IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 5/1998, Seite 144 f.


UNTERNEHMENSFÜHRUNG


Mit dem Mitarbeiter reden statt Mitarbeitergespräche führen

Wie Sie Nachteile des formalen Mitarbeitergesprächs überwinden

Siegmar Baumann*

Das Mitarbeitergespräch ist als Management-Instrument im Laufe der Jahre immer mehr formalisiert und verfeinert worden. Der Gedanke, daß hier auch zwei Menschen einfach miteinander reden können, ist dabei in Vergessenheit geraten. Dies ist sowohl unter dem Gesichtspunkt einer menschlicheren Arbeitsumgebung als auch unter dem Aspekt zielgerichteter Kommunikation beklagenswert. Das schlichte "Miteinander-Reden" schließt eine wesentliche Lücke in der Übermittlung sachbezogener Informationen und auch zum Verständnis gegenseitiger Wertvorstellungen.

Kennen Sie das? - Da führt man Mitarbeiterbesprechungen, bildet Arbeitsgruppen, gibt Anweisungen, schickt Informationen auf die Reise, und, und, und. Da macht man alles richtig, hält sich genau an die Spielregeln, an die altbewährten Wege - und dennoch läuft irgend etwas nicht so, wie man es sich vorstellt. Informationen kommen nicht eindeutig 'rüber, werden nicht - oder nur teilweise - verstanden, Entscheidungen stoßen auf Unverständnis, auf unterschwellige Ablehnung, Rückfragen "trödeln" endlos lange durch die verschiedenen Instanzen und verzögern Maßnahmen, die dadurch an Wirkung einbüßen. Was läuft hier schief?

Zwischendurch, einfach so

Kennen Sie das? - Mittagspause. Einige Ihrer Mitarbeiter stehen beisammen, reden miteinander. Sie gesellen sich dazu, plaudern ein paar Worte, vielleicht scheinbar Belangloses. Vertane Zeit? Ineffizient, weil nicht im Sinne der Zielsetzung des Unternehmens genutzt? Ganz im Gegenteil. Hier werden die Grundlagen geschaffen für gegenseitige Akzeptanz und damit für Führung.

Denn dieses Miteinander-Reden unterliegt nicht dem Dienstweg, dem Terminplaner und dem Besprechungszimmer. Sein Feld ist vielmehr Erfassen des Augenblicks, die Fähigkeit, eine Gelegenheit beim Schopf zu packen ohne Terminzwang.

Leistungsbezogen? Und wie!

Aber ohne Leistungsdruck. Sie meinen, daß durch so etwas die Disziplin leidet? Daß Sie sich so etwas in Ihrer ohnehin zu knapp bemessenen Zeit gar nicht leisten können? Oder verträgt sich ein informelles Gespräch mit den Mitarbeitern lediglich nicht mit der uns allen eingepaukten Vorstellung von "Arbeit"? Könnte das vielleicht jemand als "Rumstehen", als "Tratschen" verstehen? Könnte vielleicht der eine oder andere Mitarbeiter versuchen, Ihnen bei der Gelegenheit etwas "aufs Auge zu drücken"?

Praxistip

Das zwanglose Gespräch ist ein besonders effektives Instrument für den erfolgsorientierten Informationsaustausch und Ihre erfolgsorientierte Führung.

Drei Regeln helfen, damit aus dem zwanglosen Miteinander-Reden nicht doch wieder ein "Ziel-Zweck-fixiertes" Gespräch wird:

1. Zeitpunkt und Thema: Beides ergibt sich spontan, ohne Verabredung. Das Gespräch kann sich sowohl um geschäftliche als auch um private Dinge drehen.

2. Ort: Eher ungünstig sind die Räume, in denen sonst Führungsgespräche stattfinden. Suchen Sie Orte, die wenig Formalismus ausstrahlen.

3. Klima: Gleichberechtigung im Erzählen und im Fragenstellen für jeden der Beteiligten. Sie sollten allerdings das Eis brechen und den Anfang machen.

Jetzt wird vieles klar

Kann schon sein. Aber Sie brauchen sich ja nicht darauf einzulassen. Und dann überwiegen für Sie die Vorteile: Oft bekommen Sie in diesen Gesprächen genau jene Fragen beantwortet, auf die Sie sonst keine Antwort bekommen.

Etwas ausführlicher gesagt: Im zwanglosen Gespräch mit Ihren Mitarbeitern
- unterliegen Sie nicht dem Zwang, entsprechend der Planung über ein vorher bestimmtes Thema zu sprechen und damit für andere Gesprächsstoffe "gesperrt" zu sein,
- lernen Sie deren Ansichten und Beweggründe in der einen oder anderen Sache kennen, können Ihre Ansicht vertreten und so unmittelbar meinungsbildend einwirken,
- können Sie auch manche Ihrer Entscheidungen außerhalb des offiziellen Weges denen erklären, die sie vielleicht nicht ganz verstanden haben und damit mögliche Unsicherheiten ausräumen
- lernen Ihre Mitarbeiter auch Ihre Sorgen und Nöte verstehen und sind bereit, sich hinter Sie zu stellen,
- haben Sie Gelegenheit, Probleme und Konflikte hautnah zu erleben, zu überdenken und sie zu entschärfen,
- kommen manchmal Themen zur Sprache, über die Sie sonst niemals etwas erfahren hätten, die aber für Ihr Vorgehen von entscheidender Bedeutung sind,
- werden Werthaltungen angesprochen, Mißverständnisse ausgeräumt und Gelegenheiten zum Nachfragen geschaffen,
- kommt vielleicht auch einmal eine persönliche Angelegenheit ins Gespräch und wirft damit ein ganz anderes Licht auf den betreffenden Mitarbeiter und sein Verhalten,
- wird in jedem Fall ein Vertrauensrahmen geschaffen, der für die gesamte Zusammenarbeit von fast unschätzbarer Bedeutung sein kann.

Um nicht mißverstanden zu werden: Das Miteinander-Reden soll nicht die formalen Führungsgespräche ablösen. Es ist vielmehr eine Ergänzung, die ihnen die Ecken, Schärfen und Kanten nimmt, ein Mittel, das die Lücken der formalen Gespräche schließt.


* Siegmar Baumann ist Trainer der VA-Akademie für Führen und Verkaufen in Sulzbach/Ts.


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