IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 5/1998, Seite 67 ff.


SANITÄRTECHNIK


Gebäude- und Grundstücksentwässerung

Dichtheitsprüfungen von Grundleitungen nach DIN EN 1610

Franz-Josef Heinrichs* Teil 1

Mit Herausgabe der DIN EN 1610 "Verlegung und Prüfung von Abwasserleitungen und -kanälen" im Oktober 1997, die als Ersatz für DIN 4033 wesentliche Änderungen beinhaltet, erhält die Dichtheitsprüfung von Grundleitungen eine neue Bedeutung. Während sich die Anwender im öffentlichen Kanalbau seit Jahren auf die neuen Prüfverfahren und Prüfabläufe bereits eingestellt haben, müssen die ausführenden Handwerksbetriebe, die bisher die Verlegung und Prüfung von Grundleitungen auf Grundstücken und unterhalb von Gebäuden ausschließlich nach der DIN 4033 durchgeführt haben, auf neue Verfahrensabläufe umstellen.

Die wesentlichste Änderung ist, daß die Dichtheitsprüfung im offenen Graben - wie bisher in DIN 4033 gefordert - lediglich als Vorprüfung gilt. Neu ist, daß eine Abnahmeprüfung auf Dichtheit nach dem Verfüllen der Gräben verbindlich festgelegt wurde. Für den Dichtheitsnachweis können vom Auftraggeber die Wahl der Prüfung mit Luft oder Wasser festgelegt werden. Diese Änderung in Vorprüfung bei offenen Gräben, auf die in der Regel nicht verzichtet werden sollte und eine Abnahmeprüfung bei verfüllten Gräben, haben natürlich auch werkvertragliche Auswirkungen. Zukünftig sind in den Leistungsverzeichnissen die Vorprüfung und die Abnahmeprüfung in detaillierten Positionen auszuschreiben. Auch der Gesetz- und Verordnungsgeber hat in den letzten Jahren aufgrund der bekannten Schäden und maroden Zustände von Entwässerungsleitungen sowie über die beunruhigenden Meldungen von Grundwasserverunreinigungen reagiert und verschärfte gesetzliche Regelungen zu Dichtheitsnachweisen getroffen. Beispiel hierfür sind die Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen und das Hamburgische Abwassergesetz.

Gesetzliche Anforderungen

Am Beispiel der Bauordnung NRW § 45 LBO Absatz 5, 6 und 7 werden die neuen gesetzlichen Anforderungen deutlich.

5) Im Erdreich oder unzugänglich verlegte Abwasserleitungen zum Sammeln oder Fortleiten, ausgenommen Niederschlagswasser und Leitungen, die in dichten Schutzrohren so verlegt sind, daß austretendes Abwasser aufgefangen und erkannt wird, sind nach der Errichtung oder Änderung von Sachkundigen auf Dichtheit prüfen zu lassen. Die Dichtheitsprüfung ist in Abständen von höchstens 20 Jahren zu wiederholen.

6) Absatz 5 gilt auch für bestehende Abwasserleitungen mit der Maßgabe, daß die erste Dichtheitsprüfung bei einer Änderung spätestens jedoch innerhalb von 20 Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes durchzuführen ist.

7) Die Gemeinde kann für ihr Gebiet oder für abgegrenzte Teile des Gemeindegebietes durch Satzung kürzere Zeiträume für die erstmalige Prüfung nach Absatz 6 festlegen, wenn dies im Zusammenhang mit dem Ausbau oder der Instandhaltung der örtlichen Kanalisation steht und der Gefahrenabwehr dient. Die Gemeinde kann ferner durch Satzung bestimmen, daß alle oder bestimmte Dichtheitsprüfungen nach den Absätzen 5 und 6 nur durch zugelassene Sachkundige durchgeführt werden. Nach der Verwaltungsvorschrift zu §45 Abs. 5 kann die erfolgreiche Durchführung der Dichtheitsprüfung in einer Unternehmer- oder Sachverständigenbescheinigung bestätigt werden.

Bild 1: Vorprüfung ohne Seitenverfüllung

Im Hamburger Abwassergesetz ist in §15 "Unterhaltung und Betrieb von Grundstücksentwässerungsanlagen" folgendes aufgenommen:

In §13 des Hamburgischen Abwassergesetzes ist festgelegt, daß das Errichten, Ändern und Abbrechen von Grundstücksentwässerungsanlagen nur von anerkannten Fachbetrieben ausgeführt werden darf. Als anerkannter Fachbetrieb gilt, wer das Zertifikat einer von der Behörde zugelassenen Zertifizierungsorganisation führt.

Auch durch die Verschärfung des Umweltstrafrechts mit der Festlegung des StgB von März 1989

§ 324. Verunreinigung eines Gewässers.

