IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 21/1999, Seite 71 ff.


INTERVIEW


Im Dienste des Handwerks

Helmut Mahr: 33 Jahre erfolgreiche Verbandsarbeit

Als einer der jüngsten Verbands-Geschäftsführer aller Zeiten trat Helmut Mahr 1966 an die Spitze des bayerischen SHK-Landesverbandes. Nach 33 Jahren verläßt der erfolgreiche Verbandsfunktionär die Münchener Schaltzentrale und verabschiedet sich in den wohlverdienten Ruhestand. Unter seiner Führung entwickelte sich der mit über 5000 Mitgliedsbetrieben zweitgrößte SHK-Landesverband von einer Einmann-Show zur hochkarätigen Dienstleistungszentrale.

IKZ-HAUSTECHNIK: Seit 1966 hat sich in der Handwerkslandschaft viel getan. Welche Veränderungen sind aus Ihrer Sicht die wesentlichsten?

Mahr: Global betrachtet hat sich tatsächlich sehr viel verändert. Speziell die Erwartungen der Mitglieder unterliegen dem Wandel der Zeit und insofern veränderten sich natürlich auch die Aufgabenstellungen der Organisation. Aufwand und personelle Besetzung im hauptamtlichen Bereich mußten diesem Bedarf kontinuierlich angepaßt werden.

IKZ-HAUSTECHNIK: Heißt das, Sie waren zu Beginn Ihrer Dienstzeit als Einzelkämpfer aktiv?

Mahr: Als 1966 mein Dienst begann, verfügte der Fachverband über drei Mitarbeiter: eine Sekretärin, eine Halbtagskraft und den Geschäftsführer. Heute sind 20 hauptamtliche Kräfte auf der Geschäftsstelle tätig. Allein daran erkennt man schon die Entwicklung, die die Organisation in diesem Bereich genommen hat.

IKZ-HAUSTECHNIK: Ist diese Veränderung mehr auf die Erwartungen der Mitglieder oder auf die Vielfalt der Verbandsstruktur zurückzuführen?

Unter Helmut Mahr wandelte sich die bayerische Schaltzentrale der SHK-Landesorganisation von der beinahe "Einmann-Show" ...

Mahr: Beides, denn diese Punkte sind eng miteinander verzahnt. Der Erwartungshorizont der Mitglieder ist heute umfangreicher. Dieser Tatsache haben wir u.a. durch die personelle Ausweitung der Geschäftsstelle Rechnung getragen. Generell muß man festhalten, daß wir heute wesentlich mehr Dienstleistung bieten als in früheren Jahren.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie entwickelten sich die Erwartungshaltung und das Dienstleistungsangebot des Fachverbandes?

Mahr: Natürlich korrespondieren Erwartungen und Angebot miteinander. Nachdem der erste Erwartungsdruck in Richtung Technik ging, haben wir als einer der ersten Landesverbände eine technische Betriebsberatungsstelle eingerichtet, die mit einem Techniker besetzt war. Heute wird dieser Bereich von vier Technikern bearbeitet, was den gestiegenen Arbeitsumfang dokumentiert. Im Laufe der Jahre kamen dann Referate für Betriebswirtschaft, Recht und Bildung hinzu.

IKZ-HAUSTECHNIK: Trotz der von Ihnen beschriebenen Wandlung der Organisation zu einer Dienstleistungszentrale scheuen viele Unternehmer heute die Innungsmitgliedschaft. Woran liegt das nach Ihrer Meinung?

Mahr: Es gibt eine allgemeine Organisationsmüdigkeit, die wir natürlich auch zu spüren bekommen. Wir haben in den letzten zwei bis drei Jahren leicht rückläufige Mitgliederzahlen, während über viele Jahre ein kontinuierlicher Anstieg der Mitgliedsbetriebe zu verzeichnen war. Als ich meinen Dienst begonnen habe, hatten wir 3600 Mitgliedsfirmen, heute über 5000. Die wirtschaftliche Situation zwingt manchen Unternehmer dazu, aus Kostengründen Verbände zu verlassen. Da man als Handwerksunternehmer Pflichtbeiträge an die Handwerkskammer abzuführen hat, geht das am einfachsten bei der Innung.

