IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 6/2000, Seite 52 ff.



Wassermanagement im Ludwig-Erhard-Haus

Intelligente Haustechnik optimiert den Verbrauch

Markante Neubauten prägen das Bild von Berlin. Ein Blick ins Gebäudeinnere offenbart den Besuchern vielerorts atemberaubende Perspektiven, während die ausgeklügelte Haustechnik häufig unbemerkt bleibt. Aber Achtung! Ein Abstecher in diese Welt lohnt sich. Beim "Ludwig-Erhard-Haus" führt er zu einem Netzwerk, das Trinkwasser zentral koordiniert, überwacht und bedient.

Wie inszeniert man ein "Haus der Unternehmer"? Wenn man Nicholas Grimshaw heißt, ist das keine Frage: natürlich mit einer kühn zur Schau gestellten Tragwerkkonstruktion. In der Berliner City West unweit von Bahnhof Zoo und Gedächtniskirche nahm der High-tech-Bau des Londoner Architekten in den Jahren 1994 bis 1998 auf rund 9.400 m2 stählerne Struktur an: 15 elliptische Bögen mit Spannweiten bis zu 61 Metern, Höhen bis zu 39 Metern und 2.000 Tonnen Gesamtgewicht geben dem Gebäude seine Unverwechselbarkeit und brachten ihm gleichzeitig den Namen "Gürteltier" ein. Offiziell heißt der neue Sitz von Industrie- und Handelskammer sowie der Berliner Wertpapierbörse "Ludwig-Erhard-Haus".

Funktionsschema des Wassermanagement-Systems.

Aus der Vogelperspektive ist die amorphe Reptilienpanzerform des Gebäudes am besten zu erkennen, von der Seite dagegen wird sie - der Bauordnung wegen - von einer eher konventionellen Halle mit gerader Glas- und Metallfassade geschluckt. Vom Gürteltier zeugen hier lediglich riesige Bogenpfoten, die die Horizontallasten von acht "schwebenden" Geschossdecken aufnehmen und über zwei Untergeschosse in bis zu 25 m lange Bohrpfähle ableiten.

Ein Kabel für 99 Zapfstellen

Keinen reglementierenden Vorschriften ausgesetzt war dagegen das Konzept für die Haustechnik. Dazu zählt auch der zentrale Betrieb der insgesamt 58 Sanitärbereiche über das moderne, in die Gebäudeleittechnik integrierte Wassermanagementsystem "Aqua 3000". Es basiert auf einem vom Ludwigsfelder Hersteller Aqua Butzke entwickelten Konzept von zentral angeordneten Sanitärsteuerungen. Von dort aus erfolgt die Kommunikation mit den angeschlossenen elektronischen Armaturen über ein Feldbussystem, das sämtliche Steuerungs- und Überwachungsfunktionen über ein vieradriges Datenbuskabel führt. Bis zu 99 automatische Zapfstellen lassen sich dabei auf einer Leitungslänge von bis zu 500 m einbinden. Im "Ludwig-Erhard-Haus" werden derzeit 176 WC-, 124 Wasch-, 77 Urinal- sowie 8 Duscharmaturen von fünf solcher Automationsstationen gemanagt. Jeder der insgesamt 385 Wasserspender besitzt dazu einen intelligenten elektronischen Miniaturbaustein, den so genannten Aquanet-Controller. Ohne diesen Elektronik-Knotenpunkt läuft sprichwörtlich nichts, da er sowohl für die Kommunikation zum gesamten Datennetz als auch für die Verbindung zwischen Armaturen-Sensor und Magnetventil als Armaturen-Aktor sorgt. So verarbeitet der Controller Signale und steuert programmgemäß das für den Wasserfluss zuständige Magnetventil an. Besucher und Mieter des Gebäudes bekommen von so viel technischer Finesse allerdings nur wenig mit: Für sie fließt und stoppt das Wasser wie von Geisterhand und - hygienisch gesehen - angenehm berührungslos.

Sanitärsteuerung Aqua 3000: Insgesamt 385 elektronische Armaturen werden über fünf dieser Automatisationsstationen gemanagt.

