IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 20/1998, Seite 30 ff.


SANITÄR-/HEIZUNGSTECHNIK


Trinkwassererwärmung

Speichervolumen und Erwärmleistung im Ein- und Mehrfamilienhaus

Dipl.-Ing. Gerd Böhm*   Teil 2

Wie bereits im 1. Teil erwähnt, kann die notwendige Leistung zur Erwärmung von Trinkwasser ein Mehrfaches der Norm-Gebäudeheizleistung betragen. Deshalb kann es besonders im Mehrfamilienhaus zu Komforteinbußen kommen, wenn Planer und Heizungsbauer dies unberücksichtigt lassen. Nachdem Teil 1 die Warmwasserbereitung im Einfamilienhaus untersucht hat, betrachtet dieser Teil die Dinge im Mehrfamilienhaus.

Trinkwassererwärmung im Mehrfamilienhaus

Für die dezentrale Trinkwassererwärmung im Mehrfamilienhaus gelten ähnliche Überlegungen wie im Einfamilienhaus. Um dem Nutzer gerecht zu werden, müssen dessen individuellen Warmwasseransprüche berücksichtigt werden. Insbesondere in Mietobjekten ist dies allerdings kaum möglich. Weitere Eingrenzungen entstehen durch das oft mangelnde Platzangebot, denn ein eigener Heiz- oder Technikraum ist selten vorhanden. Zum Einsatz kommt deshalb eine auf geringen Platzbedarf und durchschnittliche Ansprüche hin ausgerichtete, für jede Wohnung identische Produkttechnik, die häufig genug das sich Fügen des Nutzers in die vorgegebenen Leistungsgrenzen dieser Systeme voraussetzt. Kein sehr befriedigender Zustand, denn die Technik sollte sich nach dem Nutzer richten und nicht umgekehrt.

Bild 10: Wandhängender Gas-Brennwertkessel mit integriertem 25-Liter-Kleinspeicher.

Läßt man elektrische Warmwassersysteme beiseite, kommen durchweg flexibel positionierbare Gas-Wandgeräte zum Einsatz. In einfachster Weise erfolgt die Trinkwassererwärmung im Durchfluß. Komfortablere Geräte dieser Bauart kompensieren Kesseltotzeiten durch integrierte Kleinspeicher bis etwa 25 Liter Volumen (Bild 10). Sie sind mit mindestens 18 kW Leistung für den seriellen Nutzbedarf einer Einzeldusche ausreichend. Die parallele Nutzung mehrerer Entnahmestellen ist wegen des hohen Leistungsbedarfs meist nicht möglich. Speicher bis ca. 80 Liter sind noch wandhängend, um 120 Liter unter dem Heizgerät wandstehend angeordnet (Bild 11). Die Warmwasser-Leistungsfähigkeit dieser Systeme wurde in Teil 1 behandelt. Speicher über 120 Liter sind ebenfalls einsetzbar (Bild 12). Wegen des größeren Stellplatzbedarfes und der nicht mehr so geschlossenen Optik kommt eine Montage innerhalb des Wohnbereichs allerdings kaum mehr in Frage.

Bild 11: Wandhängender Gaskessel mit untergehängtem 75-Liter-Speicher.

Charakteristisches Manko typischer dezentraler Warmwasserversorgung im Mehrfamilienhaus ist die Konfrontation des individuellen Spitzenbedarfs mit einer auf durchschnittliche Anforderungen hin ausgelegten Produkttechnik. Genau hier liegt die unschlagbare Stärke der zentralen Trinkwassererwärmung. Sie braucht keine Ausrichtung auf den individuellen Spitzenbedarf, im Gegenteil - je größer die Zahl zu versorgender Wohneinheiten, um so verläßlicher verschwindet der Individualbedarf in einem durchschnittlichen Gesamtverhalten. Gut deutlich wird das mit dem heute veralteten Rechenverfahren nach Sander, das auf dem sogenannten "Gleichzeitigkeitsfaktor" aufbaut (Bild 13). Grundgedanke ist, daß im Mehrfamilienhaus nicht alle Wohnungen gleichzeitig den Spitzenbedarf abfordern. So wird bei 8 Wohnungen und der Gleichzeitigkeit 0,5 - mit nur 4 Wannenbädern innerhalb des gleichen Zeitraums - gerechnet. Die praktische Auswirkung ist klar: 8 Wohnungen mit z.B. je 80 Liter Speichervolumen haben zusammen 640 Liter. Dieses als zentrales Volumen eingesetzt, bedeutet für die 4 nutzenden Wohnungen 640 : 4 = 160 Liter. Der Warmwasserkomfort ist damit entscheidend besser, - bei geringerem gerätetechnischem Aufwand.