Neben der praxisorientierten Arbeit eines Landesverbandes ist auch jede Menge Grundsatzarbeit zu leisten. Gemeint ist damit z.B. die Zusammenarbeit mit Behörden und Ministerien, bei der nicht sofort der Nutzen für den einzelnen Betrieb ersichtlich ist. Im großen und ganzen glaube ich jedoch, haben wir uns mit Erfolg bemüht, die Verbandsarbeit an den Bedürfnissen der Mitglieder und damit an der Praxis auszurichten.

IKZ-HAUSTECHNIK: In einem Flächenland wie Bayern, durchsetzt mit einigen großen Zentren wie München, Nürnberg oder Augsburg, sicher keine leichte Aufgabe. Wie verbindet man erfolgreich die unterschiedlichen Ansprüche der Mitgliedsbetriebe?

Mahr: Eine unterschiedliche Sicht der Dinge gibt es nicht nur aus regionalen Gesichtspunkten. Betriebsgröße und Tätigkeitsschwerpunkte spielen u.a. ebenfalls eine wichtige Rolle. Vor diesem Hintergrund ist es nicht immer leicht, die unterschiedlichen Interessenlagen auf einen Nenner zu bekommen. Seit langem besetzen wir daher die Verbandsgremien regional, d.h. jeder Regierungsbezirk entsendet einen Vertreter. Das reicht zwar nicht immer aus, doch solange man miteinander redet, findet man auch Lösungen. Der Verband nimmt dabei als Vermittler eine Schlüsselrolle ein.

IKZ-HAUSTECHNIK: Ein einschneidendes Ereignis in Ihrer langjährigen Verbandstätigkeit war der Mauerfall. Hat die Wende die Verbandsarbeit stark beeinflußt?

Mahr: Intern nicht. Wie Sie wissen, arbeiten wir seit der Wende eng mit dem Schwesterverband in Thüringen zusammen. 1991 haben wir einen gemeinsamen Verbandstag ausgerichtet und schon vorher eine technische Betriebsberatungsstelle beim Fachverband in Gera eingerichtet, die über fünf Jahre von einem Mitarbeiter des Fachverbandes Bayern betreut worden ist. Grundsätzlich sind wir gegenüber jedem Fachverband zu jeder Art Hilfestellung bereit gewesen und immer nocht bereit, aber wir drängen uns nicht auf.

IKZ-HAUSTECHNIK: Und extern?

Mahr: Die Arbeit für die Betriebe vor Ort, z.B. in den Regionen um Hof oder Coburg, hat sich in vielfältiger Weise geändert. Vor 1989 arbeiteten die Unternehmen in Regionen ohne Hinterland. Heute ist dieses Hinterland wieder da. Aber die Mitgliedsfirmen müssen sich mit neuen Gegebenheiten zurechtfinden. Besonders klagen die Unternehmer über die Niedrigpreis-Konkurrenz aus den Bundesländern Sachsen und Thüringen. Dieses Problem ist auch zehn Jahre nach dem Mauerfall keinesfalls befriedigend gelöst. Zudem besteht die akute Gefahr, daß die Situation sich im Laufe der nächsten Jahre, so bspw. Tschechien EU-Mitglied wird, noch deutlich verschärfen wird.

IKZ-HAUSTECHNIK: Es soll öffentliche Auftraggeber geben, die nur die Vergabe an Betriebe aus dem jeweiligen Bundesland zulassen. Gibt es so etwas in Bayern auch?

Mahr: Im Augenblick nicht. Wir kennen aber derartige Modelle, denen die bayerischen Handwerksunternehmen mit dem Rücken zur Wand gegenüberstehen. Insgesamt verschlechtern sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kontinuierlich. Wir versuchen ebenso kontinuierlich, sie zu verbessern.

IKZ-HAUSTECHNIK: Rahmenbedingungen: ein interessantes Schlagwort. Wie bewerten Sie die Auswirkungen der gegenwärtigen Bundespolitik auf das Handwerk?

