IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 16/1999, Seite 75 ff.


RECHT-ECK


Die Durchsetzung und Sicherung von Zahlungsansprüchen im VOB-Vertrag

RA Friedrich-W. Stohlmann

Hunderte von Milliarden werden jährlich in Deutschland für Baumaßnahmen ausgegeben. Im Bürgerlichen Gesetzbuch findet man allerdings nicht den Begriff "Bauvertrag", vielmehr heißt es im Gesetz schlicht und einfach "Werkvertrag". Es handelt sich um die Bestimmungen der §§ 631 ff BGB. Dieser Vertragstypus umfaßt nicht nur die Errichtung von Bauwerken sondern z.B. auch die Reparatur von beschädigten Möbeln, das Anfertigen eines Anzuges zur silbernen Hochzeit etc. Den Arbeiten ist allerdings eines gemein: Der Werkunternehmer schuldet den Erfolg eines mangelfreien Werkes.

Dieser Erfolg wird anläßlich der Abnahme (auch Übergabe) festgestellt. Der Bauvertrag selbst umfaßt wesentliche Hauptleistungspflichten, nämlich einmal die Errichtung des Bauwerkes und zum anderen die Zahlung der Vergütung nach vorheriger Abnahme. Daher hat der Auftraggeber - im Werkvertragsrecht Besteller genannt - die Verpflichtung, die Abnahme des Werkes herbeizuführen und den Werklohn zu zahlen. Der Werkunternehmer bzw. Bauunternehmer hat dagegen ein vertragsgerechtes Werk abzuliefern.

Da zum Abnahmezeitpunkt häufig nicht der gesamte Vertragspreis bezahlt ist, stellt sich die wichtige Frage für das bauausführende Unternehmen, wie man die (volle) Vergütung für die erbrachte Leistung sicherstellt. Dies gilt insbesondere, wenn schon während der Ausführung erhebliche Zusatzkosten aus Änderungen und zusätzlichen Leistungen geltend gemacht werden und hierüber Streit entsteht.

Die Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) wird in der Regel dann zur Grundlage des Bauvertrages, wenn öffentliche Auftraggeber als Bauherren auftreten oder soweit es sich um größere Bauleistungen für den gewerblichen Baubereich handelt und die Parteien die VOB/B dem Vertrag zugrunde gelegt haben. Der Werkvertrag reicht in der Regel aus, soweit es sich um Aufträge mit einer geringen Bausumme handelt. Bei Verträgen mit längerer Laufzeit und größeren Bausummen sollte in jedem Fall die VOB/B zur Vertragsgrundlage gemacht werden, weil die VOB/B einen ausgewogenen Rahmenvertrag darstellt, der für viele Fragen Antworten gibt.

Soweit der Auftraggeber selbst die VOB/B in den Vertrag einbezieht und keine Änderungen zu Lasten des Unternehmers vornimmt, ist die Welt an sich in Ordnung. Soweit der Auftraggeber in seinen Vorbemerkungen, Besonderen Bedingungen, Zusätzlichen Bedingungen etc. Klauseln in den Vertrag aufnimmt, die gegen Treu und Glauben verstoßen, so hilft das AGB-Gesetz, diese Klauseln auch bei wirksamem Abschluß des Vertrages aus dem Vertrag zu eliminieren. Die wirksame Klausel wird dann durch die gesetzliche Regelung ersetzt.

Will der Unternehmer die VOB/B mit dem Vertragspartner vereinbaren, so muß er den Text der VOB/B mit seinem Angebot übergeben. Diese vom BGH festgelegte Bedingung gilt allerdings nicht für solche Vertragspartner, die selbst im baugewerblichen Bereich tätig sind. Für solche Partner reicht der Hinweis auf die VOB/B aus.

