IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 16/1999, Seite 36 ff.


HEIZUNGS-/KLIMATECHNIK


Feuchtegeführte Lüftungsanlagen für Wohnhäuser

Kontrollierte Wohnungslüftung als Bestandteil eines zukünftigen Energiesparmodells

Dipl.-Ing. Gerhard Polenske

Es verbleibt zukünftigen Generationen vorbehalten, zu beurteilen, ob die Enquetekommission einen Nutzeffekt für das Weltklima erbracht hatte.
Jahr für Jahr verbrauchen die Industrienationen soviel an fossilen Energieträgern, wie sie von der Natur in der Vergangenheit im Verlauf von jeweils zweihundert- bis vierhunderttausend Jahren aufgebaut worden waren.

Menschliche Aktivitäten können das Erdklima kaum verändern. Das Energiesystem unserer Erde und unseres Sonnensystems ist viel zu groß, als das wir Einfluß darauf nehmen könnten. Eines bleibt aber unwidersprochen gültig: Wir dürfen mit Kohle, Erdöl und Erdgas nicht weiter so unbesorgt und verschwenderisch umgehen wie bisher. Das sind Reichtümer, die dann für die uns nachfolgenden Generationen unwiederbringlich verloren sind.

Bild 1: Prinzip der Wohnungslüftung.

Die Branche Haustechnik muß sich in Zukunft anderen Energiequellen gegenüber aufgeschlossener zeigen. Solartechnik ist eine gute einfache Lösung, nur bringt sie in unseren Breitengraden wenig Entlastung, denn dann, wenn die Wärme für Heizzwecke benötigt wird, ist die Sonne nicht da. Nachwachsende Biomasse ist in ländlichen Gebieten eine Alternative, jedoch müßten die Brennstoffbeschaffung und -nutzung noch optimiert werden. Eine weitere Alternative ist die Wärmepumpentechnik mit ihren verschiedenen Ausführungsformen.

Wir sollten uns in Erinnerung bringen, daß die Bauphysiker und die Baustoffindustrie die Wärmedurchgangszahlen nach unten in die Nähe des wirtschaftlich machbaren gesenkt haben. Nun sind die Architekten und die bauausführenden Unternehmen gefordert. Beide müssen umdenken. Wenn es Haustechnikern gelingt, den verbleibenden Restwärmebedarf durch eine Wohnungslüftungsanlage nochmals zu reduzieren, wäre das ein gewaltiger Fortschritt.

Bild 2: Bedarfsgerechte Wohnungslüftung mit feuchtegeführten Wohnungslüftern und Außenwand-Luftdurchlässen (ALD).

Energieverbrauch in Deutschland

Vom gesamten Primärenergieverbrauch in der Bundesrepublik - 1998 waren es 489 Mio. t. SKE* - entfallen etwa 1/3 auf den Gebäudebereich. Mehr als 80% davon werden für die Raumheizung und Lüftung benötigt. Der theoretische Wärmebedarf konnte per Gesetz und mit Hilfe der Bauphysik stark gesenkt werden. Trotzdem sinkt der tatsächliche Heizwärmeverbrauch kaum. In der alten Bundesrepublik ist er ständig gestiegen. Nimmt man für 1960 den Wert 100%, so betrug dieser 1992 bereits 165%.

Die Ursachen sind vielseitig, aber einfach zu begründen:

Die tatsächlichen Heizwärmeverbräuche liegen in der Bundesrepublik weit über denen im klimatisch weitaus ungünstigeren Skandinavien. Die Lösung liegt auf der Hand, nämlich beim Nutzerverhalten beim Lüften. In den nordischen Ländern sind einfache maschinelle Abluftanlagen in Verbindung mit Außenwand-Luftdurchlässen im Wohnbereich Standard.

Bild 3: Feuchtegeführte Drehzahlregelung mit Schalthysterese in den Umschaltpunkten und mit Zeitverzögerung zwischen den Stufen.

Bestätigt wurde diese Tatsache, welche in Deutschland von den Entscheidungsträgern aber nie zur Kenntnis genommen wurde, durch eine umfangreiche Studie über Lüftungs- und Heizungstechnik im Gebäudebereich von der "University of California" in den USA aus dem Jahre 1986.

