IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 16/1999, Seite 64 f.


REPORT


Vom Handwerksbetrieb zum Energiedienstleister

In Bayern und Baden-Württemberg haben sich engagierte Handwerksunternehmen zusammengeschlossen, um aktiv im Dienstleistungsmarkt Wärmelieferung/Contracting mitzuwirken. Zur Zeit vereinigt die Südwärme Gesellschaft für Energielieferung mbH & Co. KG mit Sitz in Eningen (Baden-Württemberg) und Unterschleißheim (Bayern) mehr als 30 Handwerksbetriebe. Diese Firmen sind durch eine finanzielle Einlage beteiligte Gesellschafter. Die IKZ-HAUSTECHNIK stellt den Verbund vor.

Begonnen hatte alles 1993. Fünf Heizungsfachbetriebe aus Baden-Württemberg beschlossen, gemeinsam am Markt vorzugehen. Nur so sah man überhaupt eine Chance, dieses Marktsegment zu besetzen. Die Südwärme KG fand danach in Baden-Württemberg rasche Verbreitung durch zahlreiche Gesellschafter. Ein Jahr später wurde die zweite KG in Bayern gegründet.

Rudi Maier, Geschäftsführer der Südwärme Gesellschaft für Energielieferung mbH & Co. KG.

Gesellschafter sind ausschließlich Heizungsfachbetriebe. Die Größe der Betriebe spielt hierbei eine untergeordnete Rolle. Wohl sollte die Firma idealerweise ab 30 Mitarbeiter haben, aber auch für kleine Unternehmen ist Wärmelieferung interessant. Das ausschlaggebende Kriterium sind nämlich die Innovationsfreudigkeit und die Aktivität am Markt. Bei Südwärme z.B. ist ein Gesellschafter mit lediglich 11 Mitarbeitern erfolgreicher als alle anderen.

Zunächst erstellte das junge Handwerkerteam eine Analyse über die Anforderungen, die die Dienstleistung Wärmelieferung verlangt. Dabei stellte man fest, daß der Bau von Heizungsanlagen und das Betreiben der installierten Anlagen schon ca. 90% der Dienstleistung insgesamt ausmachen. Die wiederum sind ja das ureigenste Geschäft des Heizungsbauers. Die verbleibenden 10% kommen hinzu, das sind das Vertragswesen, die Finanzierung, der Brennstoffeinkauf, Versicherungsfragen und die Abrechnung. Diese 10% sind es, die man in die Zentrale Südwärme hineintransformierte. Bau und Betrieb der Heizungsanlagen bleiben dezentral.

Trumpfkarte: Handwerksmeister vor Ort

Derzeit ist die Südwärme in Baden-Württemberg und Bayern aktiv, weitere Gesellschafter im lokalen Umfeld sind weiterhin willkommen. Aber auch der Sitz in anderen Bundesländern ist möglich, wie das Beispiel eines Unternehmens aus Dresden zeigt. Jeder dieser Gesellschafter ist dann für ein Gebiet mit etwa 200.000 Einwohner zuständig. Die lokale Nähe zum Kunden ist das große Plus der Gesellschaft. Fahrzeiten von maximal einer Stunde zum Kunden garantieren einen reibungslosen und kostengünstigen Service bei Wartung oder eventuellen Störfällen.

Bonus: Synergieeffekte

Als kleinste Leistungseinheit hatte man sich 100 kW vorgestellt und nach oben keine Grenzen gesetzt. Mittlerweile läuft die kleinste Anlage mit 50 kW und die größte mit 2,5 MW. Im Gespräch sind weitaus größere Anlagen mit 10 bis 15 MW. Nicht jeder Gesellschafter kann jedoch Anlagen mit 10 MW errichten. Hier greift das Konzept: Ein anderer, auf diesem Gebiet kompetentere Gesellschafter kann die Anlage dort errichten. Betreiben wird sie dann wieder der Gesellschafter vor Ort.

Christoph Quattlender, Kommunikations- und Marketingfachmann.

Die Gesellschafter der Südwärme treten in einen regen Erfahrungsaustausch. Ein Umdenken findet hier statt: Wer die Synergieeffekte voll nutzen will, muß die Ellbogen wegstecken.

Ein weiterer Vorteil: Ein Handwerksunternehmen, das selbst noch keine Wärmelieferung abgewickelt hat, kann auch nicht auf Referenzen verweisen. Im Verbund aber schon. Mit dem Einstieg als Gesellschafter stehen sämtliche Erfahrungen und Referenzlisten zur Verfügung.

Gebietsschutz gibt es nicht

Das Konzept ist so angelegt, daß in einem bestimmten Gebiet nur jeweils ein Gesellschafter aufgenommen wird. Das bedeutet jedoch nicht, daß dieser Gebietsschutz genießt. Jeder kann Anlagen bauen, wo er will. Damit soll verhindert werden, daß mit der Anteilserwerbung bloße Gebietsblockade angestrebt wird.

Weiterer Synergieeffekt: Südwärme führt vor Ort bei dem jeweiligen Gesellschafter Informationsveranstaltungen zum Thema Wärmelieferung durch. Hierzu werden potentielle Kunden wie Kommunen, Wohnungsbaugesellschaften oder Bauträger eingeladen. Bauträger sind überregional tätig, und durch solche Kontakte bekam schon mancher Gesellschafter aus einer anderen Region einen Auftrag.

