IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 5/1998, Seite 130 ff.


REPORT


Solarer Praxistest

24 Monate dauerte ein Feldversuch, der im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Technologie die Effizienz von Solarkollektoren zur Warmwasserbereitung untersuchte. Die Wissenschaftler interessierten nicht die Ergebnisse exakt definierter Versuchsbedingungen, sondern vor allem die aus dem alltäglichen Nutzerverhalten der Anwender, aus den regionalen Klimaeinflüssen und aus den verschiedenen anlagenspezifischen Randbedingungen. Erfaßt wurden während des Versuchs Daten, die rund 900 Telefonbücher mit je 1000 Seiten füllen könnten. Heraus kamen praxisnahe Empfehlungen für Hersteller, Planer, das Installationshandwerk und Anwender.

Familie Planner: Für sie waren es vor allem ökologische Gesichtspunkte, die die Wahl nach dem Kollektortyp entschieden.

Im September 1996 wurde vom "Zentrum für rationelle Energieanwendung und Umwelt" abgeschlossen, was im Februar 1992 vom Zweckverband "Regionale Entwicklung und Energie" begonnen worden war: Der solare Feldversuch in der Oberpfalz, einer Region mit einer jährlichen Sonnenscheindauer von rund 1690 Stunden und einer durchschnittlichen Temperatur von 13°C im Sommer und 4°C im Winter. Die Anlagenstandorte wurden nach den Kriterien Dachneigung und -ausrichtung, Höhe des Warmwasserbedarfs und der Art des vorhandenen Heizsystems ausgesucht. An der Studie beteiligt waren schließlich sechs Privatgebäude, ein Sportzentrum und eine Mehrzweckhalle mit unterschiedlichem Nutzerverhalten und stark schwankendem Energieverbrauch.

Von den Herstellern eingesetzt wurden sechs Flachkollektoren, ein Vakuum-Flachkollektor und ein Vakuum-Röhrenkollektor. Die Systeme - ausschließlich solche mit Zwangsumlauf - wurden in die vorhandenen Heizungsanlagen eingebunden, der voraussichtliche Warmwasserbedarf geschätzt, die Dachneigungswinkel und die Energieverbrauchsdaten ermittelt. Den Transport der thermischen Energie vom Sonnenkollektor in den Warmwasserspeicher übernimmt eine Wärmeträgerflüssigkeit, die durch eine Pumpe umgewälzt wird.

Bei der Wärmedämmung der Rohrleitungen entschieden sich die verschiedenen Hersteller für Mineralwolle und/oder geschlossenzelligem Elastomer, alle Rohrleitungen wurden in der Kupferausführung gewählt. Liegt die Temperatur am Kollektor über der des unteren Bereichs im Speicher, setzen die Differenztemperaturregelungen die Umwälzpumpen in Betrieb. Die Regelungseinrichtungen bzw. Steuerungen wurden zum Teil von den Herstellern selbst entwickelt.

Auch die Anlage der vierköpfigen Familie Planner funktioniert nach diesem Prinzip. Sie hatte sich bei der Planung für einen Heatpipe-Vakuum-Röhrenkollektor entschieden. 30 Glasröhren mit einer Absorberfläche von 3,0 Quadratmetern wurden auf das Dach des Einfamilienhauses montiert. Der 270 Liter fassende Solarspeicher wurde mit PU-Hartschaum gedämmt, eine Fremdstromanode sorgt für den Korrosionsschutz. Die Wärmetauscher bestehen aus emailliertem Glattrohr.

Bilanzierung

Weil der Speicher die Schnittstelle zwischen Energieeintrag und Energieabgabe bildet, wurde er als zentrales System der Vermessung gewählt. Er bildet damit die Systemgrenze für die Energiebilanzierung. Für alle Angaben zum Kollektor, so der Schlußbericht, gilt: "Die Rohre vom Speicher zum Kollektor und zurück werden dem Kollektor zugeordnet. Der gemessene Kollektorertrag ist somit der reale Kollektorertrag abzüglich der Rohrleitungsverluste."

