IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 18/1998, Seite 46 ff.



Leipzig - wie immer im Wandel

Ihre über 800 Jahre sieht man der Stadt nicht an. Als Universitäts-, Buch-, Musik- und Messestadt rühmten sie Lexika der Urgroßeltern. Im ersten Viertel unseres Jahrhunderts machte sie, damals fünftgrößte deutsche Stadt, mit Industrie-Weltmessen Karriere. Heute sucht die Halbmillionenstadt eine neue Identität.

Traditionelles Symbol mit neuem Sinn - das einst für seine Mustermessen geschaffene doppelte "M" interpretiert Leipzig heute mit dem Anspruch "Messen und mehr".

Der graue Klotz des Völkerschlachtdenkmals gilt seit 85 Jahren als Wahrzeichen der Stadt. Jüngste Geschichte Leipzigs ist allerdings mehr mit der Nikolaikirche verbunden. Die hier stattfindenden Friedensgebete und die sich ihnen im Herbst 1989 anschließenden Montagsdemonstrationen über den innerstädtischen Ring läuteten das DDR-Ende und die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands ein.

Als Stadt der Wende machte Leipzig schon bald als Boomtown des Ostens erneut Schlagzeilen. Kräne zu zählen, wurde beliebter Sport. Viele schwärmen vom wiedererlangten Glanz historischer Architektur und der Vielzahl moderner Neubauten. Andere bangen, ob Altes und Neues nahtlos zusammenwächst. Sorge gilt dabei weniger dem Städtebild, als den Kräften, die es im Innersten beleben.

Leipzig auf dem Weg zur modernen Dienstleistungsmetropole. Rigoroser Wandel zeichnet sich ab. Dafür, daß er gelingt, bürgen eine wechselvolle Geschichte und vor allem der Leipziger Geist. "Wir haben es noch immer geschafft!", macht man seit eh und je Mut, wenn es Neues anzupacken gilt.

Der Handel hat die Geschicke dieser Stadt seit jeher bestimmt. Ihre Bürger lebten durch, mit und für die Messen. Wann die erste urbane Siedlung an der Kreuzung von Reichs- und Königsstraße in der Pleißeniederung entstand, ist nicht belegt. Aber als Markgraf Otto der Reiche 1165 Leipzig mit dem Stadtrecht das erste Messeprivileg verlieh, waren die Märkte zu Ostern und Michaelis für Kaufleute von weit her schon lange eine Reise wert. "Schutzpatron" der Stadt wurde Kaiser Maximilian I., der Leipzig weitreichende Reichsmesseprivilegien gewährte.

Das Handwerk erlebte eine ungeheure Blüte. Die 1409 gegründete Universität im Verein mit den Messebedürfnissen regten das geistige und kulturelle Leben an und forderten neuartige Kommunikationsmittel. 1660 erschien in Leipzig die erste Tageszeitung der Welt. Hundert Jahre später kamen hier die ersten deutschen wissenschaftlichen Zeitschriften heraus. Im April 1872 erschien die Erstausgabe der "DZB Deutsche Zeitschrift für Blecharbeiter", Deutschlands erste Fachzeitschrift für Klempner, die Vorgängerin der heutigen IKZ-HAUSTECHNIK. Im 19. Jahrhundert lief man dem ewigen Konkurrenten Frankfurt/Main auch seinen Rang als Buchmetropole Deutschlands ab.

Im historischen Auerbach'schen Weinkeller können die Gäste Faust und Mephisto im Disput mit Studenten und den legendären Faßritt erleben, bevor es zur Verjüngungszeremonie in die Hexenküche geht.

Wo die Geschäfte prosperierten, erstarkte auch bürgerliches Selbstbewußtsein. Architektonisches Zeugnis geben dafür die großartigen Renaissancebauten des Alten Rathauses, der Alten Waage und der Börse ab. Die Musikstadt Leipzig hatte ihre großen Wegbereiter in Johann Sebastian Bach, der 1723 zum Thomaskantor erwählt wurde, und im ältesten bürgerlichen Konzertorchester, aus dem später das Gewandhausorchester entstand.

Als aufkommende Industrieproduktion vor hundert Jahren die Warenmessen aus den Nähten platzen ließen, hob Leipzig die Mustermessen aus der Taufe, die es rasch zum bedeutendsten unter allen internationalen Messeplätzen machten. Ein Sechstel deutscher Exporte fanden in jenen Jahren von hier aus den Weg in alle Welt. In dieser Zeit reifte auch "Bauen" zu eigenständigem Fachmessethema heran.

Den Auftakt gab 1913 die Internationale Baufach-Ausstellung, in deren Rahmen Marienbrunn als Wohnsiedlung mit Modellcharakter entstand. Das neue Meßamt entwickelt 1917 die Idee für eine Technische Messe und eine Baumesse, zu der im Herbst 1918 bereits 350 Aussteller insgesamt 600 Warenarten von Baustoffen bis zu Baumaschinen in Barthels Hof präsentierten. Ab Frühjahr 1920 zogen die beiden Messen auf das Gelände am Völkerschlachtdenkmal um, das in den 30er Jahren 18 Hallen mit 70.000 m2 Fläche und ein ebenso großes Freigelände aufwies.

