IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 5/1999, Seite 38 ff.


SANITÄR-/HEIZUNGSTECHNIK


Von der Heizenergie zum Multitalent

Option mit guten Zukunftschancen: Das erdgasvollversorgte Haus

Kaminöfen werden immer beliebter. Sie sind auch in Gasausführungen lieferbar. Vorteil: Die Flamme läßt sich regulieren und startet auf Knopfdruck. Außerdem entstehen bei der Verbrennung — anders bei Festbrennstoffen — praktisch keine Rückstände. (Bild: HKI)

Dipl.-Ing. Heinz-Dieter Corsten*

Erdgas, seit einigen Jahren in Deutschland die Nummer eins bei der Gebäudebeheizung, wird seit jeher nicht nur für die Erzeugung von Raumwärme eingesetzt, sondern auch für andere Zwecke — im Haushaltsbereich vor allem für die Warmwasserbereitung und in der Küche. Angesichts des abnehmenden Heizwärmebedarfs gewinnt die Vielseitigkeit dieser Energie neue Dimensionen. Neue geräte- und installationstechnische Entwicklungen können die Erdgasanwendung im Haushalt erweitern. Dadurch lassen sich Absatzpotentiale nutzen, die bisher entweder eine Domäne der Wettbewerbsenergien waren oder nur untergeordnete Bedeutung hatten. Das erdgasvollversorgte Haus ist zwar noch Zukunftsmusik, rückt aber Schritt für Schritt näher. Daraus ergeben sich auch für das installierende Handwerk interessante Optionen.

Der Begriff der Erdgasvollversorgung ist nicht neu. Bisher verstand man darunter aber vor allem eine günstige Tarifvariante, die Gasversorgungsunternehmen ihren Kunden offerieren, wenn diese Erdgas nicht nur zum Heizen, sondern auch zum Warmwasserbereiten und Kochen einsetzen.

Wenn heute dagegen vom erdgasvollversorgten Haus der Zukunft gesprochen wird, ist etwas anderes gemeint: die Ausdehnung des Erdgaseinsatzes im Haushalt auf neue oder bisher kaum genutzte Verbrauchssektoren — bis hin zu einer Maximallösung, die den gesamten Strom- und Wärmebedarf des Gebäudes ausschließlich auf Erdgasbasis deckt und auch den Pkw mit Kraftstoff versorgt.

Häusliche Wärmeversorgung verändert sich

Hintergrund dieser Entwicklung sind die strukturellen Veränderungen des häuslichen Energieverbrauchs. Zum einen sorgen staatliche Auflagen im Interesse des Umwelt- und Klimaschutzes dafür, daß der zulässige Heizwärmebedarf immer weiter zurückgeht. Zum anderen ermöglicht die moderne Gerätetechnik heute eine wesentlich effizientere Energienutzung und deutlich höhere Wirkungsgrade bei der Wärmeerzeugung. Das führt zu niedrigeren Verbrauchszahlen und verschiebt zugleich die Anteile der einzelnen Verbrauchssektoren.

Die Struktur des häuslichen Energieverbrauchs verändert sich. Der Anteil des Heizenergieverbrauchs geht immer weiter zurück, die Bedeutung der Warmwasserbereitung als Verbrauchsfaktor wächst. (Bild: ASUE)

Diese Entwicklungen haben in den letzten Jahren umfassende Diskussionen ausgelöst, welche Geräte und Systeme — und damit auch welche Energie — künftig für die Wärmeversorgung im Haushalt sinnvoll sind. Diese Frage ist nicht nur für die Energieanbieter wichtig. Sie berührt auch die Interessen des installierenden Fachhandwerks, da beispielsweise Elektrosysteme für die Heizung und Warmwasserbereitung in der Regel nicht von Betrieben der SHK-Branche eingebaut und gewartet werden.

