IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 14/1998, Seite 57 ff.


UNTERNEHMENSFÜHRUNG


Wenn Schlamperei zum Standard wird ...

Die fünf beliebtesten Tarnungen für Schlamperei - und wie Sie damit fertig werden

Ernst Frisse*

"Wo gearbeitet wird, passieren Fehler." Auch dieses Sprichwort ist vor Mißbrauch nicht geschützt und wird allzu oft benutzt, um als Erklärungsmodell für Schlamperei zu dienen. Die Frage ist also: Wo verläuft die Grenze zwischen dem zulässigen Fehler und der unverantwortlichen Schlamperei.

"Man wird ja wohl mal einen Fehler machen dürfen." Täglich hören Führungskräfte diese Worte von Mitarbeitern, wenn mal wieder etwas schiefgelaufen ist. Und viele Führungskräfte reagieren jeden Tag ähnlich: geduldig und verständnisvoll.

Häufig bügeln sie den Fehler eines Mitarbeiters - etwa dem Kunden gegenüber - auch noch selbst aus. Wie es in solchen Situationen innerlich in ihnen aussieht, ist eine andere Frage. Äußerlich bleiben sie gelassen - schließlich will man ja als "cool" und souverän, nicht als autoritär gelten. Zudem stimmt es wirklich: Jeder macht mal einen Fehler.

Stand nicht erst kürzlich in einer bekannten Management-Zeitschrift, daß es ohne Fehler auch keine Kreativität, keine Innovation gibt? Und hat nicht auch diese freundliche Jungpädagogin erst kürzlich darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, Fehler-Machen-Können als wichtigen Bestandteil des Lernprozesses zu betrachten? Bedeutet dies: Fehler zulassen? - Alle?

Natürlich nicht. Was als pädagogisches Prinzip für die Kindererziehung gilt, läßt sich nicht auf jede Situation im Erwachsenen- und Berufsleben übertragen! Hier sind die notwendigen Grenzen enger gesetzt. Aber wo sind Fehler dann zugelassen? Überall dort (aber auch nur dort) wo der Mitarbeiter neue Wege ausprobiert, können selbstverständlich Fehler auftauchen. Aber überall dort, wo es um Routinearbeiten geht, wo das Wissen um Falsch und Richtig vorliegt, sind Fehler als das zu bezeichnen, was sie in diesem Falle sind, nämlich Nachlässigkeit und Schlamperei. Die zum wiederholten Male unvollständig ausgefüllte Telefonnotiz hat nichts mehr zu tun mit "Wo gearbeitet wird, passieren auch Fehler".

Die fünf beliebtesten Schlamperei-Verbergungs-Methoden

Sorgfältiges Arbeiten erfordert vom Mitarbeiter häufig mehr Aufwand als das Verbergen seiner Schlamperei. Dadurch wird die Kreativität verständlich, mit der gewitzte Mitarbeiter Methoden zum Verschleiern der eigenen Nachlässigkeiten entwickelt haben:

1. Die Demutshaltung

Mit leichtem Tremolo in der Stimme: "... Das tut mir ja so leid, daß ich Ihnen das antue." Bei Tieren löst die Demutshaltung, eine Unterwerfungsgeste, bekanntermaßen Beißhemmung aus.

2. Die Unschuldslamm-Technik

Mit ehrlicher Empörung in der Stimme: "... Das habe ich nicht gewußt. Das hat mir niemand gesagt! Sonst hätte ich das anders gemacht!" Wirkung auf die Führungskraft ähnlich wie bei der Demutshaltung: Wer kann da noch "beißen"?

3. Die Nebelwerfer-Technik

Mit nachdenklicher Stimme: "... Kann mir gar nicht vorstellen, wie dieser Fehler entstanden sein könnte, ... so was ähnliches ist übrigens in dem Programm von Kollege Meier neulich auch passiert. Hatten Sie nicht damals die Daten geändert ...?" Fast wie in einem guten Krimi: Jeder könnte es gewesen sein - nur nicht der, der es war.

4. Die Schuldkomplex-Technik

Mit leicht arrogantem Tonfall: "... Tja Chef, wenn Sie mich auch so mit Aufträgen zupacken ... Früher haben das drei Kollegen gemacht, was ich heute alleine machen muß." Nun wissen Sie als Führungskraft, wer eigentlich für den Fehler verantwortlich ist. Und über Ihr schlechtes Gewissen wollen Sie mit dem Mitarbeiter nicht weiter reden.

5. Die Kappen-Technik

Mit fester Stimme: "... Jawohl, das hätte nicht passieren dürfen, geht auf meine Kappe." Welche Auswirkungen gehen denn wirklich auf seine Kappe? Nichts als leere Worthülsen! Deswegen so schlimm, weil Sie als Führungskraft darin eingewickelt werden!

Reagieren, bevor Schlamperei zur Norm wird

Es liegt an Ihnen, die jeweilige Methode des Mitarbeiters zu durchschauen, als Masche zu kennzeichnen und damit wirkungslos zu machen. Denn das Ergebnis allzu geduldiger Umgangsweise mit Fehlern liegt auf der Hand: Die Nachlässigkeiten werden, sofern zugelassen, zur Norm. Die Führungskraft paßt sich allmählich dem Standard an, den die Mitarbeiter behutsam eingeführt haben. Bevor es so weit kommt, sollten sich die Führungskräfte einige Fragen stellen, die hilfreich sind, die Situation zu klären:

Jeder Fehler ist nur einmal erlaubt

Spätestens dann, wenn solche Fehler wiederholt werden, handelt es sich um eine nicht tolerierbare Minderleistung. Und dies muß die Führungskraft dem Mitarbeiter gegenüber deutlich zum Ausdruck bringen. Als hilfreich erweisen sich dabei Fragen wie: "Wußten Sie es nicht? Beherrschen Sie die Sache nicht? Wollten Sie nicht? Sind Sie überfordert?"

Diese Fragen, sachlich vorgebracht und besprochen, können schmerzhaft sein. Aber sie bringen Klarheit für beide Seiten. Die Führungskraft erhält Anhaltspunkte zur Leistungssteigerung. Und der Mitarbeiter begreift, wie ernst es seiner Führungskraft mit ihrem Leistungsanspruch ist.

 

Praxistip

Das folgende Denkraster hilft, Fehlerursachen zu lokalisieren und Fehler zu vermeiden.

1. Weiß der Mitarbeiter nicht, worum es geht?

2. Beherrscht er die Sache praktisch nicht?

3. Hatte er keine Lust?

4. Hatte er genügend Zeit?

5. Was kann er in Zukunft tun, um die Qualität der Arbeit sicherzustellen?

PS: Wenn Ihr Mitarbeiter die Fragen 1 bis 4 mit "doch" oder "eigentlich schon" beantworten müßte, ist der Schlampereiverdacht kaum noch von der Hand zu weisen.

 


* Ernst Frisse ist Trainer der VA-Akademie für Führen und Verkaufen in Sulzbach/Ts.


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