Gerade im Hinblick auf die hier besonders interessierende Frage nach den Zahlungsansprüchen ist die Vereinbarung der VOB/B besonders wichtig. Der insoweit einschlägige § 16 VOB/B enthält nämlich eine Reihe wesentlicher Ergänzungen und Veränderungen der gesetzlichen Regelung in § 641 BGB, insbesondere

- die Begründung des Anspruchs auf Abschlagszahlung, § 16 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOB/B;

- das Erfordernis einer prüfbaren Aufstellung der berechneten Leistung, § 16 Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 VOB/B;

- eine Zahlungsfrist von 18 Werktagen nach Zugang der Abschlagsrechnung, § 16 Nr. 1 Abs. 3 VOB/B;

- eine Regelung über Vorauszahlungen § 16 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B;

- eine Verrechnungsklausel für Vorauszahlungen, § 16 Nr. 2 Abs. 2 VOB/B;

- eine Zahlungsfrist von zwei Monaten für die Schlußrechnung, § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B;

- eine Ausschlußregel bei vorbehaltloser Annahme der Schlußzahlung, § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B;

- Regelungen über Vorbehalterklärung und -begründung nach Schlußzahlung, § 16 Nr. 3 Abs. 5 VOB/B;

- ein Leistungsverweigerungsrecht bei Verzug mit Abschlags- und Schlußzahlungen und eine eigenständige Verzinsungsregelung, § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B;

- eine Möglichkeit zur Direktzahlung an Nachunternehmer des Auftragnehmers, § 16 Nr. 6 VOB/B.

All diese Möglichkeiten bestehen bei einem reinen BGB Bauvertrag ohne zusätzliche Vereinbarung der VOB/B nur dann, wenn sie ausdrücklich in den Vertrag aufgenommen werden, z.B. die Zahlung von Abschlägen. Im Unterschied zur VOB/B ist nach § 641 BGB der Werklohn erst bei der Abnahme des Werkes zu entrichten. Diese gesetzliche Regelung im BGB bedeutet gleichwohl nicht, daß keine Modifizierung dieses Grundsatzes möglich wäre.

Es bleibt den Vertragsparteien unbenommen, gänzlich andere Zahlungsmodalitäten im Vertrag zu vereinbaren. Enthält der Vertrag keine entsprechenden Vereinbarungen, so gilt § 641 BGB mit den oben dargelegten Nachteilen zu Lasten des Unternehmers.

Selbstverständlich können die Parteien eines BGB-Werkvertrages auch Vorauszahlungen, Abschlagszahlungen u.ä. in den Vertrag individuell aufnehmen. Diese Vertragspassagen haben dann vor der gesetzlichen Bestimmung des § 641 BGB Vorrang. Da die Vertragsparteien bei einem BGB-Werkvertrag häufig die Aufnahme solcher Klauseln vergessen, ist die wirksame Vereinbarung der VOB/B ratsam, da hier ein Automatismus über § 16 VOB/B besteht.

Der Unternehmer hat allerdings zu beachten, daß nach § 16 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B für die Abschlagszahlungen bestimmte Vorgaben einzuhalten sind. Abschlagszahlungen hat der Auftraggeber auf Antrag in Höhe des jeweiligen Wertes der jeweils nachgewiesenen vertragsgemäßen Leistungen zu erbringen. Der Unternehmer ist berechtigt, auch die auf die angeforderten Abschläge entfallende Umsatzsteuer mit geltend zu machen. Die Leistungen sind durch eine prüfbare Aufstellung nachzuweisen. Die Zahlungsfrist beträgt 18 Werktage, gerechnet vom Zugang einer ordnungsgemäßen und mit einer prüfbaren Aufstellung versehenen Anforderung des Unternehmers beim Auftraggeber.

Im Bereich des Pauschalvertrages, zumal wenn er auf einer funktionalen Leistungsbeschreibung beruht, wird es häufig nicht möglich sein, die Leistungen detailliert abzurechnen; häufig fehlt es bereits an einer zugrundezulegenden Massenermittlung, weil eben eine pauschale Abrechnungsweise vereinbart ist. Dann wird regelmäßig anhand der erreichten Leistungsstände abgerechnet, die von den Parteien in geeigneter Weise festgestellt werden müssen.

