IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 23/1998, Seite 3


EDITORIAL


Großhandel wörtlich genommen

Frank Linnig

Vor fast genau fünf Jahren nannte sie Heinz Wippich in einem Interview mit der IKZ-HAUSTECHNIK ein ausgesprochenes "Lachthema". Was den Gienger-Chef und heutigen DGH-Vize damals so erheiterte? Die "völlig an den Haaren herbeigezogenen" Diskussionen über die Konzentration im haustechnischen Großhandel. Diese Verniedlichungsmentalität war aus der Sicht des Absenders - immerhin einem wichtigen Repräsentanten der nicht minder bedeutenden GC-Gruppe - sogar irgendwie verständlich. Ansonsten rief sie in der Branche jedoch eher ungläubiges Erstaunen hervor. Und das, wohlgemerkt, bereits anno 1993.

Inzwischen dürfte selbst den talentiertesten Beschwichtigungskünstlern das Lachen gründlich vergangen sein. 1998 dreht(e) sich das Konzentrationskarussell auf Großhandelsebene in einem derartigen Tempo, daß man Mühe hat, die "wer schluckt wen?"-Fakten noch sauber zu protokollieren. Von den permanenten Gerüchten, schnellen (halbherzigen) Dementis und "heißen Übernahmekandidaten" ganz zu schweigen. Das Besondere und langsam auch Bedrohliche daran: Auf der Käuferseite tauchen verstärkt stets die gleichen Namen auf. Der deutsch-amerikanische Investorenkreis Clayton, Dubilier & Rice, der niederländische Schuttersveld-Konzern sowie das heimische GC-Schwergewicht verfügen offen- bzw. scheinbar über das meiste Kapital.

Klar, daß sie das durch ihre expansive Strategie letztlich weiter vermehren wollen. Das ist ebenso legitim wie chancenreich. Die im Prinzip schlichte Erfolgsformel lautet: Man addiere Umsätze (statt Leistungen) und bitte die Industrie zur erneuten Bonuskasse. Oder etwas boshafter ausgedrückt: Man lasse sich so die Übernahmen vom "Partner" Hersteller kräftig mitfinanzieren. Kein Wunder, daß sich in den Chefetagen der Produzenten - übrigens auch bei den Hausmarken-Lieferanten der Giganten - "prozentuale" Krisenmeetings häufen. Zu allem Überfluß suchen mittelständische und oft familiengeführte Großhändler, von Skeptikern ohnehin schon als "aussterbende Rasse" bezeichnet, gerne ihr Heil im Anschluß an horizontale (Einkaufs-)Kooperationen. Mit dem für die Industrie gleichen schmerzhaften Effekt.

Aber auch das Handwerk hat wenig Veranlassung, das konzentrierende Treiben nur als Randnotiz zu vermerken. Ausdünnung der Großhandelslandschaft, Einschränkung der vehement geforderten Lieferanten- und Sortimentsfreiheit, Reduzierung von Service und Betreuung - das sind ohne Zweifel mittel- und langfristige Gefahrenherde für die Installateurzunft. Wetten, daß davon wieder einmal Direktanbieter sowie Kreuz- und Quer-Versorger profitieren?

Von einem früheren BMW-Topmanager stammt die Prognose: "Nicht die Großen fressen die Kleinen, sondern die Schnellen überholen die Langsamen". In der SHK-Branche gilt sie wohl nur sehr bedingt. Der unaufhaltsame Konzentrationsprozeß wirft eben viele Rechnungen über den Haufen. Wer dabei per saldo wirklich zu den Gewinnern bzw. Verlierern gehört, bleibt indes momentan noch offen. So schlimm wie in der Lebensmittelwirtschaft wird’s garantiert nicht kommen. Sagen die professionellen Beschwichtiger.


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