Neue Angebote für die Kunden

In Zusammenarbeit mit der Geräteindustrie sucht die Gaswirtschaft in den letzten Jahren verstärkt nach Antworten auf den skizzierten Trend. Zum einen kommt es darauf an, dem Verbraucher deutlich zu machen: Auch unter den veränderten Rahmenbedingungen bietet die Gasgerätetechnik wirtschaftliche Lösungen für die häusliche Wärmeversorgung, die gleichzeitig ökologisch, bauphysikalisch und im Blick auf den Gebrauchskomfort überzeugen. Ein Stichwort: Gas-Brennwerttechnik in Kombination mit Solaranlagen.

Erdgas bietet viele Ansatzpunkte für neue Anwendungsmöglichkeiten im Haushalt.

Zum anderen werden neue Angebote für die häusliche Erdgasanwendung entwickelt oder bereits vorhandene — aber bisher wenig beachtete — Optionen stärker in das Blickfeld des Verbrauchers gerückt, die den Gashausanschluß aufwerten. Daraus können sich auch für den SHK-Fachbetrieb neue Geschäftsfelder entwickeln: Jede zusätzliche Erdgasanwendung im Haus erfordert ein Gerät und die entsprechende Installation. Zugleich kann der Betrieb durch diese Angebotsausweitung dem Kunden einen attraktiven Zusatznutzen offerieren und seine Ausrichtung als serviceorientierter Dienstleister unterstreichen.

Auf dem Weg zur Erdgasvollversorgung

Schon heute lassen sich Geschirrspüler und Waschmaschine direkt an die zentrale Erdgas-Warmwasserversorgung anschließen. Dadurch reduziert sich der Energieeinsatz für das Aufheizen des Wassers in den Geräten deutlich. Das macht diese Lösung auch wirtschaftlich interessant. Dies gilt vor allem bei Spülmaschinen, die sich in der Regel ohne zusätzlichen Aufwand an die zentrale Warmwasserversorgung anschließen lassen. Waschmaschinen benötigen dagegen einen getrennten Kalt- und Warmwasseranschluß. Ist dieser nicht vorhanden, kann man ein vor dem Zulaufschlauch installiertes Vorschaltgerät verwenden, welches Warm- und Kaltwasser aus der Leitung selbsttätig auf die richtige Temperatur mischt.

Im gewerblichen Bereich sind Erdgas-Wäschetrockner seit langem üblich. Vor rund einem Jahr hat die Firma Miele einen erdgasbeheizten Wäschetrockner für den Haushalt auf den Markt gebracht. Er benötigt im Vergleich zu einem baugleichen Stromgerät rund 40% weniger Primärenergie. Die Betriebskosten fallen dadurch etwa 60% niedriger aus, die Trocknungszeit verringert sich um rund 40%. Durch den Betrieb eines Gastrockners wird im Vergleich zum Elektrogerät außerdem nur rund die Hälfte des Treibhausgases Kohlendioxid freigesetzt.

Die Aufstellung dieser Geräte ist in einer Ergänzung zur DVGW-TRGI ’86/96 geregelt worden (Abschnitt 5.8). Auch die Baubehörden der Länder haben sich auf praxisgerechte Aufstellbedingungen geeinigt. Erdgas-Wäschetrockner dürfen jetzt wie ihre Stromverwandten ihre Abluft durch die Außenwand ins Freie ableiten. Voraussetzung: Die Geräte müssen nach EU-Recht geprüft sein und das CE-Zeichen tragen.

Flexible Leitungen liefern Erdgas aus der Steckdose

Auf den ersten Blick noch etwas exotisch wirken erdgasbetriebene Geräte wie der Gartengrill, die Heimsauna oder der Infrarotstrahler für die Terrasse. Sie sind jedoch technisch ausgereift und auf dem Markt erhältlich. Allerdings werden die Verbraucher solche Anwendungen nur dann in breitem Umfang akzeptieren, wenn die Kosten für die Gasinneninstallation gesenkt werden können.

