IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 6/1999, Seite 106


HAUS DER TECHNIK


Kesseltausch

Der richtige Zeitpunkt für eine Überholung der gesamten Heizungsanlage

Dipl.-Ing. (FH) Michael Hartmann*

Mit Inkrafttreten der neuen Abgaswerte der letzten Novelle der Bundesimmissionsschutzverordnung (auch Kleinfeuerungsanlagen-Verordnung genannt) vom Januar 1998 kommt für viele Heizkessel das Aus! In Abhängigkeit von der Überschreitung dieser Grenzwerte gelten für Altanlagen Übergangsfristen zwischen dem 1.11.1999 und dem 1.11.2004. Zwischen 1 und 2 Millionen Heizkessel sind hiervon ab diesem Jahr betroffen. Doch für eine wirklich energiesparende und emissionsarme Heizungsanlage reicht ein einfacher Austausch des veralteten Kessels bei weitem nicht aus.

Energetische Betrachtung des Ist-Zustandes

Vor dem Einbau eines neuen Kessels sollte zunächst eine energetische Betrachtung des Gebäudes und seiner Heizungsanlage vorgenommen werden. Denn nur durch eine genaue Abstimmung aller anlagentechnischen Komponenten bekommt der Nutzer eine moderne Heizungsanlage mit niedrigem Energieverbrauch. Gerade im Bereich von Ein- und Zweifamilienhäusern, teilweise aber auch bei größeren Anlagen, werden diese Maßnahmen oft nicht beachtet, und so bleibt ein großes Potential an Energieeinsparung ungenutzt. Dabei sollte man solche zu modernisierenden Anlagen wie eine neue Anlage behandeln - unter Anwendung aller für Neuanlagen gültigen Normen und Gesetze.

Zunächst sollte das Fachunternehmen die installierte Kesselleistung (Heizlastberechnung) überprüfen. Denn seit der Erstinstallation des Kessels kann sich hier einiges verändert haben. Eventuell wurde die Anlage vergrößert, z.B. durch einen nachträglichen Dachgeschoßausbau. Wahrscheinlicher ist aber, daß die installierte Leistung bei weitem zu groß ist. Oft wurde zwischenzeitlich die Wärmedämmung des Gebäudes verbessert, oder es wurden z.B. neue Fenster mit Isolierverglasung eingebaut.

Hydraulischer Abgleich nach VOB / DIN 18380

Im nächsten Schritt sollte man das Rohrnetz und seine einzelnen Komponenten überprüfen. Dazu gehört eine Kontrolle der Heizflächen ebenso wie eine Nachprüfung der installierten Pumpenleistung und der Thermostatventile. Auch eine Überprüfung des korrekten hydraulischen Abgleiches der Anlage sollte unbedingt vorgenommen werden. Hydraulischer Abgleich nach VOB bedeutet u.a., daß alle Anlagenteile so einzustellen sind, daß die Wärmeverbraucher (Heizkörper, Konvektoren usw.) auch nach einer Raumtemperaturabsenkung ausreichend mit Heizwasser versorgt werden.

Bei einer automatischen Nachtabsenkung der Vorlauftemperatur können die Thermostatventile nun - je nach Raumtemperatur und Einstellung - völlig öffnen. Beim Wiederaufheizen werden in einer nicht abgeglichenen Anlage die hydraulisch günstig gelegenen Heizkörper mit überhöhten Wassermengen versorgt. Ungünstig gelegene Heizkörper bekommen entsprechend weniger Wasser, was zu unnötig langen Aufheizzeiten führt. Die Folgen des nicht durchgeführten Abgleiches werden in der Praxis meistens durch eine Erhöhung der Pumpenleistung oder der Vorlauftemperatur "bekämpft". Eine höhere Pumpenleistung führt neben einem höheren Stromverbrauch zunächst einmal dazu, daß die hydraulisch günstig gelegenen Heizkörper noch mehr Wasser erhalten. Irgendwann wird die Pumpenleistung so hoch sein, daß auch die ungünstig gelegenen Heizkörper schließlich mit einer gerade ausreichenden Wassermenge versorgt werden. Eine Erhöhung der Vorlauftemperatur hat natürlich einen größeren Primärenergieverbrauch durch höhere Verteilverluste zur Folge.

So verheizt der Anlagenbetreiber eine Menge Geld. Da Vergleichsmöglichkeiten fehlen, kann er häufig nicht nachvollziehen, wie teuer ihn die mangelhafte Ausführung der Heizungsanlage zu stehen kommt. In einer nicht abgeglichenen Heizungsanlage kann es leicht zu einem erhöhten Energieverbrauch von bis zu 15% kommen, so daß der Energieverbrauch des neuen Kessels häufig nur geringfügig unter dem des alten Kessels liegt.

Brennwertgeräte immer beliebter

Besonders gravierend wirkt sich dieser Effekt bei den immer beliebter werdenden Gasbrennwertgeräten aus. Moderne Brennwertgeräte zeichnen sich durch eine besonders gute Ausnutzung der eingesetzten Primärenergie aus. Gegenüber konventionellen Kesseln nutzen Brennwertgeräte auch die in den Abgasen enthaltene Energie sinnvoll aus. Voraussetzung für einen möglichst hohen Brennwertnutzen ist eine geringe Rücklauftemperatur. Jede Erhöhung wirkt sich zwangsläufig auf den Energieverbrauch aus. Wie bereits erläutert, werden in einem nicht abgeglichenen Heizungssystem etliche Heizflächen mit einem Vielfachen der eigentlich benötigten Wassermenge versorgt.