Mahr: Was unseren Mitgliedsbetrieben neben einigen Sachfragen schwer zu schaffen macht, ist die Unsicherheit, die in die Politik Einzug gehalten hat. Heute hört man dies, morgen jenes und übermorgen wieder etwas anderes. Aufgrund dieser unsicheren Lage, in der zwar viel geplant, aber wenig gehandelt wird, ist eine sichere, an der Zukunft ausgerichtete Firmenplanung kaum mehr möglich. Diese Problematik macht sich darüber hinaus bei der potentiellen Kundschaft bemerkbar. Obwohl Aufträge vergeben werden könnten, hält sich insbesondere die Privatkundschaft in großem Umfang zurück.

... zur hochqualifizierten Dienstleistungszentrale. Mit 63 Jahren tritt der erfolgreiche Verbandsmanager von der SHK-Bühne ab und will sich vor allem mehr seiner Familie widmen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Sicher nicht nur ein Problem der aktuellen Bundespolitik. Immerhin leben wir in einer Zeit, in der, wie unlängst in Berlin und Düsseldorf geschehen, selbst die Handwerksunternehmer ihrem Unmut auf der Straße Luft gemacht haben. Welche Rolle spielen in diesem Umfeld die seit langem heftig diskutierten Lohnzusatzkosten?

Mahr: Das ist sicher eines der Hauptprobleme, da für die Höhe der derzeit verrechneten Kosten auf seiten der Kundschaft nur mehr wenig Verständnis aufgebracht wird. Einen erheblichen Anteil der in Rechnung gestellten Kosten machen eben diese Lohnzusatzkosten aus, die ein wirtschaftliches Handeln vereiteln. Es gibt viele Versuche und Pläne die Lohnzusatzkosten zu senken. Ob diese Bemühungen von Erfolg gekrönt sein werden, bleibt abzuwarten.

IKZ-HAUSTECHNIK: Zu Beginn Ihrer Verbandstätigkeit waren die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen grundsätzlich anders. Seinerzeit erlebten Industrie und Handwerk eine Blütezeit. Wird es so etwas noch einmal geben?

Mahr: Wohl kaum. Das zeigt sich auch an dem Stellenwert, den betriebswirtschaftliches Handeln für einen Handwerksunternehmer heutzutage einnimmt. Anders als in den 60er Jahren reicht es heute für einen erfolgreichen Handwerksunternehmer nicht mehr aus, ein guter Techniker zu sein. Man muß seine Leistung auch verkaufen können. Der hohe Bedarf an betriebswirtschaftlicher Beratung zeigt deutlich die veränderte Landschaft, in der sich auch die Handwerksunternehmer heute bewegen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Als Sie Ihre Tätigkeit 1966 aufnahmen stand der professionelle Vertrieb in der SHK-Branche weder zur Diskussion noch zur Disposition. Wie bewerten Sie die Situation heute?

Mahr: Zumindest in den Bekundungen nach außen hat sich nicht sehr viel getan. Leider wird dabei sehr oft, um nicht zu sagen meistens, die vierte Stufe, der Kunde, vergessen. Obwohl seit einiger Zeit die Diskussion intensiver geworden ist, dreht man sich doch mehr oder weniger im Kreis. Das liegt daran, weil bei den meisten Diskussionen, Veröffentlichungen und Symposien interne Dinge besprochen werden, der Kunde aber nach wie vor in der Regel nicht beteiligt wird.

IKZ-HAUSTECHNIK: Was müßte geändert werden?

Mahr: Mit Beschwörungsformeln allein ist nichts getan. Der Druck auf das Handwerk wird durch andere Vertriebsvarianten immer stärker. Da sich der Markt zu einem Käufermarkt gewandelt hat, muß sich das Handwerk intensiver um die Kunden bemühen. Auch wenn es leichter gesagt als getan ist, muß das Handwerk mehr gegenhalten und vielleicht sogar bereit sein, die ein oder andere heilige Kuh zu schlachten. Keinesfalls möchte ich den professionellen Vertrieb in Frage stellen, der allerdings hier und da entschlackt werden müßte. Zumindest gilt es, etwas flexibler auf Marktsituationen zu reagieren.

