IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 20/1999, Seite 40 ff.


HEIZUNGSTECHNIK


Entgasung von Flüssigkeitskreisläufen in haustechnischen Anlagen

Dipl.-Ing. Dietrich Uhlmann* · Dr.-Ing. Karin Rühling*

Immer wieder wird über störende Gasansammlungen in Heiz- und Kühlkreisläufen geklagt, die branchenüblich als "Luftprobleme" bezeichnet werden. Obwohl nicht nur Luft im Spiel ist, soll dieser Begriff weiter Verwendung finden. Zirkulationsstörungen, defekte Umwälzpumpen, Geräusche und Erosion haben unzufriedene Kunden und steigende Betriebskosten zur Folge.

In Heizungsanlagen erreicht das "Luftproblem" direkt den Kunden. Oder wer hat sich noch nicht über einen kalten Heizkörper voller "Luft" geärgert? Weiterhin sind Anlagen mit Kühldecken bekannt, deren Funktionsfähigkeit durch permanente, nur schwer zu beseitigende "Luftansammlungen", in Frage gestellt ist.

Erschwerend wirkt, daß heute fast ausschließlich Heizungsanlagen mit unterer Verteilung und dezentralen Entlüftungsstellen an den Heizkörpern ausgerüstet werden. Das macht das Entlüften und insbesondere Nachentlüften bei Störungen zu einer aufwendigen, kostspieligen Angelegenheit.

Wie gelangen Gase in geschlossene Flüssigkeitskreisläufe?

Auf diese eine Frage gibt es fünf Antworten:

  1. eingeschlossene Restluft bei der Neubefüllung und der Teilbefüllung nach Reparaturen.
    Neueste, noch nicht abgeschlossene Untersuchungen der Technischen Universität Dresden zeigen eine starke Aufladung des Füllwassers weit über dem natürlichen Wert des Trinkwassers.
  2. gelöste Luft im Füll- und Nachspeisewasser.
    Wird Trinkwasser verwendet, so liegt die natürliche Beladung bei etwa 11 mg/l O2 (Sauerstoff) und 18 mg/l N2 (Stickstoff).
  3. Eindringen von Luft über luftdurchlässige Anlagenteile.
    Im Vergleich zu traditionellen Baustoffen wie Stahl und Kupfer kann z.B. über Kunststoff- und Gummischläuche vergleichsweise viel Luft in das Anlagensystem gelangen (eindiffundieren).
  4. Gasbildung durch chemische Reaktion.
    Durch Korrosion und Fäulnis können Gase freigesetzt werden. So wurden in einigen Anlagen größere Mengen an Wasserstoff und Methan im Inhaltswasser nachgewiesen.
  5. "Einziehen" von Luft bei nicht funktionierender Druckhaltung.

Nicht selten wird Luft direkt durch Unterschreitung des Mindestbetriebsdruckes in das Anlagensystem "eingesogen". Deshalb ist bei "Luftproblemen" stets zuerst die exakte Funktion und Einstellung der Druckhaltung zu überprüfen. Die neue VDI 2035 Bl. 2 nimmt zu diesem Thema ausführlich Stellung.

Die Untersuchungen auch zur Quantifizierung der Gasmengen sind noch nicht abgeschlossen.

Bild 1: Sauerstoffabbau durch Korrosion in einer geschlossenen Versuchsanlage bei Umwälzbetrieb von Trinkwasser (2 m3 Wasserinhalt, 100% Eisenwerkstoffe).

Messungen von Gasgehalten im Inhaltswasser

Messungen der Technischen Universität Dresden in über 50 ausgewählten Heiz- und Kühlkreisläufen bestätigen die Erfahrungen: Über 50% der untersuchten Anlagen leiden unter "Luftproblemen".

Bild 2: Stickstoffgehalt in ausgewählten Anlagen nach Messungen der TU Dresden.

Bild 3: Maximale Löslichkeit von Stickstoff aus der Luft nach HENRY.

Die Löslichkeit von Gasen in Wasser

Wasser kann in Abhängigkeit von Druck und Temperatur mehr oder weniger Gase bis zum Sättigungswert lösen. Diesen Zusammenhang beschreibt HENRY (Diagramm Bild 3).

Da, wie bereits beschrieben, Stickstoff als Hauptverursacher von sogenannten "Luftproblemen" festgestellt wurde, beschränken sich die folgenden Überlegungen auf Stickstoff. Wird der Sättigungswert überschritten, dann werden Gasblasen frei. Optisch anschaulich wird dies bei "Problemanlagen" durch eine Probenentnahme (Bild 4).

