125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 23/1997, Seite 70 f.


UNTERNEHMENSFÜHRUNG


Da haben Sie mir ja einen schönen Murks empfohlen!

Souverän und sicher auf Reklamationen reagieren

Da kann einer noch so viel Erfahrung haben - selbst gestandene Verkäufer kommen häufig noch ins Schwitzen, wenn enttäuschte Kunden "voll unter Dampf" ein Produkt oder eine Dienstleistung reklamieren. Welche Hilfen für Verkäufer gibt es, in solchen fast immer kniffligen Situationen sicher und souverän zu agieren?

"Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht? Mit Ihrem angeblichen Super-Heizkessel erlebe ich eine Pleite nach der anderen!" - Oder: "Das haben Sie ja clever gemacht. Das gleiche gibt’s woanders 160 DM billiger!" Die Schauplätze geharnischter Reklamationen sind verschieden, die Reaktionen der betroffenen Verkäufer ähneln sich - erst recht, wenn sich das ganze Spektakel vor Augen und Ohren weiterer, interessiert lauschender Kunden abspielt: Handflächen werden feucht, Puls und Blutdruck steigen.

Sich jetzt an die altbekannte Weisheit zu erinnern, daß solche Situationen besonders geeignet sind, die Kundenbindung durch professionelle Reklamationsbehandlung sogar noch zu vertiefen, nutzt dem Verkäufer in solchen Situationen zunächst mal herzlich wenig, meint Ferdinand Benz, Trainer der VA-Akademie für Führen und Verkaufen, Sulzbach/Ts.

Aufs Glück vertrauen oder Vorgehen mit Methode?

Nur ausgesprochene Glückspilze finden in solchen Situationen per Eingebung die richtigen Worte. Andere laufen eher Gefahr, in der Streßsituation durch ein falsches Wort oder eine ungeschickte Reaktion noch zusätzlich Porzellan zu zerschlagen. VA-Trainer Benz: "Egal, ob Sie Autos, Reisen, Heizungs-, Sanitäranlagen, Badmöbel oder was auch immer verkaufen - Sie reagieren auf Reklamationen sicher und souverän, wenn Sie eine Strategie beherrschen, nach der Sie in solchen Situationen Schritt für Schritt vorgehen." Und auf die folgenden Schritte kommt es an:

1. Schritt

Solange der Kunde noch "Überdruck auf dem Kessel hat", versuchen Sie in dieser Phase nicht, fehlerhafte Details in den Behauptungen des Kunden zu korrigieren, Widersprüche nachzuweisen oder Übertreibungen zu zerpflücken. Solche Richtigstellungen kommen bei einem erregten Kunden nur als Rechthaberei an, die ihn provoziert und weiteres Öl ins Feuer gießt. Geben Sie dem Kunden statt dessen Gelegenheit, sich auch wieder zu beruhigen, sobald er den größten Frust abgeladen hat. Das gelingt am besten, indem Sie ihm zunächst einmal zuhören und schweigen.

2. Schritt

Hat der Kunde seinem Frust und Ärger Luft verschafft, geben Sie das Signal, daß Sie die Situation versachlichen wollen. Greifen Sie dazu beispielsweise zu Kuli und Schreibblock: "Damit ich keine Einzelheit vergesse - erlauben Sie mir bitte, mitzuschreiben." Dieses Signal, so Benz, wirkt übrigens auch am Telefon.

3. Schritt

Ihr Kunde beruhigt sich weiter, wenn Sie ihm zeigen, daß Sie seinen Ärger ernst nehmen: "Ich kann mir vorstellen, wie enttäuscht Sie sind." Oder: "Das tut mir wirklich leid, daß Sie sich so geärgert haben". Bedanken Sie sich auch für die Offenheit des Kunden: "Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie das Problem hier aufs Tapet bringen." Durch diesen Dank werten Sie den Kunden auf und bauen weiter eine positive, sachliche Gesprächsatmosphäre auf.

4. Schritt

Erst jetzt macht es Sinn, sich mit den sachlichen Fragen der Reklamation zu beschäftigen. Bitten Sie den Kunden um Konkretisierungen seines Unmuts: "Was hat Sie gestört?" - "Mit welchem anderen Angebot vergleichen Sie Ihre neue Duschabtrennung?" - "Wann treten die Probleme mit dem Heizkessel auf?"

An dieser Stelle des Gesprächs trennt sich bei Reklamationen gewöhnlich die Spreu vom Weizen. Die eine Möglichkeit: Die Beschwerde regelt sich von selbst, weil sich herausstellt, daß der Kunde die beklagte Situation selbst verursacht hat. Die andere: Die Reklamation ist berechtigt, weil die Dienstleistung oder das Produkt wirklich fehlerhaft waren. Was tun, wenn der Kunde am Mißstand selber schuld ist?