Leipzigs Innenstadt wurde auch in unserem Jahrhundert am nachhaltigsten durch die Messe verändert. In den ersten drei Jahrzehnten mußte das intime "Klein-Paris", das Goethe beschrieb, den modernen Ansprüchen Platz machen. Renaissance und Barock alter Handelshäuser mit ihren charakteristischen Durchhöfen verfiel dem Abriß. Statt ihrer entstanden in einer Mischung von Jugendstil, Werkbund und Bauhaus mehr als zwei Dutzend Messepaläste, die mit ihren Einkaufspassagen und Durchgängen über Jahrzehnte das Flair der Leipziger Messen prägten.

Classic-Open (im Bild), Volksfeste, Märkte und der angrenzende Drallewatsch sorgen dafür, daß nach dem Auszug der Messe aus der City vor dem Alten Rathaus das Leben pulsiert.

Ebenso folgenreich hat sich die politische Wende erwiesen. Die Rückkehr in das gesamtdeutsche Messekonzert war mit dem Übergang von zwei Universalmessen im Frühjahr und Herbst zu mehr als zwei Dutzend Fachmessen verbunden. Parallel wurde 1991 der Bau des neuen Messegeländes beschlossen. Von ersten Ideen bis zur Inbetriebnahme des hochmodernen Messe- und Kongreßzentrums dauerte es nur fünf Jahre.

Die zentrale Glashalle, 243 m lang, mit 80 m Spannweite und 30 m Scheitelhöhe gilt als neues architektonisches Wahrzeichen der Stadt. Ausgefeilte Klimatechnik läßt die einzigartige Stahl-Glas-Konstruktion wie einen Wintergarten funktionieren. In der Messeinfrastruktur haben sich die Gebäudeausrüster vieler Gewerke ein überzeugendes Referenzobjekt geschaffen.

Seit dem Messeauszug aus der Innenstadt krempelten die Bauleute auch die City wieder einmal um. Historische Gebäude wie Barthels Hof erstrahlten wieder in altem Glanz. Von den einstigen Messepalästen haben viele bereits neue Inhalte gefunden. Der Hauptbahnhof präsentiert sich seit Ende letzten Jahres mit seinen Einkaufs- und Dienstleistungspromenaden als Verkehrsdrehscheibe der Zukunft. Und die Zahl der Passagen, die das Flair der City so unverwechselbar machen, ist ständig im Wachsen.

Leipzigs neues Motto heißt "Messe und mehr". Im neuen Messegelände wird der Anspruch mit hervorragender Funktionalität, faszinierendem Ambiente und vielen kommunikativen Angeboten erfüllt. Auch die Bindung zwischen Messe und Stadt kommt nicht zu kurz. "Tags Arbeit, abends Gäste", nach diesem Leitspruch sind Messebesucher eingeladen, sich beim abendlichen Bummel an den traditionellen Reizen der Stadt zu erfreuen oder Neues zu entdecken. 


Gastronomie: Bummeln am Drallewatsch

Auerbachs Keller ist weltweit bekannt und nach Renovierung vor zwei Jahren für internationale wie sächsische Rezepte wieder eine erste Adresse. Bodenständiges servieren im historischen Ambiente auch Thüringer Hof, Zill's Tunnel, Barthels und Webers Hof. "Leipzig Tag & Nacht", der kürzlich erschienene Gastroführer des Stadtmagazins "Kreuzer", nennt 800 gastronomische Adressen. Wer in wenig Zeit viele kennenlernen will oder sich vielleicht erst durch Augenschein für etwas entscheiden kann, sei der Bummel über den "Drallewatsch" empfohlen. Mehr als 30 erlebnisbetonte Lokale halten auf dieser Kneipenmeile vom Brühl zum Neuen Rathaus für jeden Geschmack garantiert etwas bereit.


Hotels: Reiche Auswahl alle Kategorien

Die Privatquartiere von Leipzigs "Schlummermüttern" sind passé. Hotels bieten heute rund 10000 Betten an. Die Nobelmeile im Zentrum reicht vom Kempinski Fürstenhof, Inter-Continental und Marriott bis zu Park Seaside, Novotel, Dorint und Renaissance. Komfort in ruhiger Lage bietet das Lindner Hotel, während die Kulturfreunde Leipziger Hof und Adagio schätzen. Von den meisten benötigt man in öffentlichen Nahverkehrsmitteln 15 bis 20 Minuten zur Messe. Mit dem Auto vom Treff Hotel über die Autobahn eher weniger. Wer die Zeit sparen will, sollte beim Hotel im Sachsenpark oder im einige Schritte entfernten Astron buchen, das erst im August seine Pforten öffnete.


B i l d e r :   Grubitzsch


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