Bild 4: Stickstoffübersättigtes, aber sauerstofffreies Heizungswasser nach der Probeentnahme.

Der Punkt mit der geringsten Gaslöslichkeit, also der größten Gefahr von Ausscheidungen, ist in der Regel der Anlagenhochpunkt (geringster Druck, höchste Temperatur). Dies wird natürlich durch die praktische Erfahrung bestätigt, daß nicht der Mieter im Erdgeschoß, sondern der Mieter im Dachgeschoß über "Luft" im Heizkörper klagt.

Ziel einer jeden Entlüftungseinrichtung muß es deshalb sein, den Gasgehalt im gesamten Inhaltswasser unter dem Sättigungswert des Hochpunktes abzusenken.

Bei einer Vorlauftemperatur von 70°C beträgt der Stickstoffsättigungswert nach HENRY beispielsweise 15 mg/l bei 0,5 bar Überdruck am Hochpunkt und 30 mg/l bei 2,0 bar Überdruck.

Lösungen aus der Praxis

Der Einsatz von Entgasungssystemen ist natürlich nur dann sinnvoll, wenn der Druck im Anlagensystem stimmt und ein direktes Einsaugen von Luft vermieden wird. Am Hochpunkt sollte bei Vorlauftemperaturen bis 100°C ein Überdruck von mindestens 0,5 bar gegenüber der Atmosphäre bei allen möglichen Betriebsbedingungen gewährleistet sein. Dies ist Aufgabe der Druckhaltung.

Am Beispiel einer Heizungsanlage sollen drei Lösungen aus der Praxis beschrieben werden.

Mechanische, konventionelle Luftableiter ohne Hilfsenergie (Bild 5)

Mechanische Luftableiter können nur freie Gasblasen abscheiden. Es gibt verschiedene Wirkprinzipien (Strömungsverzögerung, Fliehkräfte, Sperreffekte). Allen Arten ist gemeinsam, daß sie unter dem Druck des Anlagensystems stehen (hohe Gaslöslichkeit).

Bild 5: Prinzipschema einer Heizungsanlage mit konventionellen Luftabscheidern und MAG.

Nur bei Einbau direkt an den Anlagenhochpunkten könnten "Luftprobleme" sicher vermieden werden. Da Anlagen heute in der Regel mit unterer Verteilung geplant werden, erfolgt der Einbau an ungünstigeren, tiefliegenden Punkten. Die Effektivität ist dann stark eingeschränkt, wenn nicht fraglich. So könnte im Beispiel Bild 5 der Stickstoffgehalt nur bis auf 30 mg/l abgesenkt werden, 15 mg/l wären aber erforderlich, um Gasausscheidungen am Hochpunkt sicher zu vermeiden.

Druckhaltestationen, wassergesteuert mit atmosphärischer Entgasung im drucklosen Auffangbehälter (Bild 6)

Verschiedene Druckhaltestationen können neben ihrer eigentlichen Aufgabe (Druck halten) auch automatisch nachspeisen und entgasen. Ein Teilstrom des Inhaltswassers wird über den drucklosen Auffangbehälter geführt. Die Stickstoffkonzentration kann im gesamten Netz theoretisch bis auf ca. 10 mg/l abgesenkt werden (HENRY-Diagramm Bild 3: 0 bar, 50°C). Das liegt unter der kritischen Konzentration am Hochpunkt, so daß sich hier keine freien Blasen mehr ausscheiden können.

Bild 6: Prinzipschema einer Heizungsanlage mit einer variotec-Multifunktionseinheit zum Druck halten, entgasen und nachspeisen mit Dauer- und Intervallbetrieb.

Natürlich muß der Auffangbehälter als geschlossenes Gefäß ausgeführt werden. Offene Gefäße mit Überlauf können zwar überschüssigen Stickstoff ausscheiden, aber gleichzeitig führen sie der Anlage bei jedem Entgasungszyklus frischen Sauerstoff zu. Messungen haben gezeigt, daß sich in offenen Entgasungs- bzw. Auffangbehältern eine Sauerstoffanreicherung auf 4 — 6 mg/l ergibt!

Um die bei der Inbetriebnahme in größeren Mengen anfallenden Gase, vor allem Stickstoff, schnell abführen zu können, ist ein Dauerentgasungsbetrieb von mind. 24 Stunden vorteilhaft, der dann automatisch in einen energiesparenden Intervallbetrieb übergehen sollte.