Diese Studie kommt in ihrer Schlußfolgerung zu der Erkenntnis:

Im Wohnbau sollten in windstarken und kühlen Klimazonen einfache Abluftanlagen ohne Wärmerückgewinnung zur Reduzierung des Heizwärmeverbrauchs bevorzugt werden.

Diese Aussage schließt aber nicht nur den wesentlichen niedrigeren Wärmeverbrauch ein, sondern auch die vielen durch Mängel in der Baukonstruktion bei neuen Bauten hervorgerufenen Schäden durch Feuchtigkeit.

Aufbauend auf den heutigen Wärmeverbrauchsdaten kann eine maschinelle Entlüftungsanlage unabhängig vom Wärmeschutzstandard der Gebäude einen großen Beitrag zur Reduzierung des Heizwärmeverbrauchs beinhalten. Viele Siedlungsgesellschaften erkennen inzwischen die Chance zur Reduzierung der Versorgungskosten (Zweitmiete) durch den Einbau von sich selbsttätig regelnden Abluftanlagen.

Bild 4: Luftaustausch bei feuchteabhängiger Wohnungslüftung.

Beispiel einer Lüftungsanlage

Die nachfolgenden Aussagen sollen aufzeigen, daß selbst zu den Vorgaben der WSVO 95, der Lüftungswärmebedarf ohne gesundheitliche Beeinträchtigung und zum Schutze der Umwelt noch einmal gesenkt werden kann. In etwa gleicher Größenordnung würde auch der CO2-Ausstoß gemindert werden.

Bild 1 zeigt eine Wohnungslüftungsanlage. Die Feuchte wird als Regelgröße, die Wohnung als Regelstrecke benutzt. Außenwand-Luftdurchlässe im Schlaf- und Wohnbereich und geräuscharme, sich selbsttätig regelnde Abluftventilatoren, installiert in Küche, Bad und Toilettenraum, gewährleisten eine bedarfsgerechte Wohnungsdurchlüftung.

Bild 5: Vergleich des Lüftungswärmebedarfs verschiedener deutscher Städte bei Wohnungslüftung mit feuchtegeführtem und konstantem Luftwechsel.

Durch die Luftdurchlässe strömt die Außenluft gezielt dort in die Wohnung nach, wo sie benötigt wird. Demzufolge ist in diesen Räumen die Luftqualität am besten. Auf ihrem Weg in die Prozeßräume, dort sind die Abluftventilatoren installiert, nimmt die Luft, quasi mehrfach genutzt, neben der anfallenden Feuchte auch alle anderen Luftverunreinigungen mit. Diese Lüftungstechnik ist auf die gesamte Wohnung abgestimmt und lüftet einfach aber effizient.

Das System arbeitet nach dem Prinzip der Unterdrucklüftung. Unkontrollierbare Nebenluftwechsel werden weitgehend ausgeschlossen. Einzig die von Sensoren geregelten Abluftventilatoren bestimmen die Luftrate für die Grundlüftung. Das hier beschriebene System regelt im Bereich der Vorgaben der WSVO im hygienisch einwandfreien Bereich mit Luftwechselraten (LW) zwischen 0,4 bis 0,64 h-1 und nur bei extrem tiefen Außentemperaturen fällt die tatsächliche Luftrate auf LW gegen 0,3 h-1. Durch eine automatische untere Begrenzung ist eine weitere Reduzierung ausgeschlossen.

Bild 2 zeigt die Komponenten für diese Technik. Sensibel reagiert der Sensor auf jede Änderung der relativen Raumluftfeuchte, die aus medizinischer Sicht zwischen 40% und 60% liegen soll. In den Wintermonaten kann die durch die Außenwand-Luftdurchlässe (ALD) in die Schlaf- und Wohnräume nachströmende Außenluft sehr viel an Feuchte aufnehmen. Der Feuchtesensor setzt daraufhin über die elektronische Regelung die Drehzahl des Lüftermotors automatisch herab. Das System lüftet daher bei Kälte besonders energiesparend. Andererseits registriert der Sensor auch jede vermehrte Feuchteproduktion durch die Bewohner. Er steigert dann die Ventilatordrehzahl so lange, bis der Sollzustand wieder hergestellt worden ist.

Bild 6: Monatliche energetische Gesamtkosten (Kges.) bei konstantem (k) und feuchtegeführtem (f) Luftwechsel.

