IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 4/1998, Seite 59 ff.


REPORT


Polen

Brückenkopf für Osteuropa

Investoren nicht nur der SHK-Branche haben bereits vor einigen Jahren osteuropäische Länder als Märkte und Produktionsstandorte entdeckt. Das gilt insbesondere für Tschechien (siehe IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 13/96, Seite 52 ff), Polen, Ungarn und die Slowakei.
IKZ-HAUSTECHNIK-Redakteur Günther Klauke informierte sich im Großraum Wroclaw über Hintergründe, Vertrieb und Produktion in Polen.

Außen wie innen nur vom Feinsten: das Kludi-Werk in Opole.

 

Der Markt

Wolfgang Semnet, Direktor Marketing und Vertrieb der Kludi-Gruppe, bewertet den polnischen Markt besonders positiv. Semnet: "Mit annähernd 40 Mio. Einwohnern und dem energischen Streben der Regierung nach engerer Bindung zur EU, bietet Polen gute Zukunftschancen!" Dabei weiß der erfahrene Manager natürlich um die Probleme beim ökonomischen Umbau. Deutlich werden diese derzeit vorrangig beim einstigen Musterschüler Tschechien.

Per moderner Strangpreßmaschine werden Armaturenkörper für Zweigriffarmaturen gefertigt, . . .

Doch nicht nur dort, sondern in allen Ländern Mittel- und Osteuropas, sehen Wirtschaftsexperten ungelöste Probleme wie stark wachsende Importe, zu hohe Defizite in den Handels- und Zahlungsbilanzen, Aufwertungsdruck der Währungen gegenüber Euro und DM sowie die Diskrepanz zwischen Lohn- und Produktivitätsentwicklung.

. . . auf einem Werk-
zeugmaschinenautomaten
in acht Schritten
weiterverarbeitet, . . .

Modernes Werk

Die Mendener Armaturenspezialisten gehen nicht zuletzt aus diesen Gründen andere Wege. Die 1992 zunächst als erste polnische Vertriebsgesellschaft eines westdeutschen Unternehmens der Sanitärbranche gegründete Tochter Kludi-Armaturen Sp.zo.o. fertigt seit Oktober 1996 in Opole Sanitärarmaturen für den polnischen und osteuropäischen Markt.

. . . von erfahrenen Mitarbeitern geschliffen und poliert . . .

In dem modernen Werk produziert das Unternehmen überwiegend Armaturenkörper für Zweigriffarmaturen. Mit ca. 20 Mio. DM schlugen die Investitionen der Sauerländer in Betriebsgelände, Gebäude, Warmpresse für Armaturenkörper, Schleif- und Poliermaschinen zu Buche. Weitere etwa 20 Mio. DM sollen bis zum Jahr 2000 investiert und die Belegschaft auf 200 Mitarbeiter ausgebaut werden.

. . . und Kupferrohre eingelötet, bevor die Rohlinge sorgfältig verpackt nach Eisenberg/ Thüringen versandt werden, wo sie galvanisiert werden.

Die Früchte dieser Pionierentscheidung des jetzigen geschäftsführenden Gesellschafters der privaten Unternehmensgruppe, Franz Scheffer, ernten Polens Kludi-Chef Stanislaw Lech und seine inzwischen 85 Mitarbeiter heute: Mit ca. 9% Marktanteil ist Kludi in Polen nach eigenen Angaben Marktführer unter den westlichen Armaturenherstellern. Das durchschnittliche Umsatzwachstum seit der Gründung 1992 betrug bis zu 34% jährlich. 1997 wurde der Umsatz auf ca. über 9 Mio. DM gesteigert.

Von Opole aus organisiert das Unternehmen auch den Vertrieb der insgesamt 20 Produktlinien in Polen und in andere osteuropäische Märkte.

Die Pietsch-Tochter Partner in Wroclaw verfügt nicht nur über eine exzellente Ausstellung, sondern auch über ein ausgezeichnet sortiertes Lager.

Vertriebsweg

Wie bei den deutschen Herstellern erregt der polnische Markt auch bei den deutschen SHK-Großhandelsorganisationen besonderes Interesse. Wie sonst ist es zu erklären, daß fast alle bekannten SHK-Großhändler mit Tochtergesellschaften oder Partnerfirmen vertreten sind.

Partner-Direktor Andrzej Wawrzyniak (links) und Polens Kludi-Chef Stanislaw Lech freuen sich über den guten Verkauf hochwertiger SHK-Waren in Polen.

