IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 23/1999, Seite 66 ff.


ARBEITSSCHUTZ


Neue Regelungen für die Beförderung kleiner Mengen gefährlicher Güter in der Bauwirtschaft

GGVS - und kein Ende

Dr. rer. nat. Klaus Kersting und Dipl.-Ing. Kurt Kaphun*  Teil 1

Zum 1. Januar 1999 sind zwei neugefaßte Verordnungen für die Beförderung gefährlicher Güter in der Bauwirtschaft inkraftgetreten: Die Gefahrgutverordnung Straße (GGVS) und die Gefahrgutbeauftragtenverordnung (GbV). Beide Verordnungen haben erhebliche Auswirkungen für Unternehmen der Bauwirtschaft, die für betriebliche Gefahrgutbeförderungen die Kleinmengenregelungen anwenden.

Neufassung der Gefahrgutverordnung Straße - GGVS

Zum 1. Januar 1999 ist die 14. Änderungsverordnung des europäischen Übereinkommens über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße - das ADR - für den grenzüberschreitenden Verkehr inkraftgetreten. Dadurch war die Bundesregierung verpflichtet, die Verordnung über die innerstaatliche und grenzüberschreitende Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße - GGVS - den ADR-Regeln anzugleichen. Mit der Neufassung der GGVS vom 22. 12. 1998 (GGVS 1999) und den dazu gehörenden Anlagen A und B des ADR wurde die Angleichung fast vollständig vollzogen. Nur "fast vollständig" deshalb, weil in der Anlage 2 zur GGVS Abweichungen von den Anlagen A und B des ADR für innerstaatliche Beförderungen vorgeschrieben sind.

Für die zwingend vorgeschriebene Anwendung von GGVS 99 und ADR 99 ist im ADR eine Übergangszeit vom 1. Januar 1999 bis zum 30. Juni 1999 eingeräumt; sie gilt auch für die GGVS 99.

Die Neufassung der GGVS bedingte auch eine Neufassung der Gefahrgutausnahmeverordnung (GGAV). Diese wurde mit der Verordnung zur Änderung gefahrgutrechtlicher und anderer Vorschriften (GefÄndV) vom 23. Juni 1999 geändert. Die für Kleinmengentransporte relevanten Ausnahmen können danach wie bisher angewendet werden.

Die GGVS 1999 läßt - wie bisher - Ausnahmen nach § 5 zu, die von den für Landesrecht zuständigen Behörden auf Antrag für Einzelfälle oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen von der GGVS zulassen.

Neufassung der Gefahrgutbeauftragtenverordnung - GbV

Die neugefaßte Gefahrgutbeauftragtenverordnung vom 26. 3. 1998, die am 1. Januar 1999 in Kraft trat, bringt für die Unternehmen der Bauwirtschaft in Zusammenhang mit der Beförderung kleiner Mengen gefährlicher Güter im wesentlichen drei Verpflichtungen:

Sogenannte "beauftragte Personen" und "sonstige verantwortliche Personen" müssen ausreichende Kenntnisse über die für ihren Aufgabenbereich maßgebenden Vorschriften über die Beförderung gefährlicher Güter haben. Diese Kenntnisse müssen durch zu wiederholende Schulungen vermittelt werden. Über die Schulungen sind Bescheinigungen auszustellen, aus der Zeitpunkt, Dauer und Inhalt der Schulung hervorgehen müssen. Die Bescheinigungen müssen bei Kontrollen auf Verlangen vorgelegt werden können.

"Beauftragte Personen" haben im Auftrag des Unternehmers in eigener Verantwortung dessen Pflichten nach den Gefahrgutvorschriften zu erfüllen. In der Bauwirtschaft können das zum Beispiel sein: Bauleiter, Meister, Poliere, Vorarbeiter, Disponenten.

"Sonstige verantwortliche Personen" sind nach den Vorschriften für die Beförderung gefährlicher Güter in Erfüllung ihrer Aufgaben unmittelbar eigenverantwortlich. Das sind insbesondere Fahrzeugführer.

Es gehört zu den Pflichten des Unternehmers, dafür zu sorgen, daß alle "Beauftragten Personen" und "Sonstige verantwortliche Personen" im Besitz einer Schulungsbescheinigung sind. Diese sind auch erforderlich, wenn ausschließlich nach der Kleinmengenregelung befördert wird.