Zur Vermeidung von Streitigkeiten bei der Feststellung des Bautenstandes empfiehlt es sich, bereits bei der Vertragsformulierung einen Modus zu vereinbaren, mittels dessen die jeweiligen Leistungsstände zweckmäßigerweise gemeinsam von Auftraggeber und Auftragnehmer festgehalten werden. Im Rahmen eines Einheitspreisvertrages werden häufig Zahlungspläne abgestimmt. Sofern diese Zahlungspläne nicht rein kalendermäßig am Datum ausgerichtet sind, werden dann gewisse Leistungsstände Voraussetzung für die Freigabe von Abschlagszahlungen sein. Der Nachweis erfolgt in der Regel über Aufmaße. Anderenfalls empfiehlt es sich auch hier, zur Vermeidung von Streitigkeiten, entweder eine gemeinsame Testierung der jeweiligen Leistungsstände oder ein gemeinsames Aufmaß der Teilleistung zu vereinbaren.

Wenig bekannt ist den Unternehmern, daß auch Abschlagsrechnungen auf gelieferte Stoffe ausgestellt werden können. § 16 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/B hat hier eine Regelung vorgesehen.

Danach können Abschlagsrechnungen auch "für die geforderte Leistung eigens angefertigten und bereitgestellten Bauteile sowie die auf der Baustelle angelieferten Stoffe und Bauteile dem Auftraggeber vorgelegt werden, wenn dem Auftraggeber nach seiner Wahl das Eigentum an ihnen übertragen ist oder entsprechende Sicherheit gegeben wird".

Es wird noch einmal darauf verwiesen, daß nach 18 Werktagen seit Zustellung der Abschlagsforderung die Fälligkeit des angeforderten Abschlags eintritt. Der Unternehmer muß aber gegebenenfalls eine Nachfrist von vier bis sechs Tagen zur Zahlung setzen, bevor er die Arbeiten einstellen darf. Erst nach Ablauf der Nachfrist befindet sich der Auftraggeber in Zahlungsverzug.

Außerdem steht dem Unternehmer das Kündigungsrecht gemäß § 9 VOB/B nur zu, wenn er die Kündigung gleichzeitig ausdrücklich mit der Nachfristsetzung angedroht hat.

Wichtig ist, daß eine fällige Abschlagsrechnung bereits vor Fertigstellung der Gesamtleistung durch Klage gerichtlich geltend gemacht werden kann. Es erscheint daher gerechtfertigt, die Klage aus einer Abschlagsrechnung mindestens bis zum Zeitpunkt der Übersendung der Schlußrechnung noch zuzulassen. Soweit die Schlußrechnung bereits gestellt ist, kann nicht mehr aus den vorher vorgelegten Abschlagsrechnungen geklagt werden, da mit Schlußrechnungslegung nur noch der Anspruch auf den aus der Schlußrechnung sich ergebenden Restbetrag besteht. Eine Klage auf Zahlung aus früheren Abschlagsrechnungen würde nach der BGH-Rechtsprechung abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat hierzu festgestellt, daß mit der Schlußrechnungslegung Ansprüche aus vorher gestellten Abschlagsrechnungen entfallen und nur noch der aus der Schlußrechnung (nach der Prüfungsfrist von zwei Monaten) sich ergebende Werklohn eingeklagt werden kann.

Die Einstellung der Arbeiten während des laufenden Bauvorhabens ist sicherlich die schärfste Waffe des Auftragnehmers gegen einen vertragsuntreuen Auftraggeber, der sich mit einer Abschlagszahlung in Verzug befindet. Allerdings ist nach übereinstimmender Auffassung auch bei der Einstellung der Arbeiten der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Ist der Auftraggeber lediglich mit im Verhältnis zur Gesamtforderung sehr geringfügigen Zahlungsanteilen im Rückstand, wird die Einstellung der gesamten Arbeiten auf der Baustelle sicherlich als unverhältnismäßig gelten müssen und kann dann Schadensersatzansprüche auslösen. Daher sollte eine Einstellung nur erwogen werden, wenn verhältnismäßig hohe Abschlagsanforderungen noch offen sind und selbstverständlich der mehrfach genannte Zahlungsverzug (Nachfristsetzung nach 18 Werktagen) bewiesen werden kann.

