein Drittel der Dachflächen des DaimlerChrysler-Areals mit einer Begrünung versehen ist, wäre ein Ausschluss dieser Flächen keine zufriedenstellende Lösung gewesen. Andererseits ist die extensive Begrünung eine wichtige ökologische Maßnahme, weil sie das Mikroklima verbessert. Das weckte den Ehrgeiz, die Dachbegrünung mit der Regenwassersammlung zu verbinden. Die Begrünung erhielt ein speziell ausgewähltes Substrat. Die TU-Berlin hat dazu über ein Jahr lang Versuche mit unterschiedlichen Substratsorten durchgeführt. Als geeignet erwies sich ein rein mineralischer Aufbau, denn das Substrat musste nährstoffarm und frei von Düngemitteln sein, damit weder die Speicher noch der See belastet und von Algenwachstum befallen werden. Um diese Anforderungen bis zur Fertigstellung durchzuhalten, waren auch Kontrollen in der Bauphase erforderlich. Jetzt nach dem Bezug der Gebäude ist darauf zu achten, dass die Dachbegrünung nicht nachgedüngt wird, und die Glasdächer der Atrien dürfen nicht mit Reinigungsmitteln, sondern nur mit Wasser gesäubert werden.

Die Dachmaterialien sind aber auch bedeutsam für den Regenwasserertrag. Während bei geneigten Glasflächen im Durchschnitt 90% des auftreffenden Regens abfließt, kommen bei einer extensiven Dachbegrünung nur ca. 20% in den Speicher. Dieser Wert wurde durch Versuche ermittelt und korrigiert den bisher in der Fachliteratur bekannten Abflussbeiwert von 0,3 bis 0,4 für extensive Dachbegrünungen. Die restlichen 80% des Niederschlags werden von den Pflanzen aufgenommen und verdunsten — also erheblich weniger Ertrag, jedoch ein positiver Beitrag für das Mikroklima.

Ein Netzwerk aus Speichern, Rohren, Pumpen und Filtern

Von den Dachflächen aus gelangt das Regenwasser über herkömmliche Fallrohre statt in den Berliner Mischkanal in eine der fünf Zisternen. Die Lage der Speicher, das Speichermaterial, die Filterung und eine regelmäßige Wasserentnahme sind maßgebend für die weiterhin gute Qualität des Regenwassers. Die Speicher wurden in den Untergeschossen des DaimlerChrysler-Areals gebaut: Die 19 Gebäude sind nicht einzeln unterbaut, sondern in vier Baufelder unterteilt, die jeweils zusammenhängende Untergeschosse haben. In jedem Baufeld sind 1 bis 2 Zisternen, die alle an den Außenkanten eines Baufeldes angeordnet sind, damit sie mit einer möglichst großen Außenfläche an das Erdreich angrenzen. Betonwände und -decken, die über jeweils zwei Untergeschosse reichen, bilden die Hülle der Speicher. Eine Kunststoffbeschichtung schafft die notwendige Abdichtung. Mit dieser kühlen und lichtdichten Speicherung ist eine weitere wichtige Voraussetzung geschaffen, das Wachstum von Keimen und Algen zu verhindern.

Die vorgesetzten Filter sorgen darüber hinaus dafür, dass grobe und kleinere Partikel nicht in den Speicher gelangen. Schwebteilchen können sich im Speicher absetzen und werden vom Boden aus regelmäßig abgesaugt. Wird das Wasser zu den Verbrauchern gepumpt, gelangt es zuvor über einen Feinfilter. Wird es zum See geleitet, werden zusätzlich einige Qualitätsmerkmale, wie z.B. der pH-Wert geprüft. Das Regenwasser, das für die WC-Spülung in die Gebäude gepumpt wird, schickt das System durch eine Bestrahlung mit einer UV-Lampe. Dies ist nicht unbedingt erforderlich, da eine pathogene Verkeimung äußerst unwahrscheinlich ist. Das Verfahren bietet jedoch eine zusätzliche Sicherheit für die WC-Spülung.

