IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 14/1998, Seite 3


EDITORIAL


Ohne Not in Not

Gerne und oft sonnt sich die Sanitärbranche in dem Glanz, Trends zu prägen oder doch zumindest früh genug zu erkennen, um sie gebührend zu kultivieren. Dem (scheinbar) allmächtigen Zeitgeist hinterherlaufen oder ihn gar verpassen; nein, das ist mit dem Hochleistungs-Selbstverständnis der Badprofis nun absolut nicht vereinbar. Sie wollen eben möglichst immer Spitze sein.

Vielleicht liegt es ja genau an dieser - prinzipiell fraglos lobenswerten - Mentalität, daß die dreistufige Zunft inzwischen auch auf einem Feld Vollgas gibt, das sie noch vor wenigen Jahren mied wie einst Boris Becker Siege bei Sandplatz-Turnieren: Im lange zu Recht verpönten "Billigmatch" entwickelt das Team eine ungeahnte Dynamik. Koste es, was es wolle. Buchstäblich. Wetten, daß ihm bei einer derart ungewohnten Kraftanstrengung bald die Puste ausgeht?

Aber bis dahin bekämpft es den ungeliebten Gegner - klar, daß der primär "Baumarkt" heißt - wild entschlossen mit dessen Waffen. Deshalb finden sich "Schnäppchen-Preise", "Super-Sonderangebote" und ähnliche Verlockungen jetzt regelmäßig in bunten Zeitungsbeilagen, Postwurfsendungen und Prospekten. Wenn die Leute vom Fach das geneigte Publikum dann noch zum BBB-Gratisvergnügen (Bier, Brezeln, Blasmusik) einladen, tendiert die permanent beschworene Abgrenzung zu den aggressiven Flächengiganten heftig gegen Null.

Der Markt im allgemeinen und die Verbraucher im besonderen erwarten das heute, lautet meist die ebenso pauschalierende wie spontane Begründung. Tun sie das wirklich? Und: Der Billigtrend sei halt Fakt. Ist er das wirklich? Oder schiebt man ihn als letztlich bequemes Alibi für was auch immer nur vor? Jedenfalls droht die Gefahr, daß die Branche durch Fehler ohne Not bald selbst in arge - wirtschaftliche - Not gerät. Die (Zeit-)Geister, die man rief ...

Denn eines dürfte wohl unstrittig sein: Die Badfamilie aus Industrie, Großhandel und Handwerk kann reine Preisschlachten schon infolge ihrer speziellen Struktur nie gewinnen. Obendrein setzt sie bei dem krampfhaften Versuch, sich im wahrsten Sinne des Wortes unter Wert zu verkaufen, garantiert viel von ihrer Glaubwürdigkeit, Kompetenz, Qualität, Kreativität und Innovationskraft aufs Spiel. Ihr eigentliches Kapital also.

Neu und schwer einzusehen sind diese Erkenntnisse ja keineswegs. Um so mehr verwundert es, daß sie momentan in der Praxis wenig fruchten. Deshalb bleibt hier wie in anderen Bereichen nur die Hoffnung auf den (späten) Sieg der Vernunft.

"Man soll keine Dummheit zweimal begehen", forderte schon Jean-Paul Sartre. Allerdings fügte der französische Philosoph gleich hinzu: "Die Auswahl ist schließlich groß genug." Gar nicht auszudenken, was passiert, wenn der Noch-mehr-als-Billig-Trend seine Kreise zieht.

Frank Linnig


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