IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 8/1999, Seite 98 ff.


RECHT-ECK


Neue Insolvenzverordnung

Chance für den wirtschaftlichen Neubeginn

RA F.-W. Stohlmann

Am 1. Januar 1999 ist die neue Insolvenzordnung in Kraft getreten. Damit werden die Konkursordnung, die Vergleichsordnung sowie die Gesamtvollstreckungsordnung zusammen mit der sog. Verbraucherinsolvenz in einem einheitlichen Gesetz zusammengefaßt. Dieser Beitrag soll einen Überblick über die Neuerungen geben.

Allgemeines

Nach der bisherigen Rechtslage waren die Gesamtvollstreckungsordnung und die Konkursordnung darauf ausgerichtet, in einem geordneten Verfahren eine Schuldenregulierung durch die Verwertung des Gläubigervermögens zu betreiben. Das führte in vielen Fällen zur Zerschlagung und damit einhergehender Entwertung des Schuldnervermögens, was wiederum eine Minimierung der Vollstreckungsaussichten zur Folge hatte. Die bestmögliche Befriedigung des Gläubigers ist auch Ziel der neuen Insolvenzordnung. Nach dem Leitgedanken (§ 1 Insolvenzordnung) soll dies etwa bei einer Unternehmensinsolvenz durch Liquidation oder Sanierung erreicht werden. Damit eröffnet die Insolvenzordnung als Alternative zur Zerschlagung und "Verwertung durch Entwertung" die Möglichkeit der Sanierung des Schuldnerunternehmens, um bestehende Werte und Arbeitsplätze zu erhalten, damit eben auch für die Gläubiger bessere Ergebnisse erzielt werden. Bei Insolvenz einer natürlichen Person wird dem redlichen Schuldner die Chance für einen wirtschaftlichen Neubeginn durch die sog. Restschuldbefreiung gegeben.

Diese - auf den ersten Blick - schuldnerfreundlichen Neuerungen ändern nichts an der Tatsache, daß auch die Insolvenzordnung ein Verfahren zur Schuldenregulierung durch Verwertung des Schuldnervermögens ist: Wie früher auch, geht es in erster Linie um die Verteilung des Schuldnervermögens an die Gläubiger - und verliert der Schuldner grundsätzlich auch durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Sachherrschaft über sein Vermögen an den Verwalter, der vom Gericht zur Wahrung der Gläubigerinteressen eingesetzt wird.

Das neue Gesetz berücksichtigt nun aber die Erkenntnis, daß die Erlöse für betreibende Gläubiger durchaus gesteigert werden können, wenn durch Reorganisation des Schuldnerunternehmens und Sanierungsmaßnahmen eine nicht unbedingt notwendige Wertevernichtung vermieden werden kann. Diesem Zweck dient gerade die neu eingeführte Variante, die Sanierung des Schuldnerunternehmens im Rahmen des Insolvenzverfahrens unter der Aufsicht von Gläubigern und Gericht durchzuführen.

Wesentliche Änderungen und Reformansätze

Um die sog. Massearmut zu bekämpfen und die Verfahrenseröffnung zu erleichtern, wird zukünftig ein engerer Begriff der Zahlungsunfähigkeit verwendet und als neuer, weiterer Insolvenzgrund die "drohende Zahlungsunfähigkeit" eingeführt. Zur Vermeidung einer "totalen" Liquidierung bei Zahlungsunfähigkeit von Betrieben soll so eine möglichst frühzeitige Verfahrenseröffnung und Einbeziehung der Gläubiger erreicht werden, damit etwaige Sanierungsmöglichkeiten nicht durch den unkontrollierten Zugriff einiger gut abgesicherter Gläubiger zunichte gemacht werden. Zur leichteren Einleitung des Verfahrens reicht künftig schon die Deckung der Verfahrenskosten.

Daneben fördert das neue Recht die Anreicherung der Insolvenzmasse:

Einbezogen wird hier im Gegensatz zu früher auch das Vermögen, das der Schuldner während des laufenden Verfahrens erwirtschaftet. Zudem wird je nach den Einzelfallumständen das Recht des Insolvenzverwalters zur Anfechtung von Zahlungen auf einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren vor Insolvenz erweitert.

Insolvenzplanverfahren

Als Variante des Insolvenzverfahrens ist das Insolvenzplanverfahren dem Verwertungsverfahren gleichgestellt. Auf den Eröffnungsantrag der Gläubiger oder des Schuldners muß zunächst das Insolvenzverfahren selbst über das Vermögen einer natürlichen oder juristischen Person eröffnet werden, damit - auf Veranlassung von Schuldner, Insolvenzverwalter oder nach Aufforderung durch die Gläubigerversammlung - der Insolvenzplan aufgestellt wird. Sein Ziel sollte die Schuldbefreiung bei planmäßiger Befriedigung der Gläubiger sein.

