IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 18/1998, Seite 52 ff.



Integrierte Gebäudetechnik

Das neue Konzept der SHKG, Ausstellung für Sanitär, Heizung, Klima und Gebäudeautomation, paßt glänzend zum Messeort Leipzig. Denn unter den Dächern des Messegeländes im Leipziger Norden schlägt ein technisches Herz der Superlative.

Eine Messe im Park

Schon als das neue Leipziger Messegelände konzipiert wurde, stand fest: Es soll sich grundsätzlich von dem unterscheiden, was auf dem alten Gelände typisch war, und dennoch die Erinnerung daran beibehalten. Messe und Parklandschaft, so der tragende Gedanke von Landschaftsgestaltern, Architekten und Gartenbauspezialisten, bilden eine Einheit. Im Zentrum des neuen Leipziger Messegeländes steht eine Bogenkonstruktion aus Stahl und Glas - die Glashalle. Dieser sowohl architektonisch als auch bautechnologisch äußerst anspruchsvolle Mittelpunkt des neuen Messegeländes ist europaweit einzigartig. Das betrifft in erster Linie die Konstruktion aus Glas und Stahl welche in dieser Größe als Ganzglashalle noch nicht realisiert wurde sowie die Verwendung eines Spezialglases.

Die Idee, die Messemulde eine "Etage" unter der Erdoberfläche durch das Gelände zu legen, wirkt sich positiv auf das Klima aus. Die Ost-West-Ausrichtung erlaubt dem Wind, das neue Gelände der Leipziger Messe ständig zu durchlüften; ein Sturm hingegen findet keine Angriffsmöglichkeit.

Grundversorgung

Das Leipziger Messegelände ist vom Konzept her auf Energieversorgungszentralen eingerichtet. Die Gesamterschließung der einzelnen Gebäude erfolgt von diesen Zentralen aus über ein Ringkanalsystem. Dieses System ermöglicht im späteren Ausbau das beliebige Erweitern der Anlagen, erlaubt im Reparaturfall einen schnellen Zugriff auf technische Anlagen und bietet somit ein Höchstmaß an Betriebssicherheit. Die Begehbarkeit eines großen Bereiches dieser Ringkanäle sichert den direkten Zugriff auf alle Medien, wie zum Beispiel Wasser, Sprinkler, Heizung, Kühlung, Telekommunikation und Energieversorgung. Das Ringkanalsystem zieht sich in einer Tiefe bis zu ca. 12 Metern entlang aller Gebäude in der Ebene 1. Die Hauptversorgungskanäle messen sechs mals sechs Meter. Weitere begehbare Kanäle - drei mal drei Meter groß - befinden sich zur Standversorgung unter den Ausstellungshallen. Die Gesamtlänge der Kanäle beträgt 23 Kilometer; davon sind sieben Kilometer begehbar.

Die Installation in den Ringkanälen erstreckt sich von großflächig verlegten Kabelinstallationen bis zu Rohrleitungen mit einem Querschnitt von über 700 Millimeter. Insgesamt sind 50 Kilometer Rohrleitungen und 260 Kilometer elektrische Installationsleitungen verlegt.

Wärmeversorgung

Das Messegelände wird über eine Zentrale beheizt, welche die einzelnen Gebäude über die Ringkanäle versorgt. In der Heizzentrale sind zwei große Heizkessel installiert. Auf Grund der sehr unterschiedlichen Abnahmestruktur hat ein Heizkessel eine Leistung von 6,4 MW und ein weiterer Heizkessel eine Leistung von 18,3 MW. Aus Gründen der Betriebssicherheit sowie der Vertragsgestaltung ist der große Heizkessel sowohl mit Erdgas wie auch mit leichtem Heizöl zu betreiben. Mit den Energieversorgungsunternehmen wurden sogenannte Abschaltverträge abgeschlossen. Diese Vertragskonstellation ermöglicht günstige Gaspreise, insbesondere im Leistungspreis, da keine Leistungsspitzen bezahlt werden müssen. Direkt über der Heizungszentrale steht der Messeturm, der gleichzeitig die Abgasleitungen der Heizkessel und der Notstromversorgung enthält. Von der Heizzentrale werden die Gebäude mit Heißwasser 90/50°C über rund 4200 Meter lange Hauptfernwasserleitungen versorgt. Die Erzeugung von Brauchwasser erfolgt über Wärmetauscher sowie in einigen Bereichen aus wirtschaftlichen Gründen auch über Elektroheizungen.