Wäsche läßt sich auch mit Hilfe von Erdgas trocknen. (Bild: Miele)

Wie sich Herd, Wäschetrockner, Gasgrill und Heizstrahler schnell und preiswert an das Gasnetz anschließen lassen, zeigt ein Blick über die Grenzen. In Japan, USA und den Niederlanden kann man in vielen Häusern auch Erdgas in jedem Raum ganz einfach aus der Dose "zapfen". In Deutschland scheiterte solch ein System bisher an der Handhabbarkeit der Anschlußtechnik und den Kosten. Zwar gibt es hier für den Gasherd mit der Gassteckdose und dem flexiblen Gassicherheitsschlauch ein ähnliches System, aber die Rohrleitungen in der Wand sind immer noch aus Metall und müssen relativ aufwendig installiert werden.

Daß es auch anders geht, soll ein Pilotprojekt zeigen, das die Stadtwerke Solingen, die Ruhrgas AG und das SHK-Fachhandwerk gemeinsam durchführen. In einem Zwölf-Familien-Haus, das sich zur Zeit im Bau befindet, sollen neue, kostensparende Lösungen der Gasinstallation genutzt und auf ihre Praxistauglichkeit untersucht werden.

Zum Einsatz kommen dabei flexible Leitungsmaterialien aus Kunststoff, die man in Deutschland bereits für die Sanitärinstallation verwendet. Sie lassen sich leicht biegen und durch einen einfachen Preßvorgang verbinden. Das spart Arbeitsaufwand und damit Kosten. Weitere Kostensenkungen versprechen preiswerte Gassteckdosen aus Japan, die man ähnlich wie ihre Stromverwandten bedienen kann und die einfacher zu installieren sind als die "deutschen" Gassteckdosen.

Sicherheit ist gewährleistet

Auch für die nötige Sicherheit des neuen Systems ist gesorgt, obwohl die Kunststoffrohre den in Deutschland üblichen Hochtemperatur-Anforderungen für die Inneninstallation nicht entsprechen. Zusammen mit dem Rohrhersteller Wavin und dem Armaturenhersteller Mertik Maxitrol suchte man deshalb nach neuen Wegen.

Kostensparend und einfach zu handhaben: In Solingen werden in einem Pilotprojekt Gassteckdosen aus Japan getestet. (Bild: Ruhrgas)

Im Solinger Versuchshaus sorgen sogenannte Strömungswächter in den Leitungen für ein automatisches Unterbrechen der Gaszufuhr bei Druckabfall, beispielsweise beim versehentlichen Anbohren der Leitungen. Im Brandfall verriegeln die neuentwickelten (Dp-Regler einzelne Leitungsabschnitte, bevor Undichtigkeiten am Leitungsmaterial entstehen können. Positiver Nebeneffekt dieses Konzepts: Auch das allgemeine Sicherheitsniveau profitiert davon — der Aufwand, um an einer Gasleitung zu manipulieren, wird ungleich höher.

Lösungen für die Zukunft

Den letzten Schritt zum erdgasvollversorgten Haus der Zukunft bilden innovative Technologien wie das BHKW oder die Brennstoffzelle. Sie schaffen die Voraussetzungen für ein dezentrales Energiekonzept, bei dem der gesamte Strom- und Wärmebedarf eines Hauses ausschließlich auf Erdgasbasis gedeckt wird. Die Vorteile dieser Option liegen vor allem im hohen Wirkungsgrad und den niedrigen Emissionen.

Solche Lösungen klingen noch sehr utopisch. Die technischen Voraussetzungen sind jedoch schon heute gegeben. Bereits als Serienprodukt auf dem Markt sind kleine erdgasbetriebene Blockheizkraftwerke. Die SenerTec Heiz-Kraft-Anlage (HKA) hat eine elektrische Leistung von 5,5 kW und eine thermische Leistung von 12,5 kW. Der Motor treibt einen wassergekühlten Asynchron-Generator an. Die bei der Stromerzeugung entstehende Wärme wird über Wärmeaustauscher dem Heiz- und/oder Warmwassersystem zugeführt. Der Einsatz des kompakten Aggregats (720 x 1000 x 1060 mm) empfiehlt sich nach Angaben des Herstellers dort, wo der Wärmebedarf ganzjährig mindestens 10 kW beträgt und der Eigenbedarf an Strom höher als 4 kW liegt, also beispielsweise in Mehrfamilienhäusern ab sechs Wohneinheiten.