Das Fehlen von Schulungsbescheinigungen ist eine Ordnungswidrigkeit und kann deshalb mit einem Bußgeld belegt werden.

Gefahrgutbeauftragte können die Schulungen der Beauftragten oder sonstigen verantwortlichen Personen durchführen und darüber eine Bescheinigung ausstellen.

- Werden in einem Unternehmen Gefahrgüter nur im Rahmen der Kleinmengenregelung oder in zusammengesetzten Verpackungen entsprechend den "a-Randnummern" oder nach Ausnahme Nr. 9 "Freistellung kleinster Mengen bestimmter Güter" befördert, so ist das Unternehmen von der Bestellung eines Gefahrgutbeauftragten befreit.

- Der Schulungsnachweis der Gefahrgutbeauftragten gilt fünf Jahre, vom Tag der bestandenen Prüfung ab. Die Geltungsdauer wird um weitere fünf Jahre verlängert, wenn der Gefahrgutbeauftragte innerhalb der letzten zwölf Monate vor Ablauf der Geltungsdauer eine Fortbildungsschulung absolviert oder eine Gefahrgutprüfung bestanden hat.

Zielsetzung dieses Artikels

Es ist weiterhin dringend anzuraten, bei der Stückgutbeförderung gefährlicher Güter mit Fahrzeugen der Bauwirtschaft die sog. Kleinmengenregelungen anzuwenden.

Da die Höchstmengen erleichterter Beförderung durch das ADR 99 größer sind als sie es in der Vergangenheit waren, wird es nun einfacher sein als bisher, die Kleinmengen einzuhalten. So sollen in diesem Aufsatz vorrangig die Regelungen für die Beförderung begrenzter oder freigestellter Mengen vorgestellt werden.

Es wird der Versuch unternommen, die wesentlichen gefahrgutrechtlichen Vorschriften allgemeinverständlich - ohne Regelwerkzitate - darzustellen. Allerdings sind Hinweise auf Vorschriften dann nicht überflüssig, wenn Quellen angesprochen werden, die in Zusammenhang mit Gefahrguttransporten zum Sprachgebrauch gehören: Z.B. ist die Randnummer (Rn. = Abschnitt) 10011 der Anlage B zum ADR das Synonym für die Angaben zu den Höchstmengen erleichterter Beförderung.

Diese Abhandlung ist nicht als Leitfaden für gefahrgutrechtliche Schulungen (i.S. der Gefahrgutbeauftragtenverordnung) der Beauftragten und sonstigen verantwortlichen Personen im Betrieb geeignet; sie kann bestenfalls den Anreiz schaffen, derartige Schulungen für den betreffenden Personenkreis zu organisieren.

Verantwortlichkeiten

In der Bauwirtschaft haben üblicherweise vier Personengruppen die Verpflichtungen zur Einhaltung der Vorschriften der GGVS und des ADR.

Der Unternehmer nimmt dabei eine herausragende Stellung ein: Nach dem Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter hat er die grundsätzliche Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, daß in seinem Betrieb die gefahrgutrechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Einen großen Teil seiner Verpflichtungen in Zusammenhang mit der Beförderung gefährlicher Güter, kann der Unternehmer auf betriebliche Führungskräfte bzw. auf betriebliches Fachpersonal übertragen. Seiner Aufsichtspflicht muß er auf jeden Fall genügen. Andernfalls könnte ihm unter Umständen ein Organisationsverschulden vorgeworfen werden.

So muß der Unternehmer, die von ihm beauftragten Personen, für ihre Aufgaben entsprechend schulen oder schulen lassen und dafür sorgen, daß ihnen Bescheinigungen über die Schulungen ausgestellt und ausgehändigt werden. Ferner muß er die Fahrzeugführer, die gefährliche Güter - auch in kleinen Mengen - transportieren sollen, für ihre Aufgaben zutreffend schulen lassen, Schulungsbescheinigungen ausstellen lassen und an die Fahrzeugführer aushändigen.

Soweit erforderlich, muß er Fahrzeugführer durch die besondere Ausbildung (Gefahrgutführerschein) für Gefahrguttransporte befähigen lassen.

Der Unternehmer muß einen Gefahrgutbeauftragten bestellen, wenn er nicht ausschließlich Kleinmengenbeförderungen in seinem Unternehmen durchführen läßt, und jährlich mehr als 50 t gefährlicher Güter (Netto) im Rahmen des Betriebes befördert werden. Gefahrgutbeauftragte haben darauf hinzuwirken, daß die gefahrgutrechtlichen Vorschriften im Betrieb eingehalten werden.