Messungen

Die ab Frühjahr 1993 vom "Zentrum für angewandte Energieforschung Bayern" erfaßten Daten wurden per Fernübertragung über Telefonleitung in das 300 Kilometer entfernte München übermittelt. Um die jeweilige Energiebilanz der Solaranlagen erstellen zu können, war es notwendig, Daten über Meteorologie, Wärmemengen in allen Heizkreisen und den Betriebsenergieverbrauch der Anlagen zu erfassen. Der Versuchszeitraum war in verschiedene Abschnitte aufgeteilt.

Nach dem Einbau der Anlage gab es eine Meßphase von fünf Monaten, an die eine erste Optimierungsphase angeschlossen wurde. Die Hersteller hatten die Möglichkeit, Mängel zu beseitigen. An das erste Bilanzierungsjahr von Oktober 1993 bis September 1994 schloß sich wiederum eine kurze Verbesserungsphase an. Das Kalenderjahr 1995 wurde zum zweiten Bilanzierungsjahr, 1996 stand im Zeichen der Auswertungen und der Anfertigung des Endberichtes.

Kinderkrankheiten

Ergebnis der ersten Meßphase war, daß einige Anlagen fehlerhaft installiert oder wichtige Bauteile bei der Montage gar vergessen worden waren. So stellte sich beispielsweise heraus, daß viele Schwerkraftbremsen defekt oder gar nicht vorhanden waren, was zu erheblichen Wärmeverlusten des Brauchwarmwasserspeichers führte. Probleme gab es auch mit falsch positionierten Temperaturfühlern oder falscher Reglereinstellung. Undichte oder fehlende Rückschlagventile im Zirkulationskreis der Warmwasserleitung führten bei einigen Anlagen während der Warmwasserentnahme zu einer Rückwärtsströmung in der Zirkulationsleitung.

Auswertung

Die erste Langzeitmeßphase im Testjahr 1994 gab Aufschluß darüber, welche Werte im Kollektor- und Solarkreis der unterschiedlichen Anlagen erzielt werden konnten. Der geringste Wert einer untersuchten Anlage lag bei lediglich 226 kWh/m2 je Jahr, die größte Energieausbeute lieferte der bei der Familie Planner installierte Vakuum-Röhrenkollektor mit 484 kWh/m2 je Jahr. Zum ersten Mal wurde damit auch in der Praxis bewiesen, was in Laborversuchen gemessen worden war.

Dreißig Vakuumröhren übernahmen zu Beginn des Versuchs die Warmwasserbereitung. Inzwischen sind 3 m2 hinzugekommen, da der Warmwasserbedarf höher ist als zunächst angenommen.

Im Vordergrund der zweiten Langzeitmeßphase stand die Erhebung der Sonneneinstrahlung. Festgestellt wurde ein starker Einbruch des Strahlungsangebotes, was sich direkt im solaren Deckungsgrad und den solaren Erträgen der Anlagen niederschlug. Trotzdem erwies sich der Vakuum-Röhrenkollektor auch hier als das System mit dem höchsten Kollektorwirkungsgrad. "Unbestreitbar läßt sich mit einer aufwendigeren Kollektorbauart, z.B. mit Vakuumkollektoren, unter gleichen Rahmenbedingungen eine höhere Energiemenge einsparen, da die Erträge vor allem in der Übergangszeit und im Winter größer sind als beim konventionellen Flachkollektor", so der Untersuchungsbericht.