 Man versuche eine Handelsstruktur nach deutschem Muster aufzubauen erklärte Andrzej Wawrzyniak, Direktor der polnischen Pietsch-Tochter Partner in Wroclaw. Zwar verkaufe man derzeit an jeden Kunden, doch zunehmend leite man durch ein Rabattsystem Endverbraucher in bereits bestehende Einzelhandelsgeschäfte bzw. zum Fachhandwerk. Eine wichtige Aufgabe des Außendienstes sei es derzeit, Dumpingpreise zu vermeiden.

Bis zum Jahresende 1997 räumten Großhandel und Hersteller den hochwassergeschädigten der Oderregion (in Opole stieg die Flutwelle mehr als 8 m über den normalen Pegel und überflutete große Flächen der Stadt bis zum ersten Geschoß) zusätzliche Rabatte zwischen 3 bis 30% ein.

Während Partner überwiegend Sanitärprodukte vermarktet, ist Thyssen Centrostal gleichermaßen im Sanitär- und Heizungsmarkt aktiv. Die Niederlassung in Opole verfügt nicht nur über eine Ausstellung, sondern auch über einen Mitnahmemarkt. Verkauft wird an jeden Kunden, Rabattsysteme sollen auch hier die Endverbraucher zum Einzelhandel schleusen.

Überwiegend hochwertige Produkte zeigt auch der Großhändler Thyssen-Centrostal in der Ausstellung in Opole.

Ein erstaunliches Repertoire hochwertiger Artikel präsentiert nicht nur der Großhandel. Auch im Einzelhandelsgeschäft Gaja im Herzen Opole's werden überwiegend hochwertige Produkte bereitgehalten. Anfangs mit einfacheren Baureihen gestartet, hat man sich schnell auf die Wünsche der Endverbraucher umgestellt, die überwiegend Einhebel-Armaturen des gehobenen Angebots verlangen.

SHK-Einzelhandel nach polnischer Art. Auch bei Gaja werden überwiegend hochwertige Produkte verkauft, . . .

Das bestätigte auch Kludi-Handelsvertreter Jacek Gala, der sich sehr zufrieden über die Marktentwicklung äußerte. Zwar gebe es hier und da Lieferengpässe, für die er vor allem die langen Wartezeiten für LKW-Transporte an Polens Westgrenze verantwortlich macht, doch durch das gut sortierte Lager bereite selbst das Ersatzteilgeschäft keine nennenswerten Probleme.

Und die Zahlungsmoral? "Kein Problem" sagt Ivana Lech, Ehefrau von Stanislaw Lech und Vertriebschefin bei Kludi in Opole. Üblicherweise werde innerhalb von 60 Tagen per Überweisung gezahlt.

. . . von deren professioneller Präsentation sich Peter Figge (Kludi-Pressesprecher), Stanislaw Lech, Slawomir Jakubowski (Gaja-Verkäufer), Wolfgang Semnet und Jacek Gala überzeugten (v.l.n.r.).

 

Lieferung und Einbau

Dienstleistung hat für Polens Kludi-Chef einen besonders hohen Stellenwert. "Vor allem gilt es", so Lech, "das Fachhandwerk durch gezielte Unterstützung schnellstmöglich mit veränderten Technologien vertraut zu machen." Mindestens zwei Schulungen pro Woche veranstaltet Lech bereits heute zu den unterschiedlichsten Themengebieten in Opole. Darüber hinaus arbeitet man eng mit Schulen zusammen und versucht auch dort moderne Armaturentechnologie hoffähig zu machen.


Interview

IKZ-HAUSTECHNIK: Aus welchen Gründen engagiert sich Kludi zunehmend in ausländischen Märkten?

Semnet: Unser Unternehmen war im Export eher schwach vertreten. Die Marktforschung sagt bei Sanitärarmaturen für den deutschen Markt bis zum Jahr 2000 einen Rückgang um ca. 7% voraus. Diese ungünstige Entwicklung gleichen wir mit zusätzlichem Einsatz im Ausland aus. Von 1992 bis 1997 stieg der Exportanteil der Kludi-Gruppe von 23% auf 40%.

IKZ-HAUSTECHNIK: Sie verkaufen nicht nur im Ausland, sie produzieren auch im Ausland. Mit Erfolg?

Semnet: Wie Sie am Beispiel Opole/Polen sehen, sogar mit großem Erfolg. Immerhin haben wir in nur fünf Jahren 9% Marktanteil erreicht. Angestrebt wird, wie in Ungarn, ein Marktanteil von über 20%. Dort produzieren wir in Diòsd überwiegend keramische Dichtelemente. Die Präsenz mit Produktionen wirkt sich in diesen Ländern positiv aus, weil wir als "heimische" Unternehmen eine höhere Akzeptanz erreichen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Müssen Ihre Mitarbeiter in Fröndenberg und/oder Menden um ihre Arbeitsplätze bangen?

