IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 9/1999, Seite 8 f.


INTERVIEW


Handwerk macht mobil

NRW-Handwerk auf neuen Wegen

Nordrhein-Westfalen sitzt in der Auseinandersetzung mit den Kommunen "in der ersten Reihe". Das Gutachten von Prof. Dr. Peter Badura und die Einwände der Handwerksverbände scheinen kein Gehör bei den Politikern gefunden zu haben. Der Handwerksbereich ist politisch gesehen die "Kuh" die jederzeit gemolken werden kann. Dies trifft insbesondere für die Ausbildungsoffensive des Ministerpräsidenten Wolfgang Clement zu, denn dort ist das Handwerk verläßlicher Partner und gerade gut genug, um in die Pflicht genommen zu werden. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen für einen starken Mittelstand sind allerdings Fehlanzeige. Selbst zur ISH ’99 in Frankfurt, Weltleitmesse der SHK-Branche (220 000 Besucher), waren sich die Bundesminister zu schade, um für den drittgrößten Handwerksbereich Zeichen zu setzen. Konjunktur, Marktbedingungen und Europäisierung sowie das ständige in Frage stellen des großen Befähigungsnachweises führen zu einer äußerst angespannten Lage im Handwerk. Zusätzlicher kommunaler Wettbewerb könnte das noch tragfähige Netz reißen lassen. Für eine kurzzeitige Beruhigung des Handwerks sorgte Anfang August letzten Jahres das "Badura Gutachten" (IKZ-HAUSTECHNIK Heft 18/98, Seite 32 ff), doch die Politik hat sich für eine Änderung der NRW-Gemeindeordnung, die Ende Mai beschlossen werden soll, entschieden und will den Kommunen Wege in den privaten Wettbewerb eröffnen. Diese Problematik betrifft insbesondere das SHK-Handwerk. Anlaß genug für die Redaktion der IKZ-HAUSTECHNIK mit dem Hauptgeschäftsführer des Fachverbandes SHK NRW Dr. Hans-Georg Geißdörfer ein Interview zu führen.

IKZ-HAUSTECHNIK: NRW-Ministerpräsident Clement und Wirtschaftsminister Steinbrück scheinen die Marktabgrenzungen der Kommunen zum Nachteil des Handwerks neu zu definieren. Wie reagiert das nordrhein-westfälische Handwerk auf diese Situation?

Geißdörfer: Das Sanitär-, Heizungs- und Klimahandwerk Nordrhein-Westfalen wehrt sich entschieden gegen Pläne der Landesregierung, den Kommunen die verstärkte, wirtschaftliche Betätigung zu ermöglichen. Deshalb haben wir alle Mitgliedsbetriebe und ihre Mitarbeiter aufgerufen, mit Kundendienstfahrzeugen am 6. Mai 1999 in Düsseldorf zu demonstrieren. Damit soll die Kritik des Handwerks an der geplanten Änderung der Gemeindeordnung auch gegenüber der Öffentlichkeit deutlich gemacht werden. Eine wirtschaftliche Betätigung der Kommunen bedroht die Existenz der Handwerksbetriebe und damit Lehrstellen und Arbeitsplätze in NRW. Wirtschaftliche Aktivitäten kommunaler Betriebe, die damit in klassische Aufgabenbereiche des Handwerks hineindrängen, haben mit "öffentlicher Daseinsvorsorge" überhaupt nichts zu tun. Zu befürchten ist vielmehr eine massive Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil des Handwerks.

IKZ-HAUSTECHNIK: Halten Sie diese Demonstration nicht für überzogen, gibt es keine Gesprächsmöglichkeit mehr?

Geißdörfer: Das gesamte Handwerk in NRW muß Flagge zeigen:
Gegen den Freibrief für Kommunalbetriebe "Staat als Installateur?" Gegen die Aushebelung des großen Befähigungsnachweises. Gegen die konfiskatorische Besteuerung bei Betriebsveräußerung und Betriebsaufgaben. Die Liste politischer Grausamkeiten für das Handwerk läßt sich noch erheblich verlängern; das geht auf keine Kuhhaut!

IKZ-HAUSTECHNIK: Wo und wann soll der "Gang" auf die Straße stattfinden und ist man sich über die Folgen im klaren?

Dr. Hans-Georg Geißdörfer.

Geißdörfer: Am 6. Mai 1999 auf dem Burgplatz in Düsseldorf. Autokonvois mit Kundendienstfahrzeugen aus allen Regionen Nordrhein-Westfalens werden sternförmig auf den Burgplatz fahren. Die Folgen sind: Klare Positionen im Handwerk beziehen! Der Frust muß raus!

IKZ-HAUSTECHNIK: Wirtschaftsminister Steinbrück verlangt vom Handwerk einen anderen Ton in der Auseinandersetzung. Ist das die Antwort des Handwerks?

Geißdörfer: Das Handwerk macht von seinem verfassungsrechtlich geregelten Anspruch der Versammlungsfreiheit Gebrauch! Diesmal nicht im leisen "Kammerton", sondern diesmal etwas deutlicher. Wer nicht teilnimmt, gibt die Sache des Handwerks auf. Nur wer sich selbst aufgibt, der ist verloren.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Größenordnung ist für eine solche Demonstration notwendig um Gehör zu finden und Druck auf die Politik auszuüben?

Geißdörfer: Wir rechnen hier mit 600 - 700 Kundendienstfahrzeugen. Das Gesamthandwerk NRW rechnet mit einer Teilnahme zwischen 2000 und 3000 Personen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Könnte das Vorhaben der Landesregierung zu einer ungewollten Krise führen und die konjunkturelle Entwicklung zusätzlich belasten?

Geißdörfer: Im Gegenteil: Sollte der Landtag im Mai die Gesetzesnovelle so verabschieden, wird das Gesamthandwerk in NRW das Bündnis für Arbeit in NRW in Frage stellen. Das Gesamthandwerk läßt sich in NRW nicht an der Nase herumführen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wenn diese Art der Willensbekundung des Gesamthandwerks nicht zum Erfolg führt, muß da nicht bundesweit mit ähnlichen Demonstrationen gerechnet werden?

Geißdörfer: Das Hauptreferat auf der Veranstaltung hält der Präsident des Zentralverbandes des deutschen Handwerks (ZdH), Dieter Philipp. Die Handwerksorganisation auf Bundesebene erwartet ähnliche Demonstrationen bundesweit.

Ablauf des Aktionstags am 6. Mai in Düsseldorf

Um 12.00 Uhr treffen sich die Teilnehmer an drei Sammelparkplätzen (Parkplatz P + R Eller S-Bahn-Punkt; Düsseldorf-Heerdt, Pariser Straße; Parkplatz Neuss-Reuschenber, Eissporthalle, Südpark). Von dort erfolgt die Fahrt zu den Parteizentralen (CDU, SPD, FDP, Bündnis 90 Grüne) zur Übergabe der Resolutionen an die Vertreter der Parteien. Anschließend treffen sich die drei Gruppen an der Ostseite der Theodor-Heuss-Brücke und ziehen geschlossen zum Burgplatz, wo um 15.30 Uhr die Kundgebung des Gesamthandwerks NRW beginnt. Abschließend findet ein Demonstrationszug zum Landtag statt. Der Fachverband bittet alle Betriebe um aktive Teilnahme mit Kundendienstfahrzeugen. Ausführliche Hinweise und Meldebogen hält der Fachverband SHK NRW bereit (Tel.: 0211-6906520).


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