Die Einstellung der Arbeiten durch den Auftragnehmer birgt allerdings kein nennenswertes Druckpotential mehr, wenn die Leistungen (fast) fertiggestellt sind. Kurz vor oder nach der Abnahme wird die Verweigerung der Leistung den Auftraggeber wenig beeindrucken. Immer wieder wird dann seitens der Auftragnehmer versucht, über die Verweigerung von Mängelbeseitigungsarbeiten, an denen der Auftraggeber ein besonderes Interesse hat, entsprechenden Druck auszuüben. Dies ist jedoch keine von § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B gedeckte Leistungsverweigerung mehr. Hier werden die Zahlungsansprüche des Auftragnehmers durch die gesetzlich vorrangigen Rechte des Auftraggebers auf Herstellung einer mangelfreien Leistung überlagert. Wegen vor oder nach Abnahme gerügter Mängel ist der Auftragnehmer stets vorleistungspflichtig mit der Konsequenz, daß der Auftraggeber insoweit rechtmäßig einen Teil der Vergütung bis zum Abschluß der Mängelbeseitigung bzw. Herstellung der Restleistung einbehalten darf.

Kann der Auftraggeber von den Abschlagsanforderungen Einbehalte vornehmen, wenn Mängel vorliegen?

Eine Abschlagsrechnung wird typischerweise vom Auftraggeber gekürzt, wenn mit ihr abgerechnete Teilleistungen Mängel aufweisen. Ebenso wie bei der Gewährleistung nach Abnahme darf der Auftraggeber gemäß § 4 Nr. 7 VOB/B verlangen, daß der Auftragnehmer schon während der Ausführung (und damit vor der Abnahme) als mangelhaft erkannte Leistungen auf eigene Kosten durch mangelfreie ersetzt.

Zur Durchsetzung dieses Rechts kann der Auftraggeber sich auf ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber der Forderung des Auftragnehmers aus der Abschlagsrechnung berufen. Selbstverständlich muß der Auftraggeber bei entsprechender Mangelanzeige im Rahmen der Leistungserfüllung dem Unternehmer die Möglichkeit einräumen, die angezeigten Mängel an der Leistung abzustellen.

So verfolgt die Einbehaltung fälliger Abschlagszahlungen vor allem den Zweck, in Ausübung des dem Auftraggeber nach § 4 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B zustehenden Rechts den Auftragnehmer zur umgehenden Mängelbeseitigung anzuhalten. Ein Auftraggeber darf daher neben dem Sicherheitseinbehalt aus einer Abschlagszahlung auch einen weiteren Betrag zurückbehalten, der bis zum Zwei- bis Dreifachen der voraussichtlichen Nachbesserungskosten betragen kann. Dies hat der Bundesgerichtshof mehrfach entschieden, zuletzt im Jahre 1981. Diese Entscheidung ist in "Baurecht" 1981 (Seite 577 ff.) abgedruckt.

Wird eine Abschlagszahlung eingeklagt, welcher der Auftraggeber einen derartigen Einbehalt entgegenzusetzen vermag, führt dies nicht zur Klageabweisung, sondern zur Verurteilung des Auftraggebers zur Zahlung Zug um Zug gegen Mängelbeseitigung.

Zusammenfassung

Die VOB Teil B regelt in § 16 wirksam und eindeutig, daß der Unternehmer im Laufe der Leistungserbringung entsprechende Abschläge an Geld fordern kann. Die Unternehmer sollten deshalb besonders Wert darauf legen, daß die VOB/B Vertragsinhalt wird. Soweit der Unternehmer ein Angebot gegenüber einem Auftraggeber abgibt, sollte daher immer auch auf die Verdingungsordnung für Bauleistung Teil B verwiesen werden. Gleichzeitig sollte dringend der Text der VOB/B an den Auftraggeber überreicht werden, weil Allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann Vertragsbestandteil werden, wenn sie dem anderen Vertragsteil überreicht werden, dieser von ihnen Kenntnis nehmen kann und wenn der andere Vertragsteil des Bauvertrages mit der Anwendung der VOB/B einverstanden ist. Bei einem Werkvertrag nach BGB sollte dringend eine Abschlagszahlungsregelung in den Vertrag aufgenommen werden.

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