Gefahrgutbeauftragter kann der Unternehmer, ein Betriebsangehöriger oder eine betriebsfremde Person sein. Siehe dazu die Ausführungen des Abschnittes "Neue Gefahrgutbeauftragtenverordnung".

§ 9 GGVS führt die Pflichten der verschiedenen Personengruppen detailliert auf. Sie hängen im wesentlichen mit der Beachtung der Anlagen A und B des ADR zusammen:

Unternehmer / Fahrzeughalter

Über die oben angeführten Verpflichtungen hinaus, ist der Unternehmer für die Beschaffenheit und die Ausrüstung der Fahrzeuge seines Unternehmens, mit denen gefährliche Güter befördert werden, verantwortlich. Dazu gehören z.B.:

- Belüftungseinrichtungen geschlossener Fahrzeuge für die Beförderung von brennbaren Gasen;

- Ausrüstung der Fahrzeuge - falls erforderlich - mit Warntafeln, Kennzeichnungen und Gefahrzetteln;

- Ausrüstung der Fahrzeuge mit Feuerlöschern und der vorgeschriebenen sonstigen Ausrüstung.

Absender

Das sind alle Personen, die gefährliche Güter zur Beförderung aufgeben. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Güter mit eigenen oder fremden Fahrzeugen transportiert werden sollen. In der Bauwirtschaft können das z.B. sein: Der Unternehmer, der Disponent, der Bauleiter, der Polier oder Vorarbeiter auf der Baustelle. Die Verantwortlichkeiten für diese Personen sind z.B.:

- Hinweise auf die Gefährlichkeit der Güter geben (evtl. Unfallmerkblätter zur Kenntnis geben);

- Begleitpapiere dem Fahrzeugführer übergeben;

- Kopien von Ausnahmen mitgeben.

Verlader

Im Baubetrieb sind das im allgemeinen: Disponenten, Poliere auf der Baustelle, evtl. die Fahrzeugführer selbst, die gefährliche Güter auf Fahrzeuge laden. Sie müssen z.B. folgende Vorschriften beachten:

- Hinweise an den Fahrzeugführer auf die Gefährlichkeit der Güter geben (evtl. Unfallmerkblätter zur Kenntnis geben);

- Vorschriften für das Zusammenladen und die Ladungssicherung beachten;

- Versandstücke auf Dichtheit und Beschädigung prüfen und evtl. Mängel beseitigen;

- dafür Sorge tragen, daß Begleitpapiere an den Fahrzeugführer ausgehändigt werden.

Fahrzeugführer

Die Fahrzeugführer haben die Verkehrssicherheit zu gewährleisten und die für sie einschlägigen Vorschriften der Gefahrgutbeförderung zu beachten. Verkehrssicherheit ist dann gegeben, wenn die Ladung so auf dem Fahrzeug verstaut wird, daß sie den allgemeinen Anforderungen des Straßenverkehrs genügt und auch z.B. bei einer Vollbremsung nicht verrutscht. Gefahrgutrechtlich müssen sie u.a. folgendes durchführen:

- Zusammenladeverbote beachten;

- beschädigte Versandstücke nicht auf das Fahrzeug laden (lassen);

- Dichtheit der Verschlüsse prüfen;

- bei Überschreitung der Kleinmengen Feuerlöscher und sonstige Ausrüstungsgegenstände mitführen;

- bei Bedarf Warntafeln sichtbar machen bzw. verdecken;

- Schulungen, über die für ihren Aufgabenbereich maßgebenden Vorschriften absolvieren und sich Bescheinigung darüber aushändigen lassen;

- im Bedarfsfall besondere Ausbildung für Gefahrgutbeförderung (Gefahrgutführerschein) absolvieren;

- für evtl. Kontrollen alle notwendigen Begleitpapiere mitführen

Pflichtverletzungen, die der Unternehmer, seine beauftragten Personen oder/und die Fahrzeugführer zu verantworten haben, können als Ordnungswidrigkeiten mit Bußgeldern für die betreffenden Personen geahndet werden.

In der RS 002 - GGVS-Durchführungsrichtlinien - ist ein Bußgeldkatalog abgedruckt. Die Bußgelder als Folge von GGVS-Verstößen sind erheblich höher, als die Bußgelder gegen die Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO).

