IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 5/1999, Seite 32 ff.


SANITÄRTECHNIK


Ein Berliner Projekt mit Signalwirkung

Haus des Deutschen Städtetages

Regenwassernutzung im Verwaltungsgebäude

Dipl.-Ing. Klaus W. König

Was haben Debis, Deutscher Industrie- und Handelstag (DIHT) und Deutscher Städtetag gemeinsam? - Richtig: Das "D" als Initiale und den neuen Geschäftssitz in Berlin. Doch da ist noch etwas Drittes: Sie nutzen Regenwasser im Gebäude!

Ernst-Reuter-Haus, Haus des deutschen Städtetages in Berlin-Tiergarten, Fassade an der "Straße des 17. Juni". Foto: K. König

Prominenz im Vergleich:

Debis hat am Potsdamer Platz neu gebaut und nutzt das Dachwasser seit Ende 1998 für Toilettenspülung und Außenanlagen.

Der DIHT errichtet zur Zeit einen Neubau im Bezirk Stadtmitte am Mühlendamm; Bezugstermin Ende 1999. Um korrekt zu sein: Gleich drei Spitzenverbände werden unter dem Dach dieses Gebäudes tätig und haben teil an der Regenwassernutzung: Neben dem DIHT e.V. auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI). Das Zisternenwasser ist vorgesehen für Toiletten und Teile der Sprinkleranlage.

Der Deutsche Städtetag hat Ende 1998 seine Bundesgeschäftsstelle von Köln nach Berlin verlegt, in das 1938 am Tiergarten erstellte Ernst-Reuter-Haus. Im Zuge der Renovierung wurde ein separater Betriebswasserkreislauf eingebaut für Toilettenspülung und Bewässerung der Außenanlagen.

Ernst-Reuter-Haus, Bauschild während der Renovierung 1998. Foto: K. König

Projektbeschreibung Ernst-Reuter-Haus

Das Haus des Deutschen Städtetages, benannt nach dem 1953 verstorbenen Regierenden Bürgermeister von Berlin, Ernst Reuter, ist ein Gebäudekomplex mit wechselvoller Geschichte. Ende der dreißiger Jahre errichtet für den zwangsweise gegründeten Einheitsverband deutscher Gemeinden, nach dem Krieg unter Kontrolle der britischen Militärregierung gestellt, wird das 209 m lange Bauwerk 1951 Eigentum des Vereines für Kommunalwissenschaften und etabliert sich als kommunales Dienstleistungszentrum. Die Lage: Zwischen Spreebogen und Landwehrkanal, am S-Bahnhof Tiergarten, vis à vis der Technischen Universität. Adresse: Straße des 17. Juni 110-114, 10623 Berlin.

Mit der Sanierung dieses Gebäudes wurde 1998 die Chance genutzt, Wasserversorgung und Entwässerung umweltschonend durch Maßnahmen zur Regenwasserrückhaltung und Regenwassernutzung auf den neuesten ökologischen Stand zu bringen. Zuvor hatte man das anfallende Niederschlagswasser von den Dachflächen unmittelbar in den Schmutzwasserkanal eingeleitet und gleichzeitig sämtliche Toiletten mit bestem Trinkwasser gespült. Die Forderung nach Rückhaltung des Regenabflusses kam von der Baugenehmigungsbehörde, der Impuls zur Verwendung des Regenwasservorrates vom Fachingenieur. Verwendet wurden vorgefertigte Bausysteme, einfach und unkompliziert für Planer und Handwerker. Alternative Wasserkonzepte können durch eine solche Modulbauweise professionell und kostengünstig realisiert werden. Die Zisternen-, Filter- und Pumpentechnik hat gerade in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht [1], die auch diesem Projekt zugute kamen.