Bild 12: Wandhängender Gaskessel mit bodenstehendem 160-Liter-Speicher.

Für die Berechnung zentraler Trinkwassererwärmungsanlagen in Mehrfamilienhäusern ist heute die DIN 4708 maßgeblich. Teil 1 der Norm beinhaltet die theoretischen Grundlagen zur Ermittlung des Erwärmungsbedarfs in "Einheitswohnungen". Eine solche Wohnung besteht aus 4 Räumen, ist mit rechnerischen 3,5 Personen belegt und hat 5,82 kWh Zapfstellenbedarf für die Wanne. Ihr ist die "Bedarfskennzahl" N = 1 zugeordnet. Die DIN legt dem Warmwasserbedarf statistische Verteilkurven zugrunde. Bild 14 zeigt für N = 1 die Dauer einer "Bedarfsperiode" mit 3,7 Stunden und insgesamt 11,8 kWh Warmwasserbedarf. In der Mitte dieser Bedarfsperiode liegt die Spitzenanforderung für das Wannenbad mit 5,82 kWh innerhalb 10 Minuten. Zum Vergleich dazu die Daten von N = 8: Dauer der Bedarfsperiode 5,6 Stunden, Gesamtbedarf 64 kWh bei 15 kWh für die 10minütige Spitze. Dieser Spitzenbedarf entspricht 15,5 : 5,82 = 2,7 gleichzeitig stattfindenden Wannenbädern.

Bild 13: Gleichzeitigkeitsfaktor für den Spitzen-Warmwasserbedarf nach Sander.

Teil 2 der DIN bietet Rechenregeln, nach denen der Trinkwassererwärmbedarf konkret gegebener Wohnobjekte in die entsprechende Bedarfskennzahl umgerechnet wird. So können z.B. 5 komfortabel ausgestattete Wohnungen die Bedarfskennzahl 8 ergeben.

In Teil 3 sind Regeln zur Leistungsprüfung von Warmwasserspeichern festgelegt. Es gehört zu der überzeugenden Gesamtkonzeption der DIN 4708, daß die hier für die Speicher ermittelten "Leistungskennzahlen" NL mit den aus Teil 2 kommenden Bedarfskennzahlen miteinander in Beziehung stehen, d.h. ein Wohnobjekt mit der Bedarfskennzahl 8 erfordert auch einen Speicher mit der Leistungskennzahl 8 oder höher. Damit ist die Speicherauslegung auf das Ermitteln der Bedarfskennzahl reduziert. Hierzu gibt es entsprechende Formblätter, die diesen Vorgang schematisieren und vereinfachen. Ein Anwendungsbeispiel bietet u.a. Teil 2 der Norm selbst, oder auch [1].

Welche praktischen Anforderungen sich hinter der Bedarfs- und Leistungskennzahl verbergen, wird durch Übertragen in Wärmeschaubilder deutlicher. Beispiel:

Warmwasseranforderung eines Mehrfamilienhauses mit der Bedarfskennzahl 8

Es wird ein Speicher mit NL> 8 benötigt. Die Auswahl erfolgt nach Herstellerangaben, z.B. 300 Liter, NL = 8,7. Die zugehörige Erwärmleistung ist für bestimmte Temperaturen mit 40,2 kW angegeben.

Bild 14: Statistische Warmwasser-Bedarfsverteilung nach DIN 4708 Teil 1 für die Bedarfskennzahl 1 (* in der DIN so angegeben, rechnerisch exakt entsprechen 140 Liter 5,7 kWh).

Mehr ist für die Praxis, was die Auswahl betrifft, nicht erforderlich. Die hier nachfolgende Übertragung in Wärmeschaubilder dient deshalb allein einer besseren Kenntnis der zugrundeliegenden Bedingungen.

Der zur Wassererwärmung benötigte Wärmebedarf kann aus Teil 1 der Norm ersehen werden. Die dort für die Grafik gewählte logarithmische Skalierung erlaubt die Zusammenstellung von N = 1 bis N = 300. Dieser Darstellung ist die Linie N = 8 entnommen und in Bild 15 als dünne blaue Linie übertragen. Das sich so ergebende Bedarfsprofil dient als Vorlage für die Speicher-Leistungsprüfung nach Teil 3 der Norm; aus prüftechnischen Gründen ist es hier aber in eine Abfolge von Zapf- und Wartezeiten umgewandelt (dicke blaue Linie in Bild 15), da es schwierig ist, gleitend veränderliche Zapfraten genau nachzufahren.

Bild 15: Bedarfsprofile nach DIN 4708. Die dünne blaue Linie entspricht den Vorgaben zur Bedarfskennzahl nach Teil 1. Die dicke blaue Treppenlinie gibt den Meßablauf nach Teil 3 wieder.