Der Insolvenzplan besteht aus einem darstellenden und einem gestaltenden Teil:

Ersterer enthält eine Beschreibung und Analyse, also die wirtschaftlichen Grunddaten des Unternehmens, die Krisenursachen, die Zielsetzung der Sanierung sowie ein Konzept und einzelne Maßnahmen der Sanierung; im gestaltenden Teil werden die Rechtsänderungen festgelegt, die durch den Plan verwirklicht werden sollen, also welche Forderungen erfüllt, gestundet und erlassen werden. Über den Insolvenzplan entscheiden die Gläubiger in einem vom Gericht anberaumten Erörterungs- und Abstimmungstermin in unterschiedlichen Gruppen je nach ihrer Rechtstellung. Das Gericht wacht dabei über die gleichmäßige Verteilung der Masse und die angemessene Gläubigerbeteiligung. Bei Annahme des Plans wird er nach gerichtlicher Bestätigung rechtskräftig. Bei Nichtzustandekommen oder Unzulänglichkeit der Masse erfolgt (wie bisher) die Verfahrenseinstellung. Während für die Überwachung des Plans der Insolvenzverwalter zuständig ist, wird dem Schuldner die Möglichkeit der Eigenverwaltung eingeräumt, die eine gewisse Unternehmenskontinuität gewährleisten und das Verfahren verbilligen soll - allerdings auch nach Kritikersicht Manipulationsmöglichkeiten eröffnet.

Verbraucher-Insolvenzverfahren und Restschuldbefreiung

Das Institut der Verbraucherinsolvenz ist ein weiterer Schwerpunkt der Reform. Dieses Verfahren erfaßt nur "natürliche Personen", die keine oder nur geringfügig selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben (also etwa Kaufleute mit kleinen Gewerbebetrieben, Freiberufler oder eben den typischen Verbraucher). Beweggrund des Gesetzgebers für die Neuerung waren in erster Linie die mit der bisherigen Rechtslage für diesen Personenkreis verbundenen Folgen: Da ein Gläubiger, der im Konkursverfahren nicht oder zumindest nicht vollständig befriedigt worden war, bisher seine Restforderung gegen den Schuldner weiterhin unbeschränkt geltend machen konnte, bestand insofern im Konkursfalle für den Schuldner kaum je die Möglichkeit, irgendwann einmal den "Schuldenberg" abzutragen bzw. von seinen Schulden loszukommen und einen wirtschaftlichen Neuanfang zu machen. Daraus folgte oftmals die praktische Wertlosigkeit selbst titulierter Forderungen, weil Schuldner in derart aussichtsloser Lage in die "Schattenwirtschaft" abtauchten und so für Gläubiger nicht mehr greifbar waren. Deshalb soll den etwa zwei Millionen überschuldeten Privathaushalten mit der Verbraucherinsolvenz eine Möglichkeit eröffnet werden, den wirtschaftlichen Neuanfang zu wagen und - bei entsprechendem (Wohl-)Verhalten - die Chance gegeben werden, sich zu entschulden.

Sinn und Zweck der Insolvenzordnung und Ziel des Überschuldeten soll hier die sog. Restschuldbefreiung sein, die dem Schuldner auf seinen Antrag hin den Weg zur Befreiung von sämtlichen restlichen Verbindlichkeiten ermöglicht. Dafür gelten allerdings strenge Voraussetzungen; denn die endgültige Befreiung kann nur erreicht werden, wenn sich der Schuldner redlich verhält und alles ihm mögliche tut und einsetzt, um eine weitestgehende Gläubigerbefriedigung zu gewährleisten. Zur Restschuldbefreiung muß der Schuldner einige Verpflichtungen beachten:

Anmerkungen

Trotz der vom Gesetzgeber neu geschaffenen Möglichkeiten wird das gerichtliche Insolvenzverfahren in allen seinen Ausprägungen, einschließlich der Variante des Sanierungsplans, auch weiterhin die schwierigste, im wahrsten Sinne des Wortes unbefriedigenste und - nicht zuletzt - wohl auch teuerste Möglichkeit der Schuldenbereinigung bleiben. Der Gesetzgeber hat lediglich Alternativen geschaffen, die dazu führen sollen, daß einerseits Privathaushalte nachhaltig "entschuldet" und im Unternehmen Arbeitsplätze erhalten bleiben, andererseits für Gläubiger auch bessere Ergebnisse erzielt werden. Aufgrund der stets mit einer Insolvenz verbundenen Folgen sollte in Zukunft ein irgendwie geartetes Insolvenzverfahren nur das letzte aller möglichen Mittel sein, wenn sämtliche außergerichtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft worden sind. Wichtig ist insofern in erster Linie die außergerichtliche Reorganisation einschließlich der Entwicklung umsetzbarer Konzepte, die bestenfalls das Ergebnis des Zusammenwirkens von Spezialisten (Unternehmensberater, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer) sind.