Betriebswasser-System: Hybridanlage mit U-Pumpen, Zwischenbehälter, Druckerhöhungsanlage. Zeichnung: ING. FTG, Berlin

Auslegung der Pumpentechnik

An die Verbrauchsstellen, hier Toilettenspülung und Gartenbewässerung, wird durch eine hauseigene Druckerhöhungsanlage das Betriebswasser mit normalem Leitungsdruck geliefert. Dieses aus der Zisterne stammende Wasser fließt streng getrennt in einem eigenen Leitungsnetz. Ist der Speichervorrat aufgebraucht, wird automatisch Trinkwasser in das System eingespeist, allerdings über die Sicherheitseinrichtung des "freien Auslaufes". Für Gebäude mit stark wechselnden Bedarfsmengen wie hier sind "Hybrid"-Anlagen sinnvoll. Dabei wird ein Zwischenspeicher im Gebäude automatisch mit Zisternenwasser aufgefüllt. Die nachgeschaltete Druckerhöhungsanlage besteht aus mehreren Pumpen, die nach Bedarf einzeln oder gemeinsam in Betrieb gehen, gesteuert durch den Druckabfall in der Versorgungsleitung. Die zugehörige elektronische Schaltung stellt auch sicher, daß die Pumpen abwechselnd laufen, d.h. gleichmäßig abgenutzt werden, daß der Defekt einer einzelnen Pumpe durch die anderen ausgeglichen wird und sofort eine Meldung beim Hausmeister erfolgt.

"Der Deutsche Städtetag gründete 1973 das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) mit dem Ziel, den Kommunalverwaltungen durch wissenschaftlich fundierte Beratung die Lösung aktueller Probleme zu erleichtern..." liest man in der 1993 verfaßten Broschüre zum Ernst-Reuter-Haus [6]. Arbeitsschwerpunkt des Institutes ist unter anderem der kommunale Umweltschutz und die Stadtökologie, die Umweltberatung für die neuen Länder, Umweltrecht und Naturschutz. Man darf nun gespannt sein, wie sich die eigenen Erfahrungen mit dezentraler Regenrückhaltung und Regenwassernutzung auf die Städteberatungen, Fortbildungsseminare, Informationen und Publikationen auswirken werden.

Zwischenbehälter (rechts), dreistufige Druckerhöhungsanlage mit Ausdehnungsgefäß (links). Foto: Wilo

Auswahl der Speicher- und Filtertechnik

Unterirdische Regenspeicher mit großem Fassungsvermögen wurden bisher in Ortbeton hergestellt. Statische Berechnungen sind vorab erforderlich; die Ausführung ist bei schlechter Witterung langwierig und in Berlin meist verbunden mit teuren Wasserhaltungsarbeiten während des Baubetriebes. Der hohe Grundwasserstand hätte für den konventionellen Speicherbau auch hier erhebliche Kosten und eine ökologisch unerwünschte Grundwasserabsenkung verursacht.

Gesetzliche Vorschriften

für die Regenwasserinstallation im Gebäude:

Die Mitteilung an das zuständige Wasserversorgungsunternehmen vor Errichtung der Anlage.

Die Trinkwassernachspeisung bei leeren Speichern ausschließlich durch freien Auslauf gemäß DIN 1988.

Die Kennzeichnung der betriebswasserführenden Leitungen, soweit sie nicht erdverlegt sind. Sie müssen farblich unterschiedlich zum Trinkwassernetz sein. Die freien Zapfstellen, wie Gartenwasserventile, sind zusätzlich zu beschildern. Darüber hinaus wird empfohlen, Steckschlüssel oder abschließbare Ventiloberteile zu verwenden. Vorgenannte Maßnahmen helfen, einer Verwechslung der Wassersysteme vorzubeugen.

Zur Ermittlung der optimalen Speichergröße

Berechnung mit willkürlich gewählten drei Speichergrößen

 

Variante 1

Variante 2

Variante 3

Speichergröße

60 m3

72 m3

90 m3

Trinkwasser- Einsparung

64%
1197 m3

66%
1243 m3

69%
1288 m3

Niederschlags- Ausnutzung

80%
290 m3

83%
245 m3

86%
200 m3

Niederschlagszufluß

1485 m3

1485 m3

1485 m3

Speicherüberlauf

290 m3

245 m3

200 m3

Trinkwasserzuschuß

665 m3

619 m3

573 m3

Gesamtwasserbedarf

1862 m3

1862 m3

1862 m3

Bearbeitet wurden 10 Niederschlagsjahre der Datei BLN 60_69. NIE.