Vakuum-Sprührohrentgasung (Bild 7)

Ein solches Gerät kann als Zusatzeinrichtung zu Druckhalteanlagen (MAG, pumpengesteuert oder kompressorgesteuert) einen Teilstrom des Inhaltswassers entgasen. Es arbeitet besonders effektiv, da das Inhaltswasser über eine Düse im Vakuumrohr versprüht wird. So läßt sich der Stickstoffgehalt auf ca. 3 mg/l reduzieren (Bild 2). Das liegt weit unter dem Sättigungswert am Hochpunkt (15 mg/l im Beispiel).

Bild 7: Prinzipschema einer Heizungsanlage mit einer servitec-Vakuum-Sprührohrentgasung in Verbindung mit einem konventionellen MAG.

Besonders zu erwähnen ist, daß die Korrosion in der Anlage bekämpft wird. So wird dem Füll- und Nachspeisewasser bis zu 80% des Sauerstoffgehaltes vor der Einspeisung ins Netz im Vakuum entzogen. Das blasenfreie Anlagenwasser ist weniger erosiv und begünstigt die aktive Schutzschichtbildung. Der Gasgehalt an reaktiven Gasen wird erheblich reduziert.

Übrigens haben Messungen bestätigt, daß der Entgasungsprozeß im "ruhenden" Vakuum sehr träge verläuft. Erst eine Dynamisierung, z.B. durch Versprühung des Wassers im Vakuum, garantiert hohe Entgasungsleistungen. (Bilder 8 und 9).

Zusammenfassende Empfehlungen

Untersuchungen an der Technischen Universität Dresden in über 50 ausgewählten Heiz- und Kühlwassersystemen zeigen, daß mehr als die Hälfte der Anlagen, trotz funktionierender "Druckhaltung", unter "Luftproblemen" leiden. Die Untersuchungen dazu sind noch nicht abgeschlossen.

Bild 8: Statische Vakuumentgasung im "ruhenden Vakuum".

Mechanische, konventionelle Luftabscheidesysteme, die unter dem Druck des Anlagensystems stehen, arbeiten nur bei Einbau an absoluten Hochpunkten effektiv.

Teilstromentgasungen mit Druckentspannung auf Atmosphärenniveau (z.B. variotec von OTTO) sind bestens als zentrale Entlüftungssysteme geeignet, da das gesamte Inhaltswasser blasenfrei unter dem Gassättigungswert des absoluten Hochpunktes gefahren werden kann. Entgasungen mit Versprühung eines Teilstromes in das Vakuum können bei entsprechender, technischer Ausrüstung zusätzlich dem Füll- und Nachspeisewasser wirkungsvoll den Sauerstoff entziehen und somit einen wertvollen Beitrag zum Korrosionsschutz leisten (z.B. servitec von OTTO).

Bild 9: Dynamische Vakuumentgasung.

Vorteile von Teilstromentgasungen

— keine Zirkulationsstörungen an Heizkörpern und Kühldecken,

— keine Zerstörung von Umwälzpumpen durch Gasansammlungen,

— besserer Wärmeübergang an Kessel- und Wärmeübertragerheizflächen,

— bessere Funktion und Schonung von Wasserzählern und Armaturen,

— Minimierung des Erosionsrisikos,

— Korrosionsschutz durch Sauerstoffentzug aus dem Nachspeise- und Füllwasser und Begünstigung der Schutzschichtbildung,

— Reduzierung des Gehaltes an reaktiven Gasen.

Anforderungen an Teilstromentgasungen

Bei offener Ausführung können zwar freie Gase (meist N2) ausgeschieden werden, jedoch reichert sich der nahezu sauerstofffreie Teilstrom mit Sauerstoff an und wird so zur Korrosionsquelle.

Im "normalen" Anlagenbetrieb müssen weniger freie Gase ausgeschleust werden. Die Teilstromentgasung braucht dann nur noch in Intervallen betrieben werden.


B i l d e r :  OTTO HEAT · Heizungs-, Energie- und Anlagentechnik GmbH & Co. KG, Wenden


*) Dipl.-Ing. Dietrich Uhlmann, Leiter Produktmarketing bei OTTO HEAT GmbH & Co. KG, mit fachlicher Unterstützung durch Dr.-Ing. Karin Rühling, Technische Universität Dresden, Institut für Energietechnik


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