Deutliche Betriebskostenersparnis

Für die Betreiber dagegen hat zentrales Wassermanagement durchaus handfeste ökonomische Gründe, lässt sich die Wasserabgabe doch exakt auf die Bedürfnisse der vielen unterschiedlichen Nutzer abstimmen - spätere, auf Erfahrungswerten beruhende Parameteränderungen und Optionserweiterungen nicht ausgeschlossen. Momentan regelt und optimiert das System u.a. die Spülzeiteinstellungen bei WC- und Urinal-Armaturen oder parametriert die Wassernachlaufzeiten an allen Waschtischen bzw. die Wasserlaufzeiten bei den Duschanlagen. Messungen zu Frequentierung sowie Störmeldungen bei eventuell auftretenden Defekten gehören ebenfalls zum Funktionsumfang. Der Lohn für die Investition in Komfort, Sicherheit und - last but not least - Umweltschutz, kann sich auf Dauer sehen lassen: Auf mindestens 30 Prozent prognostiziert Aqua Butzke die Betriebskostenersparnis.

Detailschema eines Bauabschnitts: Von den zentral angeordneten Sanitärsteuerungen aus erfolgt die Kommunikation mit den angeschlossenen elektronischen Armaturen über ein Feldbussystem, das sämtliche Steuerungs- und Überwachungsfunktionen über ein vieradriges Datenbuskabel führt.

Integration in die GLT

Bedient, beobachtet und analysiert wird das gesamte System durch eine übergeordnete Gebäudeleittechnik von Siemens/Landis & Staefa. Über die in der Sanitärsteuerung integrierten Schnittstellen war die Aufschaltung auf die GLT problemlos möglich. Damit brauchen die Betriebstechniker die Automationsstationen im Gebäude nicht mehr persönlich zu kontrollieren. Denn präzise Einsatzanforderungen kommen jetzt aus einer Leitzentrale. Aber auch kleine "Noteingriffe" sind von dort aus machbar, wie ganz gezielte Spülungen von länger nicht benutzten Urinalanlagen. Bei Bedarf können die für die Überwachungsfunktionen zuständigen Techniker sogar detaillierte Pläne der Haustechnikanlagen auf den Bildschirm holen, Ursachen für Störfälle abfragen - und gleich den richtigen Mann ans richtige Örtchen schicken.

Ein elektronischer Miniaturbaustein, der Controller, steuert programmgemäß das für den Wasserfluss zuständige Magnetventil jeder Armatur und ermöglicht die Kommunikation zum gesamten Datennetz. Auch Einzelparametrierungen, beispielsweise der Laufzeit, lassen sich mit einem Handprogrammiergerät durchführen. Über ein vieradriges Datenbuskabel (orange) sind alle Armaturen mit der zentralen Steuerung verbunden.

 

Gewerkeübergreifende Zusammenarbeit erforderlich

Während an der neuen Berliner Börse im "Gürteltier" bereits die Broker ihre hektische Arbeit aufnahmen, wurde in den anderen Etagen des Ludwig-Erhard-Hauses noch gebaut. Diese "Just-in-time"-Bauweise stellte nicht nur erhöhte Anforderungen an die beteiligten Unternehmen, sie erforderte auch genaueste zeitliche Abstimmung aller Bau- und Installationsmaßnahmen. Häufig lagen zwischen der Fertigstellung einzelner Abschnitte und der Übergabe an die Nutzer gerade einmal 24 Stunden. Um einen reibungslosen Ablauf zu garantieren, mussten sich Sanitärinstallateur und Elektriker erst einmal auf die ungewohnte direkte Zusammenarbeit einstellen. Für viele stellten auch die technischen Anforderungen einer zentralen Sanitärsteuerung Neuland dar. Hier war besonders die fachliche Unterstützung von Seiten des Herstellers gefragt.

Die gemeinsamen Anstrengungen wurden mit einem geglückten Abschluss des Bauprojektes belohnt, denn letztendlich profitierten alle Beteiligten von der neuen Erfahrung.


* B i l d e r :  Aqua Butzke Werk AG, Ludwigsfelde


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