Die Speicher sind untereinander über Rohre und Pumpen verbunden und werden als Teil eines gesamten Bewirtschaftungssystems regelmäßig mit ihrem Zu- und Abfluss überwacht. Für die Bewirtschaftung der Speicher und der Abnehmer wird eine Software eingesetzt, deren Parameter und Vorgaben aus Simulationsrechnungen abgeleitet wurden. Studiert wurde ein Zeitraum von 30 Jahren, in dem die Wetterdaten von 1964 bis 1994 einer nahegelegenen Wetterstation zugrunde gelegt wurden. Die Niederschläge, Erträge und der Bedarf der drei Abnehmer wurden im Zusammenwirken simuliert.

Da mehrere Verbraucher mit Regenwasser versorgt werden, ist genau abgestimmt, wer welche Teilmengen erhält und welcher Speicher Wasser abgeben muss oder erhält. Dies ist natürlich nur relevant, wenn die gespeicherte Menge nicht für alle Verbraucher ausreicht. Wie Simulationsrechnungen gezeigt haben, kommt das nur selten vor. Eine Trinkwassernachspeisung für den See tritt nur in sehr extremen Trockenperioden auf. Die Toiletten werden im Jahresdurchschnitt zu 80% mit Regenwasser versorgt, was im Vergleich zu bestehenden Anlagen eine sehr hohe Deckungsrate darstellt. Für den Fall der Nachspeisung mit Trinkwasser stehen kleine Zusatzspeicher zur Verfügung, die dem Regenwasserspeicher nachgeschaltet sind. Das Trinkwasser wird hier in sehr kleinen Mengen eingefüllt. Damit ist gewährleistet, daß bei erneutem Niederschlag sofort wieder Regenwasser genutzt wird.

Mechanisch-biologische Reinigung des Regenwassers für den See

Zu den Zielsetzungen der Anlagenplanung gehörte auch, dass der See weder eine stets reinigungsbedürftige Algenansammlung noch ein Chemiebecken werden sollte. Dafür wurde am Südufer ein Schilfgürtel geschaffen, über den der Zulauf des Wassers erfolgt: mechanisch gereinigt durch eine Sand-Schiefer-Zeolith-Mischung, biologisch durch Mikroben am Schilf. Gleichzeitig dringt durch die Schilfröhren Sauerstoff in das Substrat. Die Gewässerplanung erfolgte durch eine Arbeitsgemeinschaft Dreiseitl/Piano/ Kohlbecker. Bei der Entwicklung des Substrats für die Schilfbepflanzung half ein Institut der TU Berlin. Die ETH Zürich führte numerische Simulationen zur Optimierung der Wasserströmungen durch. Das Ergebnis zeigte, dass zur Vermeidung von Stagnationen eine gerichtete Strömung erforderlich ist. Mit zusätzlichen Infiltrations- und Ansaugstellen sowie einer Optimierung der Wassermengen an den Ein- und Ausläufen konnte auf Basis dieser Simulation erreicht werden, dass sich das Wasser überall innerhalb 48 Stunden vollständig erneuert.

Schlussbetrachtung

Unter dem Aspekt der ganzheitlichen ökologischen Betrachtung ist das Projekt der Regenwassernutzung am Potsdamer Platz bisher einmalig. Die Verbesserung des Mikroklimas durch den See und die Dachbegrünung, die Trinkwassereinsparung sowie die Entlastung der Kläranlagen sind in diesem System nicht voneinander zu trennen. Aus dem interdisziplinären ökologischen Denkansatz sind weitreichende Synergien entstanden.


G r a f i k :  DS-PLAN


* Gabriele von Kardorff, Dipl.-Ing., MSc, DS-PLAN Ingenieurgesellschaft für ganzheitliche Bauberatung und -planung mbH, Berlin


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