Vor Auslegung der Solaranlagen, so ein weiteres, zentrales Ergebnis der Studie, muß unbedingt das Einsparungsziel feststehen. Nur so könne sie auf den gewünschten Deckungsgrad dimensioniert und alle Komponenten optimal aufeinander abgestimmt werden. Immerhin sei der Verbrauch diejenige Größe, "die von allen Parametern den größten Einfluß auf die Effizienz des Solarsystems" habe. Vor allem die Überdimensionierung sei schädlich, weil die Anlage nicht nur nutzlos im Stillstand verharre, sondern darüber hinaus die hohen thermischen Belastungen den Verschleiß der Anlage erhöhten. Bei sehr großzügig dimensionierten Anlagen verschlechtere sich außerdem schnell das Kosten-/Nutzenverhältnis. Der zusätzliche Wärmegewinn steige nicht so stark wie die damit verbundenen Kosten. Dagegen ergaben die Messungen sehr gute Leistungsdaten für Anlagen mit knapper Auslegung. "Im Verhältnis zu größeren Anlagen wird mehr Energie vom Wärmeträgermedium aufgenommen".

Der Feldversuch bestätigte in vielen Punkten die Erwartungen von Herstellern und Anwendern. So lieferten die Anlagen rund 40 bis 60 Prozent der zur Warmwasserbereitung benötigten Energie und arbeiteten ebenso zuverlässig wie konventionelle Nachheizsysteme. Alle Anlagen funktionierten nach Beseitigung der - fast ausschließlich montagebedingten - Fehler der Anfangsphase nahezu störungsfrei, auf größere Reparaturen oder Nachbesserungen konnte verzichtet werden.

Auch Rosemarie Planner ist zufrieden. Weil der Warmwasserbedarf ihrer vierköpfigen Familie höher ist, als im Vorfeld des Versuches angenommen, werden demnächst weitere 3 m2 Absorberfläche auf dem Dach des Einfamilienhauses installiert. Vor allem ökologische Gründe seien es, die diese Investition lohnenswert machten. Auch auf Komfort müsse dabei nicht verzichtet werden, wenn sich das eigene Nutzerverhalten an die veränderten Bedingungen anpasse. "Schließlich müssen nicht alle vier hintereinander duschen".

Empfehlungen

Mit Hilfe der Erkenntnisse entwickelten die mit der Studie beschäftigten Wissenschaftler und Ingenieure Vorschläge für den praxisgerechten, optimalen Betrieb der Anlagen. Eingeschlossen in die Überlegungen wurden Hersteller, Planer, Anwender und Installateure.

An die Hersteller ging die Empfehlung, die Qualifikation der Installateure durch Schulungen weiter zu verbessern und verstärkt auf Kundenwünsche einzugehen. Ein Optimierungspotential sahen die Verantwortlichen auch in der Regelungstechnik, der gerade in der solaren Brauchwassererwärmung eine große Bedeutung zukomme.

Planern und Architekten wurde ans Herz gelegt, eine Warmwasserzirkulation möglichst zu vermeiden. Falls darauf nicht verzichtet werden könne, solle eine tasterbetätigte Zirkulationslösung bevorzugt werden.

An das Installationshandwerk ging der Hinweis, auf eine sorgfältige Wärmedämmung der Rohrleitungen zu achten und auch die Armaturen in die Dämmung einzubeziehen. Typischen Fehlerquellen bei der Montage solle in der Zukunft mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dazu gehörten: undichte Dacheinführungen, falsch eingestellte Regelungen, zu geringer Anlagendruck, zu große Pumpenauslegung mit erhöhtem Stromverbrauch oder die Verwechslung von Vor- und Rücklauf.

An die Anwender ging die Bitte, vor der Installation der Solaranlage zunächst den persönlichen Energieverbrauch zu minimieren, das konventionelle Energieversorgungssystem an den reduzierten Verbrauch und an den neuesten Stand der Technik anzupassen und erst dann die Anlage zu installieren.

Außerdem wurde angeregt, einen vier- bis achtwöchigen Zeitraum zur Klärung des Warmwasserbedarfs der Anwender vorzuschalten, an die Installation der Anlagen eine kurze Meßphase zu deren Überprüfung anzuschließen und eine Speicherzustandsanzeige einzubauen, damit der Verbraucher immer über den aktuellen Stand des Speichers informiert ist.  


B i l d e r : Elco Klöckner, Hechingen


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