IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 23/1998, Seite 59 f.


RECHT-ECK


Der alte Streit: Was sind anerkannte Regeln der Technik

Wann entspricht die Leistung des SHK-Betriebs den anerkannten Regeln der Technik

RA F.-W. Stohlmann

In der Praxis und auch in späteren Bauprozessen wird häufig die Streitfrage erörtert, ob die Leistung des SHK-Betriebes den anerkannten Regeln der Technik entspricht und bis zu welchem Zeitpunkt diese anerkannten Regeln der Technik gelten: Bei Auftragsvergabe, bei Abnahme oder gar bis zum Ende der Gewährleistungsdauer?

Um es vorwegzunehmen: Der entscheidende Zeitpunkt, an dem die Leistung des Unternehmers den anerkannten Regeln der Technik entsprechen muß, ist der Abnahmezeitpunkt. Soweit die Planung der Anlage schon Jahre zurückliegt, die Ausführung dann weitere zwölf Monate beansprucht und dann zur berühmten Abnahme geschritten wird, so kommt es allein auf diesen Abnahmezeitpunkt an. Es ist denkbar, daß zum Zeitpunkt der Planung andere Regelungen galten als vier Jahre später, wenn die Leistung abgenommen wird.

Der Unternehmer trägt die Verantwortung dafür, daß seine Leistung zum Zeitpunkt der Abnahme den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Dies hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 14. Mai 1998 noch einmal ausdrücklich hervorgehoben. In dem entsprechenden Fall ging es darum, welcher Luftschallschutz vertraglich von seiten des Unternehmers geschuldet war. Der entsprechende Entwurf von 1984 orientierte sich an der DIN 4109, Ausgabe 1962. Deren Inhalt wurde in der Folgeausgabe DIN 4109, vom November 1989, vollständig überarbeitet und dem Stand der Technik angepaßt, worauf auch in der Ausgabe Nov. 89 hingewiesen wurde.

Unter Hinweis auf die neue, nach Vertragsschluß eingeführte DIN-Norm rügte der Auftraggeber bei Abnahme die Luftschallmängel und wies darauf hin, daß der Unternehmer nicht nach dieser DIN-Norm geleistet habe. Der Auftragnehmer berief sich dagegen darauf, daß die bei Vertragsschluß geltende Norm von ihm eingehalten worden sei. Der BGH hat sich in seiner Entscheidung ausführlich mit der Frage befaßt, welcher Luftschallschutz von seiten des Unternehmers geschuldet wird. Insofern weist der BGH darauf hin, daß es immer bei derartigen Fragen um die Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen gehe. Wenn bestimmte Schalldämmaße ausdrücklich im Vertrag vereinbart seien, so sei der Unternehmer verpflichtet, sich nach diesen Schalldämmaßen zu richten. Unabhängig von dem jeweiligen Stand der anerkannten Regeln der Technik gehe also die vertragliche Vereinbarung in jedem Falle vor, da seitens des Auftraggebers auch höhere Anforderungen gestellt werden könnten, als sie sich in den anerkannten Regeln der Technik ausdrücken.

Umgekehrt gilt dasselbe:

Wenn die vertragliche Vorgabe einen unzureichenden Schallschutz ausweist, der nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht, so kann der Unternehmer diese Leistung verwirklichen, soweit er ordnungsgemäß Bedenken gegen diese Vorgabe des Bauherrn vorgebracht hat. Ohne Bedenkenanmeldung wird er in die Pflicht genommen und muß die anerkannten Regeln der Technik beachten. Soweit er aber darauf hinweist, daß dieser Schallschutz unzureichend sei, der Bauherr aber bei seiner Anordnung bleibt und z.B. argumentiert, daß er aus Kostengründen nicht in der Lage sei, diese Anforderungen zu erfüllen, dann reicht es aus, wenn sich der Unternehmer auf diese Anordnung beruft, soweit er vorher nachhaltig und beweisbar die entsprechenden Bedenken schriftlich dem Auftraggeber (nicht dem Architekten oder Ingenieurbüro!) gegenüber geäußert hat. Allerdings gibt es in der Rechtsprechung Tendenzen, die noch mehr vom Unternehmer verlangen. Der Unternehmer soll nach Auffassung bestimmter Baujuristen gezwungen sein, eine sog. Freistellungserklärung vom Auftraggeber zu erhalten, die ungefähr folgenden Wortlaut haben könnte:

"Hiermit erkläre ich als Auftraggeber, daß ich von dem Unternehmer U über die unzureichenden Schalldämmaße informiert bin. Der Unternehmer hat mich darüber aufgeklärt, daß die Schalldämmaße bei Ausführung der Leistung nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprechen. In Kenntnis dieser Hinweise des Unternehmers ordne ich an, daß die Leistung im Sinne der Planung durchgeführt wird. Ich stelle hiermit den Unternehmer für die Zukunft von sämtlichen Gewährleistungsansprüchen frei, die sich aus meiner Anordnung ergibt. Mir ist bewußt, daß der Schallschutz nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht."

Vorsorglich sollte daher jeder SHK-Betrieb, der sehenden Auges einen Mangel feststellt und diesen auch ordnungsgemäß gem. § 4 Nr. 3 VOB/B im Rahmen der Bedenkenanzeige dem Auftraggeber mitteilt, den weiteren Schritt gehen und um die Abgabe einer Freistellungserklärung durch den Auftraggeber ersuchen. Dann ist er völlig sicher, daß er später nicht in Regreß genommen werden kann. Auch eine Freistellungserklärung hilft dem SHK-Betrieb nicht weiter, wenn sicherheitstechnische Mängel bestehen, die zu einer Gefährdung von Leib und Leben dritter Personen oder des Auftraggebers selbst führen können. Bei Anordnungen dieser Art muß der Unternehmer die Durchführung der Leistung verweigern. Er ist dann berechtigt, den Auftrag zu kündigen und entsprechenden Schadenersatz zu verlangen.

Zurück zur anerkannten Regel der Technik:

Eine Werkleistung ist daher im allgemeinen mangelhaft, wenn sie nicht den zur Zeit der Abnahme anerkannten Regeln der Technik als vertraglichem Mindeststandard entspricht. Der Besteller darf redlicherweise erwarten, daß das Werk zum Zeitpunkt der Fertigstellung und Abnahme diejenigen Qualitäts- und Komfortstandards erfüllt, die auch vergleichbare andere zugleich fertiggestellt und abgenommene Bauwerke erfüllen. Der Unternehmer sichere üblicherweise stillschweigend bei Vertragsschluß die Einhaltung dieses normalen Standards zu, wobei darauf hinzuweisen ist, daß in der Regel die DIN-Normen den anerkannten Regeln der Technik entsprechen.

Da die DIN-Normen aber keine Rechtsnormen sind, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter, kann es passieren, daß die DIN-Normen hinter der anerkannten Regel der Technik "herhinken". Dies war in den 70er Jahren der Fall, soweit sich der Unternehmer noch auf die alte nicht abgeschaffte Schallschutznorm des Jahres 1962 berief. Im Rahmen des in den 70er Jahren entstandenen Komfortdenkens waren diese in der DIN noch enthaltenen Richtlinien überholt, so daß die Einhaltung der DIN trotzdem zu einer mangelhaften Leistung führte, da der erhöhte Standard, der sich in den Fachkreisen herausgebildet hatte, durch Einhaltung der DIN nicht mehr realisieren ließ.

Der Bundesgerichtshof hat daher in dem zu beurteilenden Fall im Mai 1998 dargelegt, daß die vom Unternehmer verwirklichte Leistung nicht mehr den anerkannten Regeln der Technik genügten, weil diese Schalldämmaße des Entwurfes von 1984 durch die Weiterentwicklung, bezogen auf die Ausgabe November 1989, überholt gewesen seien.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß es nicht nur die nachhinkende Norm, sondern auch die sog. vorweggaloppierende Norm gibt. Werden in einem Normausschuß bestimmte Anforderungen gestellt, die sich dann in der Norm verwirklichen, so kann es ausnahmsweise passieren, daß diese Qualitätsstandards in einem gewissen Übergangszeitraum noch nicht zu verwirklichen sind. Die vorweggaloppierende Norm bedeutet, daß noch immer die anerkannten Regeln der Technik in diesem Gewerk gelten und daß sich erst durch die tatsächliche Anwendung und Anerkennung in Fachkreisen diese Norm zur anerkannten Regel der Technik entwickelt. Daher kann bei Nichtbeachtung einer "vorweggaloppierenden" Norm dennoch ein mangelfreies Werk vorliegen, soweit der Unternehmer sich nach den anerkannten Regeln der Technik gerichtet hat und die entsprechenden Fachkreise die Leistung ebenso wie er selbst verwirklicht hätten.