Alle Werte sind Durchschnittswerte, gebildet aus 10 Niederschlagsjahren.

Der Befüllungsgrad des Speichers am Berechnungsbeginn betrug 50 Prozent.

Speichersimulation, tabellarisch. Ausdruck nach Eingabe der spezifischen Niederschlags- und Verbrauchsdaten und Vorauswahl von drei Speichervarianten. Quelle: Software RAINING, Sanitärsystemtechnik Berlin

Daher fiel die Wahl auf verschraubbare Beton-Fertigteil-Elemente mit geringer Bauhöhe. Durch halbrunde Segmente und U-förmige Zwischenstücke kann eine ovale Behälterform in beliebiger Länge entstehen. Flache Abdeckplatten, in der gleichen Teilung, werden passend zu den Zwischenstücken aufgeschraubt. Sonderwünsche, wie befahrbare Abdeckungen oder Auftriebssicherung gegen Aufschwimmen leerer Behälter im anstehenden Grundwasser können bei dieser Fertigbauweise schnell und preiswert erfüllt werden. Die Durchgänge für Zulauf-, Entnahme- und Überlaufleitungen sind in der Speicherwand eingegossen, so daß die Rohre nur durchgesteckt werden müssen. Da die Lieferung und die Montage durch den Hersteller selbst erfolgt, ist die gesamte Gewährleistung in einer Hand. Bauherrschaft und Bauleitung profitieren davon.

Speichersimulation, grafisch. Ausdruck nach Eingabe der spezifischen Niederschlags- und Verbrauchsdaten. Quelle: Software RAINING, Sanitärsystemtechnik Berlin

Spezielle Vorteile für das Projekt "Ernst-Reuter-Haus": Durch die vorhandene Typenstatik für Fertigteile entfällt die zeitaufwendige Abstimmungsphase bei der Baugenehmigung. Die schnelle Betriebsbereitschaft der verschraubbaren Fertigteilbehälter ermöglicht es, die teure Grundwasserabsenkung auf wenige Tage zu beschränken. Die LKW-befahrbaren Schachtabdeckungen können serienmäßig geliefert werden.

Die richtige Bauart und Funktion des Grobschmutz-Vorfilters ist eine wesentliche Voraussetzung für den störungsfreien Betrieb. Die vom Dach zufließenden groben Verunreinigungen, überwiegend Blätter und Pflanzenreste, sollen vor oder in der Zisterne zurückgehalten werden. Ein solcher Filter muß ohne großen Aufwand schnell gesäubert werden können. Die Größe von Schacht- und Filterfläche wird hier projektbezogen so dimensioniert, daß die Niederschlagsmenge der angeschlossenen Dachflächen gemäß DIN 1986 ohne Rückstau das Filtermaterial passieren kann. Es besteht aus Porenbeton-Elementen, Filterfeinheit 0,2 mm. Diese sind zu einer senkrecht stehenden Tauchwand montiert. Der Ablauf zur Zisterne ist als T-Stück ausgebildet, so daß eine eventuell vorhandene Schwimmschicht zurückbleibt. Das Absaugen des Filtergutes samt eingestautem Wasser erfolgt nach Bedarf ohne großen Aufwand durch ein Fahrzeug der Kanalreinigung.

Schnitt durch die unterirdische Speicheranlage, Fassungsvermögen 70 m3. Werkzeichnung: MALLBETON

Dimensionierung der Regenwasseranlage

Mit den Zahlen von Jahresniederschlag und Auffangfläche kann der Regenertrag ermittelt werden. Der Jahresbedarf ergibt sich aus dem Produkt von Personenzahl und spezifischem Jahresverbrauch.