(1) Wer unbefugt ein Gewässer verunreinigt oder sonst dessen Eigenschaften nachteilig verändert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.

ist der Grundstückseigentümer und das Fachunternehmen, welches die Entwässerungsanlage installiert hat, in der Pflicht, für die Dichtheit der Grundleitungen Sorge zu tragen.

Bild 2: Abnahmeprüfung nach Verfüllen der Gräben

Dichtheitsprüfungen von Neuanlagen

Mit DIN 1986-1 Abschn. 6.1.13 Ausgabe 1988 wurde für alle neu verlegten Grundleitungen eine Wasserdichtheitsprüfung vorgeschrieben. Die DIN 1986-1 unterscheidet nicht in Dichtheitsprüfungen für Schmutzwasserleitungen oder Verzicht auf Dichtheitsprüfungen für Regenwasserleitungen, wie es z.B. die Bauordnung von NRW vorgibt. Der Verzicht auf die Vorlage eines Dichtheitsprüfungsprotokolls für Regenwasserleitungen bedeutet aber nicht, daß diese Leitungen nicht dicht sein müssen. Hier verzichtet der Gesetzgeber lediglich auf eine schriftliche Bestätigung der Dichtheit und legt die Dichtheit der Regenwasserleitung in die Verantwortung der Fachunternehmen.

Für die Dichtheitsprüfung sind die folgenden technischen Regelwerke zu beachten:

Anforderungen der DIN EN 1610

Die DIN EN 1610 läßt für die Prüfung von Rohrleitungen, Schächten und Inspektionsöffnungen sowohl eine Luft- als auch eine Wasserdichtheitsprüfung zu, die auch in Kombination, z.B. Rohre mit Luft und Schächte mit Wasser, durchgeführt werden kann. Im Falle einmaligen oder wiederholten Nichtbestehens der Prüfung mit Luft ist der Übergang zur Prüfung mit Wasser zulässig, und das Ergebnis der Prüfung mit Wasser ist dann allein entscheidend. Eine Vorprüfung kann vor Einbringen der Seitenverfüllung sowohl mit Wasser als auch mit Luft durchgeführt werden.

Auch wenn die Rohrleitungen, Form und Verbindungsstücke sowie die Dichtungen aufgrund der Normvorgaben einen hohen Qualitätsstandard darstellen und auf Dichtheit werkseitig geprüft sind und eine fachgerechte Montage vorausgesetzt wird, kann auf eine Dichtheitsprüfung "Vorprüfung" bei offenem Graben "ohne Seitenverfüllung" in der Regel nicht verzichtet werden. Das Risiko, eine undichte Leitung erst bei der Abnahmeprüfung bei geschlossenen Gräben oder nach betonierter Grundplatte festzustellen ist, bei der Vielzahl der Verbindungen einer weitverzweigten Grundleitung einfach zu hoch und sollte nicht ohne weiteres riskiert werden. Empfohlen wird, wie bisher nach der DIN 4033 bei nicht verfüllten Gräben eine Dichtheitsprüfung vorzunehmen und diese im Leistungsverzeichnis auch gesondert auszuschreiben. Die Abnahmeprüfung kann genau wie die Vorprüfung mit Wasser oder Luft durchgeführt werden. Die Vorgabe, welches Verfahren angewendet werden soll, kann der Auftraggeber treffen. Wenn seitens des Auftraggebers keine Festlegung erfolgt, sollte der Auftragnehmer einvernehmlich Prüfverfahren mit seinem Auftraggeber bzw. dessen Beauftragten, z.B. Architekten oder Planer, festlegen.

Bild 4: Prüfdruck mit Wasser.

Durchführung der Wasserdichtheitsprüfung

Gegenüber der DIN 4033 sind in der DIN EN 1610 wesentliche Änderungen, aber auch Vereinfachungen für die Durchführung der Wasserdichtheitsprüfung vorgenommen worden.

Folgender Prüfablauf ist vorzusehen:

- 0,15 l/m² in 30 min für Rohrleitungen;

- 0,20 l/m² in 30 min für Rohrleitungen einschließlich Schächte;

- 0,40 l/m² in 30 min für Schächte und Inspektionsöffnungen.

ANMERKUNG: m² beschreibt die benetzte innere Oberfläche

Die Wasserzugabewerte sind Erfahrungswerte, die aus werkstoffbedingter, unterschiedlicher Wasseraufnahme der Rohrwand sowie aus der Komprimierung und dem langsamen Entweichen der im Scheitelbereich der Verbindung eingeschlossenen, von der Wand und Art der Rohre abhängigen Luftmenge resultieren. Bei der Durchführung der Wasserdichtheitsprüfung als Vorprüfung bei offenen Gräben ist folgendes zu beachten:

Ein teilweises Verfüllen des Rohrgrabens im Bereich der Leitungszone, insbesondere in der glatten Länge zwischen den Verbindungsstellen, aber auch bei Abzweigungen und Abwinkelungen zur Lagestabilisierung und gegen Auseinandergleiten sollte vorgenommen werden; Sicherung der Rohrleitung gegen seitliches oder vertikales Ausweichen durch Einbettung in die Leitungszone; Sicherung der Abzweige und Abwinkelungen durch Pflöcke/Winkeleisen, die z.B. bis zu 0,50 m in den Boden geschlagen werden und gegen die Rohre abgesteift werden. Alternativ: Sicherung mit Betonwiderlagern; Sicherung der Rohrverschlüsse durch Absteifung gegen vorher eingeschlagene Pflöcke/Winkeleisen oder den Baugrubenverbau; Sicherung von Bögen, die vertikal stehen zur Aufnahme der Falleitung mit kurzem Rohrende, durch Setzen einer Betonsicherung am Fuß der Falleitung. Die Sicherung muß die nach oben wirkende Kraft, berechnet aus dem Rohrleitungsquerschnitt und der Wassersäule, aufnehmen. Bei einer Leitung DN 150 sind das bei 0,5 bar z.B. 900 N, d.h. 90 kp. Wenn alle aufgehenden Bögen mit Standleitungen (5 m Höhe) versehen werden, schützt auch das nicht die Leitung vor dem Auseinandergleiten, da die Kräfte auf den Rohrbogen am Fuß der Leitung wirken und eine Sicherung gegen seitliches Auseinandergleiten erforderlich wird; Eine Alternative wäre, den Bogen am Fuß der Leitung nicht zu setzen und die Leitung "nur" in der Waagerechten abzudrücken. Die Absteifung auf der Gründungsohle ist problemloser als eine Betonsicherung am Fuße der Falleitung. Der Übergangsbereich Falleitung/ Grundleitung würde dann keiner Dichtheitsprüfung nach Verlegung der Leitung unterzogen. Für die Abnahmeprüfung nach DIN EN 1610 muß dieser Leitungsabschnitt jedoch dicht sein.

Spezial-Verbinder Conzis für TML-Abflußrohre.

Als Rohrverschlüsse können verwendet werden:

Werkbild Härke, Rohrverschlüsse ab DIN 100 und Dichtheitsprüfgerät.
1 + 4: mechanische Rohrverschlüsse
2: pneumatischer Rohrverschluß
3: Absperrblase
5: pneumatisches Dichtheitsprüfgerät
6: Prüfblase mit Prüfset

Füllen der Rohrleitung

Die zu prüfende Grundleitung ist "drucklos" zu füllen. Eine direkte Verbindung der Trinkwasseranlage mit der zu prüfenden Entwässerungsanlage kann entsprechend DIN 1988-4 (TRWI) über einen Schlauchanschluß mit einem Rückflußverhinderer (kurzzeitiger Anschluß) zur Befüllung der Leitungen erfolgen. Nach dem Befüllen und während der Dichtheitsprüfung muß die direkte Verbindung entfernt werden. Während der Befüllung muß eine ausreichende Entlüftung sichergestellt werden. Der Entlüftungsquerschnitt soll dem der Zulaufleitung entsprechen. Da im Versorgungsnetz Wasserdrücke von 5 - 6 bar vorliegen, die somit 10-fach höher sind als der geforderte Prüfdruck, muß die Befüllung so durchgeführt werden, daß sich während der Befüllung in den Entwässerungsleitungen keine Drücke über 0,5 bar aufbauen können. Die Befüllung ist vom Tiefpunkt aus so langsam durchzuführen, daß die im Wasser enthaltene Luft an den Leitungshochpunkten langsam entweichen kann. Die Dichtheitsprüfung kann erst beginnen, wenn die Leitung vollständig entlüftet ist.

Die Befüllung kann erst erfolgen, wenn folgendes sichergestellt ist:

Bei einer Dichtheitsprüfung mit einem Dichtheitsprüfgerät sind nach Abschluß der Entlüftungsphase alle Ventile in den Rohrverschlüssen zu schließen. Je nach Versickerungsfähigkeit des Bodens kann es erforderlich sein, daß beim Ablassen des Prüfdrucks und Entleerung der Leitungen das anfallende Wasser aus dem Graben mittels einer Tauchpumpe abgepumpt werden muß.

Wasserdichtheitsprüfung mit 5 m Wasserschlauch.

Prüfung von Schächten

Schächte mit offenem Gerinne sollten durch Füllung des Schachtes mit Wasser bis auf Höhe der Unterkante des Rahmens der Schachtabdeckung bzw. der evtl. verwendeten Ausgleichsringe geprüft werden. Die Vorbereitungszeit, die Prüfzeit und die Wasserzugabewerte sind den vorstehenden Angaben zu entnehmen. (Fortsetzung folgt).

Dichtheitsprüfgerät


* Referat Sanitärtechnik im ZVSHK, St. Augustin


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