Erdgas als Wasserstofflieferant

Noch einen Schritt weiter im Blick auf Energienutzung und Emissionsminderung geht die Brennstoffzelle. Während Blockheizkraftwerke auf dem Weg über Wärme und mechanische Energie Strom erzeugen, wandelt die Brennstoffzelle chemisch gebundene Energie direkt in andere Energieformen um. Das Funktionsprinzip ähnelt dem einer Batterie und basiert auf der Umkehrung der Elektrolyse: Durch Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff wird elektrischer Strom erzeugt. Dabei fällt gleichzeitig Wärme an.

Gas-Infrarotstrahler sind in Gewerbe und Industrie schon weit verbreitet. Für den Einsatz auf Terrassen oder ähnlichem sind spezielle Bauformen entwickelt worden, die nach dem gleichen Prinzip arbeiten. (Bild: Ruhrgas)

Brennstoffzellen benötigen Wasserstoff als Brenngas. Da größere Mengen reinen Wasserstoffs bisher noch nicht wirtschaftlich hergestellt werden können, wird in der Regel mit Hilfe eines sogenannten Reformers aus Erdgas ein wasserstoffreiches Gas gewonnen. Verglichen mit herkömmlichen Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung haben Brennstoffzellenanlagen einen deutlich höheren elektrischen Wirkungsgrad und geringere (bzw. fast vernachlässigbare) Emissionen. Auch die Geräuschentwicklung ist sehr gering.

Brennstoffzellen gelten als eine der wichtigsten Optionen für die Energieversorgung der Zukunft. Bisher wurden vor allem in Großanlagen Praxiserfahrungen mit verschiedenen Zellentypen gesammelt. Im März 1999 hat die Verbundnetz Gas AG, der größte ostdeutsche Ferngasversorger, in der Nähe von Leipzig die weltweit erste Brennstoffzellen-Energieanlage für ein Einfamilienhaus in Betrieb genommen. Sie wurde in den USA hergestellt und stellt bis zu 8 kW für die Raumheizung und Warmwasserbereitung bereit. Die elektrische Dauerleistung von ca. 3 kW kann bei Spitzenlastanforderungen kurzzeitig gesteigert werden.

Der Test soll Grundlagen liefern, die die Entwicklung marktreifer Brennstoffzellen-Energieanlagen auf Erdgasbasis in den nächsten fünf Jahren ermöglichen. Auch die Geräteindustrie befaßt sich derzeit intensiv mit diesem Thema.

Gemeinsames Aktionsfeld

Fazit: Der Trend zum erdgasvollversorgten Haus ist eine Möglichkeit, in partnerschaftlicher Übereinstimmung interessante neue Geschäftsfelder zu entwickeln. Über den Erdgasanschluß können Gasversorger und SHK-Fachbetrieb dem gemeinsamen Kunden attraktiven Zusatznutzen und innovative Lösungen für die häusliche Wärmeversorgung liefern.

Die Gassteckdose in der Küche, im Hauswirtschaftsraum, auf der Terrasse, in der Garage sollte selbstverständlich werden. Auch innovative technische Lösungen wie Klein-BHKW und Brennstoffzelle können künftig, bei entsprechender Akzeptanz am Markt, die Angebotspalette der SHK-Fachbetriebe durchaus sinnvoll erweitern. Das erdgasvollversorgte Haus ist zwar noch Zukunftsmusik, aber es rückt allmählich in greifbare Nähe — als Lösung, die ökonomisch und ökologisch, bauphysikalisch und raumklimatisch überzeugt.


* Dipl.-Ing Heinz-Dieter Corsten, Referenzleiter Gerätemarketing Ruhrgas KG, Essen.


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