Wasser- und Sanitärversorgung

Das Messegelände wird über zwei Hauptwassereinspeisungen versorgt, die beide die Vollversorgung des Messegeländes realisieren können. Bei Ausfall einer Wassereinspeisung ist für alle Verbraucher einschließlich der Löschwasserversorgung ausreichend Sicherheit vorhanden. Ein Teil der Wasserleitungen liegt ebenfalls in den unterirdischen Versorgungsgängen, so daß jederzeit - auch im Schadensfall - Zugriff auf die Rohrleitungen möglich ist. Die Löschwasserversorgung liegt als Ringnetz im Umfeld aller Gebäude. Entsprechend den Wasserqualitäten sind die Leitungen in zementbeschichtetem Stahlrohr oder Edelstahlrohr ausgelegt.

Die Frischwasserversorgung hat in allen Bereichen Trinkwasserqualität. Abwässer werden über zentrale Sammelleitungen in den Ringkanälen an den Gebäude-Außenseiten in erdverlegte Hauptsammler eingeleitet. Schmutzwasser wird über eine große Pumpstation in das Abwassernetz der Stadt Leipzig gepumpt und in einer Großkläranlage chemisch-bakteriologisch aufbereitet. Das Messegelände besitzt für die Entwässerung Trennsysteme, so daß das Regenwasser nach einer Vorklärung über großvolumige, teilweise als Biotop angelegte offene Regenwasserrückhaltebecken abgeleitet werden kann.

Kältezentrale

Neben der Heizzentrale besitzt das Messegelände zentrale Einrichtungen für die Erzeugung von Kaltwasser für die Klimaanlagen. Über drei Ammoniakkältemaschinen mit einer Leistung von je 3 Megawatt wird der Grundkältebedarf des gesamten Messegeländes - also auch der rund 100.000 Quadratmeter großen Ausstellungshallen - abgedeckt. Damit für Spitzenlasten die günstigen Nachttarife genutzt werden können und Leistungsspitzen vermieden werden, ist als Kältespeicher ein Eisspeicher eingebaut. Dieser Eisspeicher mit einer Gesamtkapazität von 54 Megawattstunden ist einer der größten Eisspeicher, welcher bisher gebaut wurde.

Die Kältemaschinen sind mit dem Kühlmittel Ammoniak ausgerüstet. Diese Entscheidung erfolgte aufgrund der FCKW-Problematik. Bewußt wurden keine Kältemittelersatzstoffe eingesetzt, da nicht bekannt ist, welche möglichen Auswirkungen diese Kältemittel in einigen Jahrzehnten auf die Umwelt haben werden. Die mit dem Kältemittel Ammoniak zusammenhängenden Risiken sind seit langer Zeit bekannt und werden sicher beherrscht. Weiterhin hat das Kältemittel Ammoniak einen sehr hohen Wirkungsgrad, so daß es neben kalkulierbaren Sicherheitsrisiken auch eine hohe Wirtschaftlichkeit bietet. Die Kältezentrale konnte mit rund 9 Megawatt Kälteleistung sehr niedrig gehalten werden. Der äußere Sonnenschutz bewirkt, daß alle Gebäude mit möglichst geringem Kühlungseinsatz klimatisiert werden. So sind zum Beispiel das Tagungsgebäude, das Verwaltungsgebäude und auch die zentrale Eingangshalle mit einem Sonnenschutz an der Außenfassade der Gebäude versehen. So reduziert die Bedruckung im Bereich der Glaskonstruktion der Eingangshalle West die Wärmebelastung um 3 Megawatt. Die Ausstellungshallen besitzen hochwertige Wärmedämmungen, so daß für die Vollklimatisierung der Hallen nur die inneren Wärmelasten berücksichtigt werden müssen. Befeuchtungsanlagen werden in den Klimaanlagen nur im Tagungsgebäude eingesetzt. In den Ausstellungshallen wird aufgrund der nur sehr kurzen Betriebszeiten und der großen Luftwechsel auf eine Luftbefeuchtung verzichtet. Veranstaltungsbezogen ist der Einsatz von Dampfbefeuchtern möglich.