Semnet: Natürlich nicht. Im Sauerland fertigen wir hochwertige Armaturen, deren Produktion im Ausland keinen Sinn macht. In den Werken in Diòsd und Opole werden überwiegend Produkte hergestellt, die in den osteuropäischen Märkten auch verkauft werden. Darüber hinaus nutzen wir diese Standorte zum Vertrieb der insgesamt 20 Produktlinien in eben diese Märkte.

IKZ-HAUSTECHNIK: Drei neue Standorte mit insgesamt 445 Mitarbeitern in nur sechs Jahren, zeugen von überdurchschnittlichem Engagement. Ist ein weiterer Ausbau geplant?

Semnet: In absehbarer Zeit nicht. Als Familienunternehmen müssen wir Kapital erst einmal erwirtschaften, bevor wir investieren können. Wenn das Werk in Opole seine Zielgröße mit ca. 200 Mitarbeitern erreicht hat, verfügen wir über eine ausreichende Anzahl von Mitarbeitern und Produktionsstätten.


Zukunft

Alle polnischen Gesprächspartner blicken äußerst optimistisch in die Zukunft. Große Hoffnung setzt man vor allem in einen EU-Beitritt. Ereignisse wie sie derzeit in Tschechien stattfinden, hält Lech in Polen für beinahe ausgeschlossen: "Diese schwierige wirtschaftliche Phase hat Polen bereits vor einigen Jahren durchgemacht."

Positiv blicke man vor allem deshalb in die Zukunft, weil Kludi in Polen nicht nur Waren verkaufe, sondern auch produziere. Das werfe bei allen Geschäftspartnern ein positives Bild auf das Unternehmen, garantiere langfristige Präsenz im Markt und werde nicht nur dazu beitragen, daß man am wachsenden Markt partizipiere - das Stück am Kuchen "Sanitärmarkt Polen" werde auch größer.

Unübersehbar für den Besucher tut sich etwas im Großraum Wroclaw - Opole. Große und kleine Geschäfte mit vielfältigen Auslagen prägen schon heute die vor wenigen Jahren noch verwaisten Städte. Und dennoch: Die Diskrepanz zwischen arm und reich ist nicht zu übersehen. Besonders die Rückreise verursachte bleibende Eindrücke. Sehr freundliche und hilfsbereite Menschen prägten die eine Seite der Medaille; bettelnde Kinder und Greise, ein von offenbar unterhalb der Armutsgrenze lebenden Menschen übervölkerter Bahnhof in Wroclaw, überfüllte Züge und katastrophale Straßen mit unglaublich viel Verkehr, die andere. Darüber hinaus leiden viele Menschen im Odergebiet unter den verheerenden Folgen des letzten Hochwassers.

Gelingt es nicht, die gravierenden Unterschiede zumindest teilweise anzugleichen, könnte auch Polen herbe Rückschläge erleiden.

 

Wenn einer eine Reise tut ...

Ohne Probleme verläuft heutzutage im Regelfall die Reise nach Polen. Gut eineinhalb Stunden benötigt z.B. ein Eurowings-Flieger von Düsseldorf nach Wroclaw. Freundlich und hilfsbereit, so präsentierten sich bei der Anreise die Flugbegleiter der genannten Fluggesellschaft.

Das dicke Ende dann bei der Abreise. Wird ein Start wegen technischer Probleme (wie geschehen) abgebrochen, ist das allein eher als gut zu bezeichnen (man stelle sich vor, so etwas geschieht 1000 m höher ...).

Die über 40 Flugreisenden dann allerdings um 16.00 Uhr in Wroclaw stehenzulassen, eine Hotelübernachtung und für den nächsten Tag ca. 15.00 Uhr einen Heimflug anzubieten, zeugt nicht von Dienstleistung. Zumal es drei Reisenden mit Handys und Kreditkarte (aber ohne polnische Sprachkenntnisse und ohne Zloty) gelang, eine nächtliche Zugverbindung von Wroclaw nach Fulda zu bekommen. Dort wartete morgens um 4.45 Uhr ein Vertreter der Mietwagengesellschaft Sixt (natürlich mit Mietwagen) am Hauptbahnhof, gegen 9.00 Uhr waren die Reisenden wohlbehalten zu Hause angekommen und konnten ab Mittag wieder ihren Geschäften nachgehen.

Verbraucherurteil

Behörden- und Flughafenpersonal in Wroclaw: sehr engagiert und hilfsbereit
Taxifahrer in Wroclaw (wurde mit DM bezahlt!): sehr engagiert und hilfsbereit
Mietwagengesellschaft Sixt: exzellente Dienstleistung
Fluggesellschaft Eurowings: kein Kommentar

 


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