Softwareprogramme ermöglichen heute sehr anschaulich die Simulation der Nutzergewohnheiten und berücksichtigen bei entsprechender Eingabe Wochenend- und Ferienzeiten, in denen bei einem Gebäude wie diesem der Verbrauch stagniert. Sie ermitteln die Menge des anfallenden Niederschlages mit den saisonalen Schwankungen. Dies geschieht auf der Grundlage täglicher Niederschlagswerte von zehn aufeinanderfolgenden Jahren, bezogen auf den nächstgelegenen Ort, von dem Wetteramtsdaten vorliegen.

Lieferung Speicher-Fertigteil. Versetzen mit Autokran in die Baugrube. Foto: MALLBETON

Bauablauf

Die Montage der Betonfertigteile für die Speicheranlage erfolgte mit einem Autokran. Im konkreten Fall war das schwerste Einzelgewicht eine Halbschale mit 13 t. Sie mußte unter einer bestehenden Elektro-Hauptleitung placiert werden. Das Verschrauben der Speicherteile wurde in acht Stunden erledigt, nach weiteren fünf Stunden waren die Filterschächte betriebsbereit. Die Anschlußleitungen im Außenbereich wurden anschließend in frostfreier Tiefe verlegt, die Baugrube verfüllt. Die Sanitärinstallation im Gebäude konnte zeitlich unabhängig davon Ende 1998 fertiggestellt werden.

Montage der verschraubbaren Beton-Fertigteile. Die links im Bild sichtbare Elektrohauptleitung mußte unterbaut werden. Während der Montage war rundwasserabsenkung erforderlich. Foto: MALLBETON

Projektdaten:

Bauherrschaft: Verein für Kommunalwissenschaften e.V.

Sanitärplanung und Fachbauleitung: ING. FTG, Berlin

Ausführung Regenwassertechnik: HSW, Heizung Sanitär Woltersdorf e.G.

Nutzer: Verein für Kommunalwissenschaften e.V., Deutscher Städtetag, Deutsches Institut für Urbanistik

Angeschlossene Dachfläche: 1200 m2

Regenwassernutzung: 34 WC- und 26 Urinalanlagen, Bewässerung der Grünflächen im Außenbereich


L i t e r a t u r :

[1] Innovation Betriebswassernutzung, fbr Schriftenreihe Band 3, Referentenbeiträge zur Jahrestagung 1998, Hrsg.: fbr, Fachverband für Betriebs- und Regenwassernutzung e.V. Darmstadt. Frankfurt, 1998.

[2] Holländer, R. u.a.: Mikrobiologisch-hygienische Aspekte bei der Nutzung von Regenwasser als Betriebswasser für Toilettenspülung, Gartenbewässerung und Wäschewaschen. Das Gesundheitswesen, Heft 5/96, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York.

[3] König, Klaus W.: Regenwassernutzung von A-Z. Ein Anwenderhandbuch für Planer, Handwerker und Bauherren. Schwerpunkt Sanitär- und Speichertechnik. Fünfte Auflage, Mallbeton-Verlag, DS-Pfohren, 1999.

[4] König, Klaus W.: Regenwasser in der Architektur, Ökologische Konzepte. Fachbuch zur Regenwasserbewirtschaftung. Dokumentation ausgeführter Beispiele, mit Angaben zu den Kosten. Ökobuch-Verlag Staufen, 1996.

[5] König, Klaus W.: Zum Umgang mit Regenwassernutzung, Leitfaden für Kommunen in Deutschland. Ökologie, Recht und Gebühren, Technik. Beispiele und Erfahrungen aus Sicht der Gemeindeverwaltung; Mallbeton-Verlag, DS-Pfohren, 1999.

[6] Lissek-Schütz, Ellen: Ernst-Reuter-Haus. Das Haus des Deutschen Städtetages in Berlin. Hrsg.: Deutscher Städtetag Köln und Verein für Kommunalwissenschaften e.V. Berlin, 1993.


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