Die Gewinnausschüttung ist absolut leistungsorientiert, d.h. jeder partizipiert nach der erbrachten Leistung am Gewinn. Wer also keine abrechenbaren Leistungen nachweisen kann, erhält auch keinen Gewinn. Eine reine Geldanlagemöglichkeit ist die Gesellschaft also nicht.

Wärmelieferung ist Vertrauensgeschäft

Mit bloßem Kessel einkaufen und einbauen hat Wärmelieferung wenig zu tun. Wenn ein Kunde einen 10-Jahres-Vertrag unterschreiben soll, muß er Vertrauen haben. Vertrauen ist entweder vorhanden oder man muß es sich erarbeiten. Erarbeiten durch Referenzen, durch Public Relations und Werbung. Südwärme löst diese Aufgabe zentral für ihre Gesellschafter. Sie stellt Referenzlisten und Imagebroschüren zur Verfügung.

Ein zweiter, wichtiger Punkt sind die Wärmelieferungsverträge selbst. Jeder Vertrag ist ja über den Standardinhalt hinaus individuell an das Projekt anzupassen. Das erfordert Rechtsbeistand. Den bekommen die Gesellschafter ebenfalls. Zur Zeit wird zur Finanzierung der Verträge ein Anlegermodell zentral für alle Gesellschafter erarbeitet. Südwärme übernimmt die Abrechnung mit den Kunden und auch den Brennstoffeinkauf. Darüber hinaus werden notwendige Versicherungsfragen zentral bearbeitet.

Der Chef drückt die Schulbank

Neu für das Heizungsbauunternehmen ist die ganzheitliche Wirtschaftlichkeitsbetrachtung. Es wird demnach kein bestimmtes System eingebaut (Gas-, Öl- oder Brennwerttechnik), sondern das, welches sich im Rahmen der Vertragslaufzeit amortisiert und wirtschaftlich ist.

Nicht jedes Handwerksunternehmen kann Gesellschafter werden. Die Kandidaten haben bestimmte Kriterien zu erfüllen, z.B. müssen sie einen 24-Stunden-Service anbieten. Auch ist man auf eine gewisse Harmonie im Gesellschafterkreis bedacht und stimmt sich vorher untereinander ab. Die Gesellschafter haften mit einer Einlage von 100.000 DM.

Über die Schwierigkeit der Akquise ist man sich bei der Südwärme-Zentrale im klaren. Man lehnt sich nicht zurück und tauscht bloß Scheck gegen Seminarordner. Der Gesellschafter wird entsprechend den Erfordernissen aufgebaut. Als erstes wird der Betriebsinhaber gründlich geschult, egal, ob er später die Wärmelieferung selbst verkauft oder einer seiner Mitarbeiter. Er muß eben wissen, worum es geht. Diese Schulung beinhaltet z.B. ein Zielgruppenrasterprogramm (das es ermöglicht, Prioritäten zu setzen), wie die Abteilung Wärmelieferung in der Firma auszusehen hat, Gewinnung neuer Kunden, Öffentlichkeitsarbeit u.a.m. Die Schulung wird in Form eines arbeitsintensiven Workshops abgehalten. Kursleiter und Referenten sind der Südwärme-Geschäftsführer Rudi Maier (Unternehmen, Konzept, Leistungsangebot) und der Kommunikationsfachmann Christoph R. Quattlender (Marketing, Marktbearbeitung).

Wer im Unternehmen für die Wärmelieferung eingesetzt wird, besucht dann insgesamt drei Kurse. Kurs 1 befaßt sich mit den rechtlichen Grundlagen der Wärmelieferung, Kurs 2 beinhaltet die Nahwärmelieferung als eigenständiges Thema und Kurs 3 ist ein Verkaufstraining. Der Besuch dieser Kurse ist den Unternehmen freigestellt, sie sind keine Pflicht.

Eine wichtige Aufgabe der Südwärme-Zentrale ist die permanente Motivation ihrer Gesellschafter. Über die Gesellschafterversammlung und den Beirat existiert ein ständiger Informationsaustausch zwischen Gesellschaftern und Südwärme-Zentrale. Es herrschen hier jedoch keine starren Dogmen, sondern allein der Bedarf bestimmt hier die Häufigkeit der Kommunikation.

Ein gewaltiger Markt

Neu für die Handwerksunternehmen ist die Tatsache, daß sich die Wärmelieferung erst längerfristig auszahlt. Die Wandlung vom bloßen Anlagenbauer zum Energiedienstleister muß hier vollzogen werden.

Die Voraussetzungen für den einzelnen sind im Verbund günstig. Vom Know-how her ist für die Dienstleistung Wärmelieferung keiner besser geeignet als der Handwerker. Im Großraum München z.B. existieren 1100 Innungsbetriebe, die vorwiegend traditionelle Leistungen im Heizungsbau anbieten. Dagegen ist die Zahl der Unternehmen, die Wärmelieferung betreiben, verschwindend gering. Demgegenüber steht ein riesiger Markt an erneuerungsbedürftigen Heizungsanlagen.

Kontakte: Südwärme, Gesellschaft für Energielieferung mbH & Co. KG, Max-Planck-Str. 5, 85716 Unterschleißheim, Tel.: (089) 32170-6.


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