Luftaustausch

Das Bild 4 zeigt deutlich, daß die Feuchtesteuerung auch die Außenluft und deren Temperatur mit in die Regelung einbezieht. Bedingt durch die trockene Außenluft in der kalten Jahreszeit, löst die Feuchtesteuerung einen Impuls für minimale Volumenströme aus. Das spart Heizwärme und trotzdem wird die erforderliche Grundlüftung nicht unterschritten. Nach Ziffer 2.2 der WSVO müssen Anlagen, welche der Lüftung dienen, beeinflußbar und in Abhängigkeit einer geeigneten Führungsgröße selbsttätig regelnd sein, so daß sich ein Luftwechsel von mindestens 0,3 bis max. 0,8 h-1 einstellt. Für die Sicherung des minimalen Luftwechsels ist eine untere Volumenstrombegrenzung vorgegeben. Diese Wohnungslüftung ist Technik im Sinne der neuen Energiesparverordnung. Diese hält daher für energiesparende Lüftungsanlagen eine Option auf eingesparte Lüftungswärme bereit.

Einsparpotential

Bild 5 zeigt einen Vergleich des Lüftungswärmebedarfs verschiedener deutscher Städte bei der Wohnungslüftung mit feuchtegeführtem und konstantem Luftwechsel nach WSVO.

Energetische Gesamtkosten

Das Bild 6 zeigt die monatlichen energetischen Gesamtkosten (Kges.) bei konstantem (k) und feuchtegeführten (f) Luftwechsel. Dominant sind dabei die Monate November bis April. Die absolut trockene Außenluft während dieser Jahreszeit ermöglicht die energiesparende Lüftung nach dem hier beschriebenen System.

Standardfall:

 

Ort:

Berlin-Dahlem

Wohnungsgröße:

75 m2

Bewohner:

3 Personen

Wasserdampfanfall:

150 g/(h Pers.)

Heizzeit:

P 220 Tage

Wärmepreis:

0,10 DM/kWh

Elektroenergiepreis:

0,24 DM/kWh

Zusammenfassung

Die nachfolgende Rechnung zeigt abschließend das Potential der Gesamtkosteneinsparung durch die feuchtegeregelte Wohnungslüftung auf (siehe auch Bild 7).

Bild 7: Monatliche energetische Gesamt-
kosteneinsparung bei feuchtegeführtem Luftwechsel in %.

Energiekosten

Lüftung mit konstantem LW

(0,8 h-1 nach WSVO)

519,19 DM ges./a = 6,92 DM/(m2 a)

Lüftung mit feuchtegeführtem LW

(Variabler Volumenstrom)

339,19 DM ges./a = 4,53 DM/(m2 a)

Die Einsparung beträgt 34,7%.

Umweltentlastung

Die CO2-Emission sinkt bei konstanter Lüftung mit LW 0,8 h-1 nach WSVO von 14,8 kg CO2/(m2 a) bei feuchtegeführter Lüftung mit variablen LW auf 9,7 kg CO2/(m2 a).

Die Emissionsminderung beträgt 34,5%.

Fazit

Die feuchtegeführte Lüftung kann einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung des Zieles der Bundesregierung darstellen, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2005 um 25% zu senken.


* Als Einheitsmaß für die Energie gilt 1 kg Steinkohle (SKE) mit einem Energiegehalt von 7000 kcal = 29,3 MJ = 8,14 kWh.


B i l d e r :   Lunos GmbH & Co. KG, Berlin

1) moderne Gasheizung

2) Drittelmix in Deutschland


L i t e r a t u r:

- Bauvereinigung Landesgruppe Steiermark, Leoben 1983. Untersuchungsbericht über Bauschäden durch Feuchte

- University of California: VENTILATION STRATEGIES FOR DIFFERENT CLIMATES, 1986

- Polenske, G.: Feuchteabhängige Grundlüftung von Wohnungen. HLH 41, 1990

- Dr. Trepke, L.: Ohne Gebäudetechnik kein entscheidender Beitrag zur Energieeinsparung

- Polenske, G.: Wohnungslüftung im Sinne der neuen Wärmeschutzverordnung, IKZ-HAUSTECHNIK 6/95

- Prof. Dr. Ing. Agsten, R.: Energieeinsparung durch feuchtegeführte Luftwechsel, Gutachten vom 29. 8. 96


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