Eine Besonderheit hinsichtlich der Klimatisierung stellt die zentrale Glashalle mit mehr als 25.000 Quadratmeter Glasoberfläche dar. Diese Halle wurde, da ihr Raumvolumen mehr als fünfmal so groß ist wie die Berliner Philharmonie, nur mit Klimaanlagen in den Einbauten versehen. Für die Einbauten wurde das sogenannte Haus-in-Haus-Prinzip verwendet. Die Glashalle selbst wird wie ein überdachter Park behandelt. Zur Schaffung angenehmer Verweiltemperaturen ist die Halle mit großzügigen Lüftungsöffnungen versehen, die einem Wärmestau vorbeugen.

Um direkte Sonneneinstrahlung zu vermeiden, ist die Halle in den Bereichen des höchsten Sonnenstandes bedruckt. Weiterhin kann bei hochsommerlichen Temperaturen die Glasfläche mit einem Wasserfilm benetzt werden, was eine Temperaturreduzierung bis 2°C und eine Erhöhung der Behaglichkeit in der Halle bewirkt. Ergänzend kann in besonders kritischen Bereichen die installierte Fußbodenheizung mit Kühlwasser betrieben und so die im Boden gespeicherte Wärme abgezogen werden. Insgesamt ist die Halle so ausgelegt, daß im Inneren keine wesentlich höheren Temperaturen als im Freien herrschen.

Kommunikationstechnik vom Feinsten

Das neue Messegelände der Leipziger Messe ist mit modernster Kommunikationstechnik ausgestattet. Die Hochleistungs-Kommunikationsnetze umfassen neueste Vermittlungs- und Übertragungseinrichtungen für Daten und Sprache.

Basis des Systems, das die fünf Ausstellungshallen, das Kongreß- und Tagungszentrum sowie das Verwaltungsgebäude versorgt, ist eine Datenautobahn, die in modernster SDH-Technik (Synchrone Digitale Hierarchie) realisiert wurde und mit einer Übertragungsrate von 622 Megabit (entspricht rund 40.000 Schreibmaschinenseiten) pro Sekunde arbeitet. mit einem Faxgerät würde eine Übertragung dieser Textmenge mehr als 27 Tage beanspruchen. Den Ausstellern steht auf dem neuen Leipziger Messegelände auch ein Multimedia-Netz zur Verfügung, das nach dem Standard Asynchroner Transfer Modus (ATM) arbeitet. ATM ist die Grundlage für Hochgeschwindigkeitsnetze, mit denen sich große Datenmengen in kürzester Zeit übertragen lassen.

Die Grundverkabelung besteht aus Glasfaser mit einer Gesamtlänge von rund 30 Kilometern. Die verwendeten Kabel haben 72, 36 oder 24 Fasern mit einem Durchmesser von je rund 250 Mikrometern. Aus Sicherheitsgründen wurden zwei getrennte Anbindungen an das Telekomnetz installiert. Durch ein Netzmanagement wird das gesamte System zentral überwacht. Eine Unterbrechung im Hauptübertragungsring wird durch die bidirektionale Übertragungsweise aufgefangen, so daß eventuelle Störungen für den Anwender nicht spürbar sind.