IKZ-HAUSTECHNIK: An der politischen Front entstehen nicht nur durch das Hin und Her der Bundesregierung wirtschaftlich unakzeptable Zustände für das Handwerk. Auch durch geänderte Gemeindeordnungen, Stadtwerke und Energieversorger wird erheblicher Druck auf das Handwerk ausgeübt. Jüngstes Beispiel Baden-Württemberg, wo die angeblich so mittelstandsfreundliche Landesregierung in kürzester Zeit die Gemeindeordnung änderte. Gibt es so etwas auch im Freistaat Bayern?

Mahr: Natürlich gibt es auch in Bayern Bestrebungen von Stadtwerken und Energieversorgern, in die Bereiche des Handwerks einzudringen. Wir widersetzen uns mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, suchen Verbündete, sprechen auch auf der Versorgungsseite mit den beteiligten Verbänden und versuchen auch auf der politischen Ebene diesen Bestrebungen entgegenzuwirken. Vom Grundsatz her haben wir Zustimmung durch das Bayerische Wirtschaftsministerium erfahren. Gott sei Dank hebt sich das kommunale Wirtschaftsrecht in Bayern positiv von den Gegebenheiten in Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg ab. Sicher wird auch künftig allen Aktivitäten in diesem Bereich höchste Aufmerksamkeit zuteil, da es sich um ein substantielles Problem für das Handwerk handelt.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welches waren für Sie in 33 Jahren die schönsten Erfahrungen in der Verbandsarbeit?

Mahr: Die Tatsache, daß es uns weitestgehend gelungen ist, unsere Organisation auf Landesebene zu konsolidieren, erfüllt mich mit Befriedigung. Zu den zweifellos schönsten Ereignissen während meiner Tätigkeit gehört natürlich die Gründung der Messe in Nürnberg im Jahre 1976. Auch die Errichtung der neuen Geschäftsstelle, vor 20 Jahren weitgehend mit Eigenmitteln und ohne Beitragserhöhung finanziert, gehört sicher zu den positiven Ereignissen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Gibt es auch Frustereignisse?

Mahr: Konkret sicher nicht. Leider gibt es, heute sicher weniger als früher, noch jede Menge Reibungsverluste innerhalb der Organisation, die nicht sein müssen. Bei aller Liebe für den föderalen Aufbau unserer Bundesrepublik, und ich bin ein glühender Verfechter des föderalen Gedankens, müßte es möglich sein, daß ein oder andere zu verbessern. Trotz guter Ansätze ist es nicht immer leicht, 17 Verbände unter einen Hut zu bekommen, u.a. auch wegen der unterschiedlichen Größe der Verbände. Vor Ort gibt es häufig völlig unterschiedliche Interessen und Probleme, die eine Harmonisierung erschweren — siehe Entsendegesetz.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie könnte man Probleme dieser Art lösen?

Mahr: Im Bewußtsein, ein "heißes Eisen" anzufassen, glaube ich, daß man trotz einiger vergeblicher Anläufe in der Vergangenheit erneut versuchen sollte, hier und da größere Verbandseinheiten zu schaffen. Vielleicht hätten solche Versuche in der heutigen Zeit mehr Aussicht auf Erfolg als damals. Dabei denke ich z.B. an die seinerzeit nicht vorhandenen Möglichkeiten der Kommunikation. Gerade dieser Gesichtspunkt könnte solche Bestrebungen erleichtern.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wird man zukünftig in SHK-Kreisen gänzlich auf die Intelligenz und Erfahrung Helmut Mahr’s verzichten müssen?

Mahr: Ich war immer mit ganzem Herzen und engagiert für diese Organisation da. Genauso intensiv werde ich mich nach meinem Ausscheiden anderen Interessensgebieten zuwenden. Aber wenn man mich braucht und mich ruft, dann bin ich selbstverständlich da.

IKZ-HAUSTECHNIK: Kann man die "anderen Interessensgebiete" schon konkretisieren?

Mahr: Nach dem 31. Oktober werde ich zunächst für zwei Monate eine schöpferische Pause einlegen. Was im neuen Jahr auf mich zukommt, bleibt abzuwarten. Ganz sicher jedoch wird zukünftig meine Familie mehr im Mittelpunkt stehen.


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