Bild 1: Durch ein nicht voreingestelltes Ventil fließt leicht ein vielfaches der erforderlichen Wassermenge. Nur durch die Sicherstellung der geplanten Spreizung mit voreinstellbaren Ventilgehäusen kann jedoch der Brennwerteffekt optimal genutzt werden.

Ein Blick in das Heizkörperleistungsdiagramm (Bild 1) zeigt den direkten Zusammenhang zwischen der Wassermenge und der erzielbaren Rücklauftemperatur. Steigt die Wassermenge beispielsweise auf das vierfache, sinkt die an der Heizfläche erzielte Spreizung auf nur noch 6 K gegenüber 20 K im Auslegungspunkt. Entsprechend steigt natürlich die Rücklauftemperatur. Nur durch die Sicherstellung der geplanten Spreizung kann der Brennwerteffekt optimal genutzt werden.

Für die Praxis heißt das nun, daß Thermostatventile, Rohrleitungsnetz und die Umwälzpumpe genau aufeinander abgestimmt sein müssen. Nur so kann sichergestellt werden, daß jeder Heizkörper in allen Betriebssituationen ausreichend mit Heizwasser versorgt wird. Zur Ausführung des hydraulischen Abgleiches schreibt die VOB deshalb Möglichkeiten der Begrenzung der Durchflußmenge an jeder Raumheizfläche wie z.B. voreinstellbare Thermostatventile vor. In den meisten Fällen ist es deshalb durchaus sinnvoll, die vorhandenen Thermostatventile gegen moderne, voreinstellbare Ventilgehäuse auszutauschen, um die Wassermenge an die verringerte Heizlast anzupassen.

Bild 2: Ein Blick in das Innere eines Heizkörperthermostaten.

Austausch von Thermostatventilen - auf was Sie achten sollten

Bei einem Tausch des Ventilgehäuses gegen eine moderne Ventilkonstruktion ist auch die Auswahl des richtigen Fühlerelementes zu überdenken. Prinzipiell funktioniert ein Thermostatventil, indem es die im Raum vorhandene Temperatur mißt und selbsttätig den Zufluß von Heizwasser reguliert. Herzstück eines Thermostatventils ist ein normalerweise mit Gas oder Flüssigkeit gefülltes Wellrohrelement, das sich bei Temperaturerhöhung ausdehnt und so die Wasserzufuhr zur Heizfläche drosselt. Sinkt die Raumtemperatur, zieht sich das Wellrohrelement zusammen, die Heizwasserzufuhr wird erhöht (Bild 2).

Bild 3: Thermostatventil mit eingebautem Fühler.

Voraussetzung für die richtige Funktion eines Thermostatventils ist vor allem die richtige Plazierung des Fühlerelementes. Der Fühler muß die Raumtemperatur möglichst genau erfassen können. Um dies zu gewährleisten, gibt es verschiedene Arten von thermostatischen Fühlerelementen. Am häufigsten eingesetzt wird das Thermostatventil mit eingebautem Fühler, das verwendet werden kann, wenn das Ventil frei zugänglich montiert ist und von der Raumluft umströmt werden kann (Bild 3). Häufig sitzt das Ventil jedoch in einem Wärmestau, beispielsweise hinter dichten Gardinen, unter einer tiefen Fensterbank oder von Möbelstücken verdeckt. In einem solchen Fall ist ein Thermostatventil mit Fernfühler zu verwenden.

Bild 4: Ein Ferneinstellelement empfiehlt sich, wenn das Heizkörperventil unzugänglich montiert ist, z.B. unter einer Arbeitsplatte einer Einbauküche.

Ist das Heizkörperventil unzugänglich montiert, beispielsweise hinter einer Verkleidung oder unter der Arbeitsplatte einer Einbauküche, empfiehlt sich die Verwendung eines Ferneinstellelements (Bild 4). Bei dieser Fühlerbauform können Einstellteil und Fühlerelement getrennt vom Ventil an einer gut zugänglichen Stelle untergebracht werden.

Bild 5: Thermostatventile mit eingebautem Fühler und mit Fernfühler.

Fazit

Wie die geschilderten Beispiele zeigen, ist es bei der Modernisierung einer Heizungsanlage zur Erfüllung der verschärften Abgasvorschriften in der Regel nicht nur mit einem einfachen Austausch des Heizkessels getan. Um eine energiesparende Heizungsanlage zu erzielen, ist eine Analyse des Ist-Zustandes der gesamten Anlage notwendig. Gerade die Anpassung von vergleichsweise preiswerten Komponenten wie Thermostatventilen beinhaltet oft hohen Nutzen für den Betreiber der Anlage (Bild 5). Eine Anpassung des Heizmittelstromes an die tatsächlichen Gegebenheiten ist ebenso Voraussetzung für die richtige Funktion der Anlage wie die richtige Auswahl des thermostatischen Fühlerelementes.


*) Dipl.-Ing. (FH) Michael Hartmann, Produktingenieur Thermostatventile und Strangventile bei Danfoss Wärme- und Kältetechnik in Heusenstamm.


Bi l d e r:   Danfoss Wärme- und Kältetechnik, 63130 Heusenstamm


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