Für die Sprachkommunikation und die Telefax-Übertragung der Aussteller, Kongreßbesucher und Messemitarbeiter sind insgesamt fünf Kommunikationssysteme Hicom 300 installiert, die über die SDH-Datenautobahn miteinander vernetzt sind. Rund 5000 Teilnehmer können auf der Basis von ISDN nicht nur digital in hoher Sprachqualität und mit hohem Bedienkomfort telefonieren und faxen, sondern auch Dienste wie DATEX J, Daten- und Bildübertragung nutzen. Die Kommunikationssysteme sind bereits für künftige Anforderungen des modernen Kommunikationsmarktes wie Videokommunikation ausgelegt. Dem Aussteller stehen Endgeräte mit unterschiedlichen Leistungsmerkmalen, beispielsweise mit mehrsprachigem Display oder mit Anschlußport für Datenendgeräte, zur Verfügung. Generell kann der Kunde zwischen einem kabelgebundenen und einem schnurlosen Telefon nach dem europaweiten DECT-Standard (Digital European Gordless Telecommunications) wählen. Diese DECT-Telefone ermöglichen ein Telefonieren innerhalb des gesamten Messegeländes - zu den Konditionen eines drahtgebundenen Anschlusses. Die Funktionalität und der Komfort dieser DECT-Geräte zeigen sich insbesondere in der Kombination mit einem drahtgebundenen Anschluß.

Druckluft

Wie schon bei den anderen Versorgungssystemen, ist das Messegelände auch hinsichtlich der Druckluft über eine Zentrale versorgt. Die Ringleitungen liegen in den unterirdischen Versorgungsgängen und gestatten es, alle Ausstellungsstände mit ausreichend ölfreier und getrockneter Luft zu versorgen.

Sicherheit

Das Messegelände ist mit dem höchsten Sicherheitsstandard ausgerüstet. Neben einer flächendeckenden Versorgung mit Unter- und Überflurhydranten verfügen alle ausstellungs- und sicherheitsrelevanten Bereiche über eine Sprinkleranlage. Eine flächendeckende Ausrüstung mit multifunktionalen Brandmeldern in allen Ausstellungsbereichen unterstützt die Sprinkleranlage. Diese Brandmelder lösen ebenso wie die Sprinkleranlage automatisch Feueralarm aus. Weiterhin steuern die Brandmelder automatisch öffnende Rauchwärmeabzugsanlagen, die auch unter kritischen Bedingungen eine sichere Evakuierung aller Hallen und übrigen Gebäudebereiche erlauben.

Die Sprinklerzentrale wird auf Grund ihrer Größe (mehr als 27.000 Sprinklerköpfe) über mehrere Wasserquellen versorgt. Neben der Versorgung über das Stadtwassernetz werden zweimal 500 Kubikmeter Wasser zur Wasserbevorratung vorgehalten. Die Versorgung des Sprinklernetzes erfolgt über zwei 30-Kubikmeter-Druckluftwasserkessel und über drei Sprinklerpumpen. Zwei dieser Sprinklerpumpen werden dieselmotorisch angetrieben. Neben umfangreichen Sicherheits-Batterieanlagen sind auf dem Messegelände drei Notstromaggregate mit einer elektrischen Anschlußleistung von jeweils 1 Megawatt installiert. Diese Notstromaggregate versorgen neben einem Drittel der Grundbeleuchtung alle Sicherheitsbeleuchtungsanlagen, die Telefonzentrale, die Brandmeldeanlage, die Videoüberwachungsanlage, Alarmanlagen, die zentrale Leittechnik, die Aufzugsanlagen, die Datentechnik etc.

Gebäudeleittechnik

Das gesamte Messegelände wird über eine hochmoderne Leitzentrale mit über 25.000 Datenpunkten überwacht. Neben der Steuerung der technischen Anlage sind in der zentralen Leitwarte auch eine Videoüberwachungsanlage mit 36 Kameras, die Brandmeldezentrale mit über 3000 Brandmeldern sowie eine Alarmanlage installiert, die alle Türen, Tore und Zugänge des Geländes überwacht.

 


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