IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 22/1999, Seite 75 ff.



Marktentwicklung soll vorangetrieben werden

Erdgasfahrzeuge auf dem Vormarsch

Dipl.-Ing. Guido Wember*

Weltweit rollen rund eine Million Erdgasfahrzeuge über die Straßen. Nur ein kleiner Teil davon - zur Zeit etwa 5000 - fährt in Deutschland. Das soll sich ändern: In den nächsten Jahren will die Gaswirtschaft mit Unterstützung der Automobilindustrie und der Mineralölwirtschaft die breite Markteinführung von Erdgasautos verstärkt in Angriff nehmen.

Dazu gehört eine entsprechende Auswahl an Fahrzeugen und ein gut ausgebautes Tankstellennetz. Nicht nur aus ökologischer Sicht, sondern auch ökonomisch stellt der Erdgasantrieb eine interessante Alternative zu konventionellen Kraftstoffen dar. Günstige steuerliche Rahmenbedingungen und verschiedene Förderprogramme unterstützen die Marktoffensive.

Fords Kleinster - der KA - ist wie andere Fahrzeuge des Kölner Automobilherstellers auch mit bivalentem Antrieb zu haben.
Foto: Ford

Nach Auffassung vieler Fachleute ist Erdgas heute die einzige realistische Antriebsalternative für Kraftfahrzeuge. Im Gegensatz zu anderen alternativen Konzepten (wie Brennstoffzellen-, Elektro- oder Wasserstoffauto) steht hier bereits eine ausgereifte und erprobte Technik zur Verfügung, die den Schadstoffausstoß von Fahrzeugen deutlich vermindern kann.

Das sieht auch die Bundesregierung so. Sie beschloß im Rahmen der ersten Stufe der ökologischen Steuerreform, die befristete Steuervergünstigung für Erdgas als Kraftstoff bis Ende 2009 zu verlängern. Das ist ein entscheidendes Signal für die Erschließung des Marktes. Die Gaswirtschaft rechnet damit, daß durch die verstärkten Bemühungen in 15 Jahren bis zu 400.000 Erdgasfahrzeuge über die Straßen Deutschlands fahren können.

Fiat Multipla Bipower mit Unterfluranordnung der Erdgastanks.

Gut geeignet für kurze Wege

Besonders interessant ist der Erdgaseinsatz bei sogenannten Flottenfahrzeugen im Personen- und Güternahverkehr. Zum Beispiel bei Servicefahrzeugen von Energieversorgungsunternehmen und Handwerksbetrieben, in Omnibussen, Taxen oder kommunalen Nutzfahrzeugen, bei Paketdiensten und Postfahrzeugen.

Untersuchungen haben ergeben, daß sich hier der weitaus größte Teil aller Fahrten in einem Umkreis von 100 Kilometern bewegt. Außerdem benötigen Flotten- und Servicefahrzeuge durch ihren begrenzten Aktionsradius kein flächendeckendes Tankstellennetz: Die Tagesfahrleistung liegt in der Regel deutlich unter der Reichweite einer Erdgastankfüllung.

Der VW Caddy mit Erdgasantrieb ist besonders für Handwerksbetriebe mit Kundendienstabteilungen interessant.

Doch das Netz der Erdgastankstellen wird zunehmend dichter, vor allem in Ballungsgebieten. Zur Zeit kann man an über 115 öffentlich zugänglichen Tankstellen Erdgas aus der Säule zapfen. Sie befinden sich derzeit überwiegend auf dem Gelände von Gasversorgungsunternehmen oder kommunalen Einrichtungen. In den nächsten Jahren soll sich diese Zahl durch verstärkte Einrichtung von Erdgaszapfsäulen an öffentlichen Stationen von Mineralölunternehmen auf etwa 300 erhöhen.

Tabelle 1: Kostenvergleich für den Renault Kangoo

Preisbeispiel
(Stand: September 1999):

Benzin:

1,81 DM/l

   

Diesel:

1,33 DM/l

   

Erdgas:

1,02 DM/kg

   

Kraftstoff

Einheit

kWh/Einheit

Preis/kWh

Benzin

l

8,77

20,64 Pf

Diesel

l

9,86

13,49 Pf

Erdgas

kg

13,16*

7,75 Pf

* Diesem Wert liegt eine bestimmte Erdgasbeschaffenheit zugrunde.