Diese Bemühungen lohnen nach neuer Rechtslage mehr denn je, wenn man bedenkt, daß früher die Durchsetzung außergerichtlicher Vergleiche dadurch behindert war, daß jeder Gläubiger die Möglichkeit hatte, sich einem solchen Vergleich zu verweigern und damit das gesamte Vorhaben scheitern zu lassen, während der grundsätzlich negativ eingestellte Gläubiger nach neuer Rechtslage stets damit rechnen muß, daß der ihm bereits außergerichtlich angebotene Vergleich bei verweigerter Zustimmung auf eigene Initiative des Schuldners durch das Gericht bestätigt wird. Auch wenn das eigentliche gerichtliche Insolvenzverfahren in Zukunft oftmals nicht vermeidbar sein wird, bestehen jetzt möglicherweise bessere Chancen für außergerichtliche Lösungen. Dazu müssen natürlich - auch in der Zukunft - alle "an einem Strang ziehen" und willens und in der Lage sein, sich zu verständigen - Schuldner wie Gläubiger, Lieferanten und Banken. Das Gesetz bietet neue Wege. Die Praxis wird zeigen, ob es für die Betroffenen wirklich Vorteile bringt.


Weitere Änderungen durch das neue Gesetz:

- Die alten "Konkursvorrechte" bestimmter Gläubiger werden zwecks gerechter Verteilung der vorhandenen Masse abgeschafft. Durch Übertragung der Verwertungsbefugnis an beweglichen Sachen und Forderungen auf den Insolvenzverwalter werden die gesicherten Gläubiger daran gehindert, die Forderungen oder das bewegliche Betriebsvermögen des insolventen Unternehmens frühzeitig zu verwerten.

- Das Vollstreckungsverbot erfaßt nunmehr auch das sog. Antragsverfahren.

- Die Gläubigerrechte werden verstärkt durch Einbeziehung der gesicherten Gläubiger in das einheitliche Verfahren: So entscheiden im Rahmen der InsO die Gläubiger im Gerichtstermin auf der Grundlage eines Berichtes des Insolvenzverwalters darüber, ob das insolvente Unternehmen stillgelegt oder fortgeführt wird. In diesem Termin können die Gläubiger den Insolvenzverwalter auch mit der Ausarbeitung eines Insolvenzplanes beauftragen.

- Das erhöhte Mitspracherecht der Gläubiger wird in der "Gläubigerversammlung" sowie im "Gläubigerausschuß" ausgeübt. Das Gericht entscheidet über die Einsetzung des Gläubigerausschusses, der den Insolvenzverwalter überwachen und unterstützen soll. Er beruft auch die Gläubigerversammlung ein, die den Verwalter bestätigt, neu wählt oder ihn z.B. mit der Ausarbeitung eines Insolvenzplanes beauftragt.

- Das Insolvenzplanverfahren als eine besondere Form des Insolvenzverfahrens, das auf privatautonomer Entscheidung beruht.

- Die sog. Verbraucherinsolvenz für natürliche Personen mit der Möglichkeit der Restschuldbefreiung.


Das Verbraucherinsolvenzverfahren selbst sieht drei Stufen vor:

1. Im Vorfeld des Insolvenzverfahrens muß sich der Schuldner möglichst unter Einschaltung geeigneter Stellen (Verbraucher-/Schuldnerberatung, Rechtsanwälte o. ä.) um eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern auf Grundlage eines Planes zur Schuldenbereinigung bemühen.

2. Gelingt die außergerichtliche Einigung nicht, kann bzw. muß beim zuständigen Insolvenzgericht das sog. gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren, ein nunmehr gerichtliches Einigungsverfahren, beantragt werden. Zur Erreichung einer Restschuldbefreiung ist u.a. das bisherige Bemühen um außergerichtliche Einigung nachzuweisen, ein Vermögensverzeichnis sowie ein Schuldenbereinigungsplan vorzulegen.

Auf dieser Stufe obliegt es dem Gericht, eine gütliche Einigung zwischen Gläubigern und Schuldner herbeizuführen, wobei das Gericht etwa im Interesse der Massesicherung entsprechende Maßnahmen anordnen kann. Wird eine Einigung erzielt, wirkt der zugrundeliegende Schuldenbereinigungsplan als gerichtlicher Vergleich und ist somit vollstreckbarer Titel.

3. Kommt es auch in der gerichtlichen Stufe zu keiner Einigung zwischen den Parteien, folgt - quasi als "letzter Akt" - ohne weiteren Antrag das vereinfachte Insolvenzverfahren. Unter bestimmten Voraussetzungen wird nun das Schuldnervermögen zugunsten der Gläubiger verwertet und ein Treuhänder eingesetzt, der einen für den Schuldner verbindlichen Tilgungsplan erstellt.


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