Auf den ersten Blick scheinen die beiden Profile wenig Ähnlichkeiten zu haben. Sie enthalten aber die gleichen Elemente, z.B. die (markierte) 10minütige Spitzenzapfung oder den weiteren nachfolgenden Bedarfsverlauf (strichpunktierte Linie). Das Bedarfsprofil kann, wie schon in Teil 1 dieses Beitrages praktiziert, zur Speicher- und Leistungsdimensionierung herangezogen werden. Da diese Daten aber mit 300 Liter und 40,2 kW schon bekannt sind, ist der gesamte Prozeßablauf im Wärmeschaubild nachvollziehbar (Bild 16).

Der Ablauf im Wärmeschaubild ist einfach zu verstehen: Zu Beginn ist der Speicher entsprechend Normvorgaben mit 60°C durchgeladen. Er besitzt die Warmwasserkapazität

Die Erwärmleistung wird bei jeweils zur Hälfte teilentleertem Speicher angefordert (Speicherfühler in halber Speicherhöhe) und wirkt so lange, bis die volle Kapazität von 17,4 kWh wieder hergestellt ist. Es ist zu sehen, daß die Bedarfskennzahl 8 gut erfüllt wird (der Speicher hat ja auch die Leistungskennzahl 8,7). Indizien dafür sind:

- die bevorratete Warmwasserkapazität ist immer höher als der nachfolgende Bedarf (Speichervolumen groß genug),

- der Speicher ist für die nächste Entnahme rechtzeitig wieder durchgeladen (Erwärmleistung groß genug).

An dieser Stelle ist noch einmal ein Blick zur dezentralen Warmwasserversorgung angebracht. Auf die einzelne Wohnung bezogen ergibt das durchgeführte Beispiel die rechnerische Kombination 37,5 Liter Volumen und 5 kW Erwärmleistung - bei Gewährleistung individueller Spitzenbedarfe und minimalem gerätetechnischem Aufwand.

Bild 16: Verhalten eines Speichers mit NL = 8,7 am Bedarfsprofil für N = 8.

Wie wichtig die zur Leistungskennzahl gehörende Erwärmleistung ist, zeigt die mit * gekennzeichnete Stelle des Bedarfsprofils. Werden hier 37,5 kW unterschritten, kann N = 8 nicht mehr erbracht werden, da der Speicher für den nächsten Bedarf nicht schnell genug durchgeladen ist. Angesichts immer geringerer Gebäude-Heizleistungsbedarfe kann nicht genug auf diesen Zusammenhang hingewiesen werden. Ein weiterer, zu diesem Punkt gehöriger Aspekt ist die zeitliche Beanspruchung des Wärmeerzeugers während der Bedarfsperiode. Bild 16 weist ca. 1,5 Stunden in der Summe aus. Diese Zeit könnte sich schon als Heizleistungsdefizit auswirken. Je nach Größe und Art des Wohnobjektes ist es deshalb ratsam, bei der Kesseldimensionierung vom Parallelbetrieb Heizung/Warmwasser auszugehen.

Im Gegensatz zu Wärmeschaubildern in Teil 1 dieses Beitrages ist in Bild 16 der Speicher zu Beginn der Entnahme als vollständig durchgeladen vorausgesetzt. Dies entspricht den Vorgaben der DIN. Unter Praxisbedingungen ist es deshalb möglich, daß die NL -Zahl u.U. nicht erreicht wird.

Zu gewissen Kuriositäten kann es durch die erste Treppe des Bedarfsprofils, gekennzeichnet mit **, kommen. In Bild 16 wird die Nachladung sicher ausgelöst, und der Speicher steht für die folgende Bedarfssequenz durchgeladen zur Verfügung. Wäre die erste Anforderung mit z.B. 10 kWh geringer, würde der Speicherfühler noch keine Heizleistung anfordern und der teilentleerte Speicher könnte die nachfolgende Sequenz nicht mehr abdecken. So kann es sein, daß ein Speicher z.B. die Leistungskennzahl 3 erbringt, aber nicht die Kennzahl 2,5. Diese Beispiele zeigen den Nutzen des Wärmeschaubildes, insbesondere auch zur Verbesserung und Optimierung der praktischen Betriebsweise.


* Dipl.-Ing. Gerd Böhm, Buderus Heiztechnik GmbH, Wetzlar


B i l d e r :   Buderus Heiztechnik GmbH, Wetzlar


L i t e r a t u r :
[1] Buderus Planungsunterlage "Größenbestimmung und Auswahl von Speicherwassererwärmern"


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