Günstige Betriebskosten

Dank des reduzierten Mineralölsteuersatzes ist Erdgas als Kraftstoff im Durchschnitt um mehr als 30 Prozent günstiger als Diesel, im Vergleich zu Benzin sogar um mehr als 50 Prozent. Ein direkter Preisvergleich mit einem Liter Flüssigkraftstoff ist anhand der üblichen Preisangaben an den Tankstellen (Erdgaspreise werden in Kilogramm angegeben) nicht ohne weiteres möglich, da der Energieinhalt bei einem Kilogramm Erdgas um etwas mehr als 30 Prozent höher ist als bei einem Liter Diesel bzw. um mehr als 40 Prozent höher als bei einem Liter Superbenzin.

Auf Basis des Energieinhalts läßt sich errechnen, wieviel "ein Liter" Erdgaskraftstoff kostet (siehe Kasten 1). In dem vorgestellten Beispiel ergibt sich ein vergleichbarer Benzinpreis von etwa 68 Pf/l und ein Dieselpreis von etwa 0,76 Pf/l.

Der bivalent betriebene Erdgas-Kangoo bietet jede Menge Platz.
Foto: Auto Service Busse

An den Kosten sollte es nicht scheitern

Die Umrüst- bzw. Mehrkosten für ein seriengefertigtes Erdgasfahrzeug liegen zwischen 2500 und 9000 Mark für Pkw sowie zwischen 7000 und 14.000 Mark für Kleintransporter oder Transporter. Diese Mehrkosten bei der Anschaffung können sich durch die günstigen Betriebskosten - je nach Fahrleistung - bereits in relativ kurzer Zeit amortisieren.

Darüber hinaus gibt es in vielen Regionen für Betreiber von Erdgasfahrzeugen Förderangebote der Gaswirtschaft. Auch die Bundesregierung hat für einige Modellregionen Förderprogramme aufgelegt. Die Zuschüsse bewegen sich je nach Fahrzeugtyp in Größenordnungen von 1500 bis 7000 Mark. Hier kann ein Anruf beim zuständigen Gasversorgungsunternehmen bares Geld bedeuten.

Der Sprinter von Mercedes ist auch mit Erdgasantrieb lieferbar.
Foto: Daimler-Chrysler

Da sich Erdgasfahrzeuge grundsätzlich nicht von ihren benzinbetriebenen Verwandten unterscheiden, ist auch der Wartungsaufwand vergleichbar. Überdies kann man Erdgasfahrzeuge vielfach schon über die Hersteller oder über unabhängige Firmen leasen, zum Beispiel die Deutsche Erdgas-Auto-Leasing GmbH, Bad Homburg.

Zunehmendes Angebot an Erdgasfahrzeugen

Einige Automobilhersteller bieten heute Erdgasmodelle ab Werk oder werksnah umgerüstete Fahrzeuge an. Darüber hinaus ist eine wachsende Zahl von Fachwerkstätten am Markt vertreten, die Einzelumrüstungen von Pkw und Kleintransportern verschiedener Marken vornehmen.

BMW brachte bereits 1995 erste Serienautos mit bivalentem Erdgasbetrieb auf den Markt. Heute gibt’s in Deutschland im Pkw- und Transporterbereich seriengefertigte Erdgasautos von Mercedes-Benz (Sprinter), Honda (Civic), Fiat (Marea) und Volvo (V70). Ford und VW bieten über lizensierte Werkstätten verschiedene Modelle mit Erdgasantrieb an.

Und die Entwicklung geht weiter. Fiat stellte auf der diesjährigen Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt den Sechssitzer Multipla mit Erdgasmotor vor, bei dem die Gastanks unterflur (also ohne Einschränkung des Koffer- bzw. Laderaumes) installiert sind. Volvo hat mit dem S80 ebenfalls ein Erdgasfahrzeug mit Unterfluranordnung der Gastanks entwickelt, welches vermutlich Ende 2000 verfügbar ist.