Zum Beispiel weil die zu geringe Auslauftemperatur am Waschtisch nicht an einem Mangel der neuen Armatur liegt, sondern an einem simplen Bedienungsfehler. Oder der angeblich viel günstigere Preis der Duschabtrennung auf Zahlungskonditionen basiert, die Ihr Kunde bei Ihnen keinesfalls akzeptieren wollte (z.B. 50% Anzahlung).

Auch wenn in solchen Fällen der schwarze Peter jetzt beim Kunden liegt, schicken Sie ihn, so der dringende Tip, nicht kaltlächelnd nach Hause. Benz: "Zumindest insgeheim wird Ihr Kunde nämlich glauben, daß Sie ihn hätten besser beraten müssen." Er denkt dann so: "Er hätte mir die Bedienung besser erklären müssen. Das mit den Zahlungskonditionen hat er mir nie richtig erklärt." Daher der Tip des Trainers: Wenn es geht - wie im Falle der Armatur - bieten Sie dem Kunden an, ihm die Bedienung oder die Gründe für die unterschiedlichen Preise noch einmal ausführlich zu erklären, noch einmal neu zu überlegen, ob die Armatur für ihn die Richtige ist; und ersetzen Sie notfalls das ursprünglich gekaufte Produkt durch eines, das offensichtlich besser den Erwartungen des Kunden entspricht.

Wo das nicht geht, sagen Sie dem Kunden zumindest Ihr Bedauern darüber, daß er nicht zufrieden war. Falls es hilfreich erscheint, bekräftigen Sie Ihr Bedauern noch mit einem Brief, den Sie dem Kunden nach Hause schicken, vielleicht zusammen mit einem kleinen Geschenk als Geste der Versöhnung.

Und was ist, wenn die Reklamation berechtigt ist? Wenn das Gespräch mit dem Kunden zeigt: An der neuen Armatur ist offensichtlich ein Teil fehlerhaft, das Produkt oder die Dienstleistung ist wirklich nicht so, wie es der Kunde für sein gutes Geld erwarten kann? Dann folgt der

5. Schritt (Ihrer Reklamationsbehandlung)

Sorgen Sie in diesem Schritt dafür, daß der Kunde umgehend eine tadellose Dienstleistung oder ein fehlerfreies Produkt erhält. Gehen Sie dabei aber nicht wie der Kundendienstmann im folgenden Beispiel vor, der bemerkt hat, daß bei der neuen Armatur tatsächlich ein Defekt vorliegt und dem Kunden sagt: "Richtig, bei dieser Armatur liegt wohl eindeutig ein Fehler vor. Ich schicke sie sofort zum Hersteller, dort gibt es für solche Fälle eigens eine Prüfwerkstatt; wenn die auch zu dem Ergebnis kommt, daß es sich um einen Werksfehler handelt, schickt sie sofort eine neue Armatur." Was ist hier geschehen? Statt einer Soforthilfe, hat der Servicemann zunächst einmal Aufklärungsunterricht darüber gegeben, wie das Handelsunternehmen seine Gewährleistungsansprüche mit seinem Lieferanten geregelt hat. Und das interessiert zum Beispiel eine Hausfrau, die ohne Warmwasser dasteht, herzlich wenig.

Was für sie wichtig ist: Ihr Haushalt ist zumindest teilweise lahmgelegt, und sie will nichts anderes, als ihre berechtigte Reklamation schnell erledigt wissen. Und zwar dadurch, daß sie eine funktionsfähige Armatur bekommt.

Leider ist es jedoch oft so, daß sich selbst in juristisch eindeutigen Fällen eine Reklamation mit ihren Ansprüchen über Monate hinzieht und dabei der Kunde unter bürokratischen Regelungen leidet. Konkret: Die Kundin bekommt wochenlang nicht so warmes Wasser wie sie will.

Welchen Schluß zieht ein Kunde aus derart schleppenden Abwicklungen? Ganz klar: Nicht er, sondern irgendwelche Regelungen zwischen dem Händler und seinem Lieferanten stehen für den Verkäufer im Mittelpunkt des Interesses.

Zugegeben: Es verursacht natürlich Aufwand und möglicherweise auch Kosten, wenn das Fachgeschäft prompt reagiert, die defekte Armatur demontiert und übergangsweise durch eine andere ersetzt. Doch auf Dauer kommt es ein Unternehmen viel teurer zu stehen, wenn das Problem eines Kunden nicht sofort gelöst wird. VA-Trainer Benz: "Dafür wird sich der Kunde rächen: Erstens, indem er bei diesem Unternehmen nicht mehr kauft und zweitens, indem er anderen seinen Ärger mitteilt. Der Schaden, der dem Unternehmen durch negative Mundpropaganda entstehen kann, ist weitaus größer als alle Kosten für eine schnelle und prompte Beseitigung des Beschwerdeanlasses."


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