IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 7/1999, Seite 28 ff.


SANITÄR-/HEIZUNGSTECHNIK


Solaranlagen zur Brauchwassererwärmung

Praxiserfahrungen mit Großanlagen

Dr. Ulrich Schirmer, Dr. Jens Göring* · Teil 2

Nachdem sich der erste Teil des Fachaufsatzes mit der Planung, Auslegung, Installation und Betriebsweise solarer Großanlagen für die Brauchwassererwärmung befaßte, wird im zweiten Teil die technische und wirtschaftliche Seite solcher Projekte anhand zweier Beispiele betrachtet.

Bild 5: Kollektormontage am Objekt Studentenwohnheim J.-R.-Becher-Str.
(Foto Thomas Posanski).

4. Beispiele von großen Solaranlagen

Im folgenden werden zwei Solaranlagen zur Brauchwassererwärmung vorgestellt. Bei dem ersten Objekt handelt es sich um das Studentenwohnheim J.-R.-Becher-Straße, dem zweitgrößten Wohnheim in Leipzig. In den Jahren 1995 bis 1998 wurde das Studentenwohnheim einer vollständigen Sanierung unterzogen. Am Ende der Sanierung stehen den Studenten aller Hochschulen von Leipzig 1100 moderne Wohnheimplätze zur Verfügung. Im Zuge der Arbeiten entstand seitens des Studentenwerkes Leipzig die Idee, die Warmwasserbereitung mit einer Solaranlage zu unterstützen.

Bild 6: Gesamtansicht der drei Kollektorfelder am Studentenwohnheim J.-R.-Becher-Str.
(Foto Thomas Freitag).

Bild 7: Kollektorfeld 1 der Anlage im Alten- u. Pflegeheim "M.A. Nexö"
(Foto Thomas Freitag).

Bei der zweiten Anlage handelt es sich um das Städtische Alten- und Pflegeheim "M. A. Nexö" in Leipzig. Dieses Altenheim ist eines des größten seiner Art in Deutschland. Seit 1995 wird das Alten- und Pflegeheim einer schrittweisen Sanierung unterzogen. Auch hier entschied sich der Träger, die Stadt Leipzig, die Trinkwassererwärmung mit einer Solaranlage zu unterstützen.

Bild 8: Dichtheitsprüfung am Pufferspeicher der Anlage im Alten- u. Pflegeheim "M.A. Nexö"
(Foto Thomas Freitag).

4.1 Solaranlage mit Flachdachaufständerung der Kollektoren

Wie bereits im Abschnitt 2 erwähnt, sind die wichtigsten Kenngrößen für die Auslegung von großen Solaranlagen zur Brauchwassererwärmung, der tatsächliche Warmwasserbedarf und das tägliche Verbrauchsprofil, oftmals unbekannt. Für die Auslegung der Solaranlage im Studentenwohnheim J.-R.-Becher-Str. wurde der Bedarf an Warmwasser in einem bereits sanierten Wohnheim gleichen Bautyps mit 680 Wohnheimplätzen gemessen. Dies erfolgte mittels Volumenstromzählern in den Zulaufleitungen zu den Trinkwassererwärmern. Die Tagessummen über den Meßzeitraum von etwa drei Wochen sind in Bild 9 zu sehen. Während des Meßzeitraums lag der durchschnittliche WW-Verbrauch bei 26170 Liter pro Tag, bezogen auf eine Temperatur von 55 °C am Austritt des Trinkwasserspeichers.

Für die Dimensionierung der Solaranlage wurde ein WW-Verbrauch von insgesamt 27000 Liter pro Tag zugrundegelegt. Daraus ergibt sich eine Kollektorfläche von ca. 390 m2, bezogen auf eine Auslastung von 70 Liter zu erwärmenden Trinkwassers pro 1 m2 Kollektorfläche.

Bild 9: Diagramm gemessener Warmwasserverbrauch im Studentenwohnheim J.-R.-Becher-Str. (Tagessummen).

Bild 10: Prinzipschaltbild der Anlage im Studentenwohnheim J.-R.-Becher-Str. (mit ausgewählten Details der Sicherheits- und Regelungstechnik).

Technische Beschreibung

Das Prinzipschaltbild der solarunterstützten Brauchwassererwärmung ist in Bild 10 dargestellt. Das Kollektorfeld hat eine aktive Fläche von insgesamt 398,4 m2 und ist in drei Teilfelder untergliedert. Die Felder unterscheiden sich in ihrer selektiven Absorberbeschichtung (1 x Tinox, 2 x Schwarzchrom). Die Kollektoren sind auf dem Flachdach aufgeständert. Die aus der Sonnenstrahlung gewonnene Energie wird mittels Wärmeträgerflüssigkeit im Solarkreis transportiert und an den Beladekreislauf der Pufferspeicher abgegeben. Die Be- und Entladung der Pufferspeicher sowie die Nachheizung erfolgen über Wärmeübertrager. Die zwei vor Ort gefertigten Pufferspeicher haben ein Volumen von je 10000 Liter. Die Einschichtung des solar erwärmten Pufferwassers geschieht temperaturorientiert. Das schwankende Solarenergieangebot erfordert eine konventionelle Nachheizung. Bei dieser Anlage erfolgt die Nachheizung mit Fernwärme über einen Wärmeübertrager, der in den Trinkwasserkreislauf integriert ist. Aus hygienischen Gründen (siehe Abschnitt g) sowie aus Kostengründen ist das Trinkwasser vom Wasser in dem Puffersystem stofflich getrennt. Die Warmwasserspeicher haben ein Volumen von je 500 l und dienen als Bereitschaftsspeicher.