Bild 1: IBC-Baustellentankstelle mit 800 Liter Fassungsvermögen.

Gefährliche Güter der Bauwirtschaft

Für die Bauwirtschaft sind folgende Güter in der Reihenfolge der Klassen-Nummern zu betrachten:

Radioaktive Stoffe, Klasse 7, werden hier nicht erwähnt, weil sie nur in sehr seltenen Sonderfällen von besonders ausgebildeten Fachleuten befördert werden.

Bild 2: Codierung eines bauartzugelassenen Feinstblechkanisters.

Verpackungen

Mit dem Begriff "Verpackungen" sind im Bereich der Beförderung gefährlicher Güter alle Behältnisse wie z.B. Kartons, Feinstblecheimer, Dosen, Kanister, Fässer u.a. bezeichnet, in denen die gefährlichen Güter während des Transportes enthalten sind.

Ferner gibt es Großpackmittel (IBC). Die Abkürzung IBC steht für den englischen Begriff "Intermediate Bulk Container". Sie sind im Fassungsraum auf höchstens 3,0 Kubikmeter festgelegt. Ob es sich bei einem größeren Behälter um ein IBC handelt, ist u.a. dem Typenschild zu entnehmen. In der Bauwirtschaft sind IBC-Baustellentankstellen gebräuchlich (Bild 1).

Verpackungen und Großpackmittel gelten nur dann als transportsicher, wenn sie bauartgeprüft und -zugelassen sind. Die Bauartprüfung und -zulassung erkennt man an der Kodierung der Verpackung, die aus verschiedenen Elementen zusammengesetzt ist. Voran steht immer das Symbol Z, das auch durch das Symbol "ADR" bzw. "RID/ADR" und bei Metallverpackungen durch die Buchstaben "UN" ersetzt werden kann (Bild 2).

Bild 3: Der Karton mit ADR-Aufschrift ist die Außen- und die Farbspraydose die Innenverpackung des Farbsprays.

Transport von Innenverpackungen

Viele Gefahrgüter der Bauwirtschaft werden in sog. zusammengesetzten Verpackungen transportiert. Diese bestehen aus einer Innen- und einer Außenverpackung. So ist bei einem Karton mit Farbspraydosen der Karton die Außenverpackung und die Farbspraydosen sind die Innenverpackung (Bild 3). Die ADR-Aufschrift befindet sich ausschließlich auf der Außenverpackung. Die Innenverpackung ist üblicherweise nicht bauartgeprüft und die ordnungsgemäße Beschriftung und Bezettelung fehlt. Eine derartige Verpackung darf nicht ohne weiteres transportiert werden.

Es besteht aber die Möglichkeit, Innenverpackungen in einer Außenverpackung zu befördern, auch wenn diese nicht vollständig mit Innenverpackungen befüllt ist. Die Hohlräume müssen dann mit geeignetem Material aufgefüllt werden, und die Außenverpackung muß verschlossen sein.

Nur wenn sehr geringe Mengen Gefahrgüter transportiert werden, können Innenverpackungen auch ohne Außenverpackung transportiert werden. Die Bedingungen für diese Transporte werden im Abschnitt "Transport kleinster Mengen bestimmter Güter" beschrieben.

Bild 4: Feinstblechkanister mit Gefahrzettel der Klasse 3 und der UN-Nummer 1133 (Klebstoff).

Aufschriften und Gefahrzettel

Versandstücke sind deutlich und dauerhaft mit den Kennzeichnungsnummern und der Stoffbezeichnung der Güter zu beschriften, die in ihnen befördert werden. Der Kennzeichnungsnummer sind die Buchstaben "UN" voranzustellen.

Alle Versandstücke müssen mit Gefahrzetteln versehen sein. Gefahrzettel sind Aufkleber in der Form auf die Spitze gestellter Quadrate mit bestimmten, den Gefahrgütern zugeordneten Gefahrensymbolen. Die Gefahrzettel müssen deutlich sichtbar auf den Versandstücken angebracht sein (Bild 4). Versandstücke sind Außenverpackungen und alle Gefäße, die ohne Außenverpackung befördert werden.


* Dr. rer. nat. Klaus Kersting GISBAU, Frankfurt
Dipl.-Ing. Kurt Kaphun Tiefbau-Berufsgenossenschaft, Stuttgart


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