Besonders interessant für Handwerks- und Servicebetriebe sind die erdgasbetriebenen Kleintransporter von Ford (Transit), Mercedes Benz (Sprinter) und VW (T4). Ebenfalls eine Menge Platz bieten unter anderem der Fiesta Courier von Ford, der VW Caddy oder der Renault Kangoo.

Vorteilhaft für die Umwelt - und fürs eigene Image

Fahrzeuge mit dem "alternativen" Kraftstoff Erdgas fahren sehr umweltverträglich. Im Vergleich mit konventionellen Antrieben verringert sich der Ausstoß aller Schadstoffe erheblich: 80 Prozent weniger Stickoxide und Kohlenmonoxid, praktisch keine Emissionen von Schwefel und Ruß. Die Bildung von bodennahem Ozon (Sommersmog) läßt sich gegenüber konventionellen Antrieben um rund 80 Prozent reduzieren. Bei Sommersmog-Fahrverboten müssen Besitzer von Erdgasautos nicht fürchten, ihr Fahrzeug möglicherweise in der Garage stehen lassen zu müssen.

Diese ökologischen Vorteile lassen sich auch für das eigene Image nutzen. Unternehmen, die Erdgasfahrzeuge einsetzen, zeigen: Wir tun etwas für die Umwelt und haben keine Scheu vor neuen Techniken. Das kommt in der Öffentlichkeit gut an.

Bivalent oder monovalent?

Erdgas hat den großen Vorteil, daß es in herkömmlichen Ottomotoren einsetzbar ist. Bei den bisher ausgelieferten Pkw und Kleintransportern handelt es sich größtenteils um Benzinfahrzeuge, die man auf Erdgasantrieb umgerüstet hat. Sie werden bivalent betrieben, man kann also jederzeit von Gas- auf Benzinbetrieb umschalten.

Allerdings nutzen die umgerüsteten Motoren die spezifischen Vorteile des Erdgases hinsichtlich der möglichen Umweltentlastung und der Energieausnutzung nicht voll aus. Das können nur Motoren, die ausschließlich für Erdgas konzipiert sind (monovalenter Betrieb). Deshalb sollte der Trend bei zunehmender Tankstellendichte eindeutig zur Entwicklung monovalenter Erdgasfahrzeuge gehen.

Wer daran interessiert ist, ein Erdgasfahrzeug zu erwerben, oder eine ausführliche Beratung zu diesem Thema wünscht, sollte sich an sein lokales Gasversorgungsunternehmen wenden. Aktuelle Informationen zum Thema Erdgasfahrzeuge (Tankstellen, Fördermöglichkeiten und vieles mehr) gibt’s auch im Internet unter http://www.erdgasfahrzeuge.de

Der Gastank - eine sichere Angelegenheit

Als Erdgastank in Fahrzeugen werden Stahlflaschen oder wesentlich leichtere Flaschen aus Verbundstoffen verwendet. Der Tank läßt sich innerhalb des Fahrzeugs (beispielsweise hinter der Rückbank), außerhalb - zum Beispiel auf dem Dach wie bei Niederflurbussen - oder in Unterfluranordnung anbringen.

Für die Gastanks gilt generell: unabhängig vom verwendeten Material erfüllen sie die höchsten Sicherheitsanforderungen.

  • Der sogenannte Berstdruck liegt bei bis zu 600 bar.
  • Sicherheitsventile riegeln die Gaszufuhr sofort ab, wenn das Gas ungewollt austritt - z.B. durch Beschädigung der Gasleitung.
  • Bei einem Brand wird das Erdgas aus dem Gastank über eine Schmelzsicherung kontrolliert ausgeblasen - und verflüchtigt sich, da es leichter ist als Luft (im Gegensatz zu Flüssiggas).

Außerdem: Das Parken von Erdgasfahrzeugen in öffentlichen Tiefgaragen und Parkhäusern ist nach den Garagenverordnungen in allen Bundesländern erlaubt, die Verbote beziehen sich auf Flüssiggas.


* Dipl.-Ing. Guido Wember, Projektberatung "Erdgaseinsatz im Verkehrssektor", Ruhrgas Aktiengesellschaft, Essen


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