Bild 11: Gemessener Warmwasserverbrauch im Alten- u. Pflegeheim "M.A. Nexö" (Tagessummen).

4.2 Solaranlage mit Dachintegration der Kollektoren

Für die Auslegung der Solaranlage im Alten- und Pflegeheim "M. A. Nexö" wurde der Bedarf an Warmwasser meßtechnisch vor der Umrüstung ermittelt. Die Tagessummen über den Meßzeitraum von knapp drei Wochen sind in Bild 11 zu sehen. Während des Meßzeitraums lag der durchschnittliche WW-Verbrauch im Wohnbereich bei 30147 Liter pro Tag und in der Küche bei 4702 Liter pro Tag.

Für die Dimensionierung der Solaranlage wurde ein WW-Verbrauch von insgesamt 19500 Liter pro Tag zugrundegelegt. Daraus ergibt sich nach der bereits genannten Dimensionierungsrichtlinie eine Kollektorfläche von ca. 280 m2.

Bild 12: Prinzipschaltbild der Anlage im Alten- u. Pflegeheim "M.A. Nexö" (mit ausgewählten Details der Sicherheits- und Regelungstechnik).

Technische Beschreibung

Das Prinzipschaltbild der solarunterstützten Brauchwassererwärmung ist in Bild 12 dargestellt. Das Kollektorfeld hat eine aktive Fläche von insgesamt 294,4 m2 und ist in zwei Teilfelder untergliedert. Die Kollektoren sind kostengünstig in die Dachfläche integriert. Die Übergabe der Solarenergie vom Kollektorkreis an die Speicher erfolgt analog zur Anlage 4.1. Der vor Ort gefertigte Pufferspeicher hat ein Volumen von 14.000 Liter. Auch bei dieser Anlage erfolgt die Nachheizung mit Fernwärme über einen Wärmeübertrager, der in den Entladekreislauf integriert ist. Der Trinkwasserspeicher hat ein Volumen von 1500 Liter und dient als Bereitschaftsspeicher.

5. Kosten und Wirtschaftlichkeit

Solaranlagen mit einer Kollektorfläche größer 100 m2 können zu erheblich geringeren spezifischen Kosten gegenüber Kleinanlagen gebaut werden. Die Kostenverteilungen für die beiden im Abschnitt 4 vorgestellten Anlagen sind in Bild 13 zu sehen. Dabei ist zu beachten, daß für die Solaranlage im Studentenwohnheim Johannes-R.-Becher-Straße wegen der Aufständerung der Kollektoren auf einer Unterkonstruktion aus Stahl Mehrkosten in Höhe von 211 DM/m2 (netto) entstanden sind. Diese entfallen bei der Indachmontage des Kollektorfeldes im Städtischen Alten- und Pflegeheim "M. A. Nexö".

Der solare Deckungsanteil gibt an, wieviel Prozent an der Brauchwassererwärmung durch die Solarenergie pro Jahr abgedeckt werden können und liegt bei beiden Anlagen nur bei etwa 30%. Dieser relativ geringe Deckungsanteil entspricht dem aktuellen Kompromiß zwischen möglichst niedrigen Nutzwärmekosten und der Substitution großer Mengen fossiler Energieträger.

Bild 13: Kostenverteilung für beide Objekte (Angaben netto lt. Vergabe in DM/m2).

6. Zusammenfassung

Trotz aller aufgezeigten Probleme belegen die bisherigen Ergebnisse aus dem Förder- und Forschungsprogramm Solarthermie 2000, daß es ein richtiger Ansatz war, den Durchbruch zur Wirtschaftlichkeit für thermische Solaranlagen zur Trinkwassererwärmung im Großanlagensektor zu suchen. Nachdem seit kurzem auch Wohnungsgenossenschaften neben den bisher ausschließlich geförderten öffentlichen Trägern förderungsfähig sind, tut sich ein weiterer großer Einsatzbereich für diese Anlagentechnik auf. Entsprechend dem Demonstrationscharakter des Förderprogrammes werden sich die geförderten Anlagen nur auf eine geringe Stückzahl beschränken. Es bleibt jedoch zu hoffen, daß die sich einstellende Vorbildwirkung gut funktionierender Anlagentechnik auch im Großwohnanlagenbereich, wie bisher schon bei Krankenhäusern und Altenheimen, zum Multiplikator wird.

Im Studentenwohnheim wird ein solarer Energieertrag von 201.200 kWh pro Jahr erwartet.

Investitionskosten (inkl. Planung u. MwSt.):

549.752,00 DM

Spezifische Systemkosten
(inkl. Planung u. MwSt.):

1380 DM/m2

Garantierter Energieertrag des Installateurs:

502 kWh/(m2 a)

Solare Nutzwärmekosten (inkl. Planung u. MwSt., ohne Förderung):

(Zinssatz 6%, Systemlebensdauer 20 Jahre)

0,238 DM/kWh

Im Alten- und Pflegeheim wird ein solarer Energieertrag von 139.268 kWh pro Jahr erwartet.

Investitionskosten (inkl. Planung u. MwSt.):

330.456,00 DM

Spezifische Systemkosten
(inkl. Planung u. MwSt.):

1124 DM/m2

Garantierter Energieertrag des Installateurs:

474 kWh/(m2 a)

Solare Nutzwärmekosten (inkl. Planung u. MwSt., ohne Förderung):

(Zinssatz 6%, Systemlebensdauer 20 Jahre)

0,207 DM/kWh

 


* Dr. Ulrich Schirmer, Dr. Jens Göring: Technische Universität, Chemnitz, Professur Technische Thermodynamik, Steinbeis-Transferzentrum Energie- und Umwelttechnik Chemnitz.


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