Ganz unabhängig von diesen interessanten Rechtsfragen ist der Hinweis notwendig, daß die Gewährleistungsbestimmung des § 13 Nr. 1 VOB/B aus verschiedenen Tatbeständen besteht. So ist es möglich, daß der Unternehmer die anerkannten Regeln der Technik einhält und dennoch ein Mangel im Sinne des Baurechtes vorliegt. Der Unternehmer hat zu beachten, daß er

Der Unternehmer schuldet daher den Erfolg einer mangelhaften Leistung, so daß selbst bei Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik ein objektiver Mangel vorliegen kann mit der Folge einer Eintrittspflicht im Rahmen der Gewährleistung.

Auf das interessante Urteil des OLG Frankfurt zum Blasbachtalbrückenfall wird verwiesen. Hier hat das OLG Frankfurt dem Unternehmer eines Brückenbauwerkes, bei dem sich nach vier Jahren Rißbildungen im unteren Brückenbereich zeigten, konstatiert, daß er die anerkannten Regeln des Brückenbaus zum Zeitpunkt der Erstellung der Brücke eingehalten hat. Das OLG hat aber darauf hingewiesen, daß dies allein nicht genüge. Da der Unternehmer den Erfolg einer mangelfreien Leistung schulde, andererseits aber Rißbildungen im unteren Brückenbereich aufgetreten seien, habe er diesen versprochenen Erfolg nicht eingehalten. Er wurde folglich zur gesamten Kostenübernahme der entstandenen Drittunternehmerkosten verurteilt.


Ergebnis:

Der Unternehmer ist trotz Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik im Risiko, soweit sich an seinem Gewerk im Laufe der Gewährleistung objektive Fehler zeigen und der Unternehmer nicht beweisen kann, daß diese Mängel an seiner Leistung auf Drittursachen zurückzuführen sind. Hiervon zu unterscheiden sind allerdings die sog. Verschleißfälle, bei denen zum Zeitpunkt der Abnahme eine ordnungsgemäße Leistung vorlag und sich aufgrund der vom Bauherrn zu vertretenden Verschleißrisiken im Laufe der Jahre Mängel zeigen.

Dies ist insbesondere bei regeltechnischen Anlagen, Pumpen, komplizierten elektrotechnischen Anlagen häufig der Fall. Diese sind zum Zeitpunkt der Abnahme vertragsgerecht und erleiden im Laufe der Nutzung eine Abnutzung. Für dieses Risiko hat der Unternehmer nicht einzustehen, da Verschleißrisiken eindeutig dem Auftraggeberrisiko zuzuordnen sind. Insofern wird noch einmal auf das bekannte Urteil des OLG Braunschweig zur Mangelhaftigkeit einer Speisewasserpumpe verwiesen, die kurz vor Ablauf der Gewährleistung kaputt ging. Das OLG Braunschweig hat dem Auftraggeber keinen Ersatzanspruch zugebilligt und ist davon ausgegangen, daß bei dem Lauf einer Speisewasserpumpe für einen Zeitraum von 1¾ Jahren von einer ordnungsgemäßen Leistung zum Zeitpunkt der Abnahme auszugehen sei und daher - die Pumpe war vom Auftraggeber verschrottet worden - aufgrund der Beweislastregelung davon auszugehen sei, daß ein Verschleiß vorliege. Allein aus der Dauer des störungsfreien Betriebes von 1¾ Jahren hatte das OLG Braunschweig geschlossen, daß zum Zeitpunkt der Abnahme - auf den es allein ankommt - eine vertragsgemäße Leistung, nämlich eine ordnungsgemäße Pumpe zum Einbau gekommen sei.


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