125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 20/1997, Seite 64 f.


REPORT


Junkers-Symposium

Standpunkte für ein grenzenloses Europa

Chancen des Mittelstandes

Europa bietet ein großes Innovations- und Exportpotential - und damit die Internationalisierung. Interessante Märkte und zahlreiche Kooperationsmöglichkeiten bieten neue Chancen - auch gerade für den Mittelstand im Bereich Handel und Handwerk. Ein Thema, das auch im Mittelpunkt des diesjährigen Junkers-Symposiums "Dialog Thermotechnik" in Dresden stand. Wie in den Vorjahren war die Veranstaltung wieder als Dialog-Plattform angelegt. Der Erfahrungsaustausch unter Brancheninsidern war ein Ziel der Veranstaltung. Für das zweite - den Blick über den Tellerrand in ganz andere Disziplinen und Teilbereiche von Politik und Wirtschaft - hatte Junkers fünf Experten aus Wirtschaft und Finanzwesen als Referenten zum Thema "Standpunkte für ein grenzenloses Europa" gewonnen.

Das Junkers mit seinen bislang drei Symposien einen Weg zum Branchen-Dialog gefunden hat, der in der Thermotechnik-Branche gut ankommt, beweist die hohe Teilnehmerzahl: Über 350 Gäste aus Handel, Handwerk und Verbänden folgten am 15. September dieses Jahres der Einladung in das Dresdener Taschenberg-Palais.

Der Tenor in Referaten und Diskussionen: Die europäische Integration wird weiter vorankommen - und die Internationalisierung von Märkten und Dienstleistungen ist nicht nur für Großunternehmen interessant, sondern verändert auch für den Mittelstand die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mehr und mehr.

Trotzdem - oder gerade deswegen - haben viele mittelständische und kleinere Betriebe mit dem Wandel in Europa ihre liebe Not. Ein Grund dafür ist, daß die zahlreichen Veränderungen selbst für Fachleute kaum noch überschaubar sind. Wen wundert es da, daß Handel und Handwerk der Sanitär- und Heizungsbranche der Europäischen Union oft mit Skepsis oder Sorge begegnen. "Die Risiken werden gesehen, die Chancen verkannt - und mitunter auch viele von ihnen vertan", beschreibt Hans Joachim Leydecker, in der Geschäftsleitung von Bosch Thermotechnik für den Vertrieb zuständig, die Situation. Für ihn Grund genug, den Dialog in und mit der Branche zu fördern.

Neue Chancen für den Mittelstand

Auch für den Mittelstand in Handel und Handwerk bietet diese Entwicklung neue Chancen. Nach Ansicht der Experten ist jeder Unternehmer gut beraten, selbst aktiv an der Entwicklung mitzuwirken und sein Unternehmen mit eigenen Visionen nach vorn zu bringen.

Peter M. Schmidhuber: "Ein gelungener kleiner Schritt nach vorn ist besser als ein mißglückter großer Wurf."

Peter M. Schmidhuber, Mitglied des Direktoriums der Deutschen Bundesbank, gab in seinem Eingangsreferat "Vom Nationalstaat zur Europäischen Union" einen Überblick über die bisherigen Etappen auf dem Weg zum Europa ohne Grenzen. Dabei konzentrierte er sich vor allem auf die wesentlichen währungs- und finanzpolitischen Aspekte. Sein Fazit: Das vermeintlich langsame Tempo der Entwicklung auf dem europäischen Parkett sei eine Folge der Tatsache, daß in nahezu allen Fragen der europäischen Integration die schwierige Kunst des politischen Kompromisses die einzige erfolgversprechende Methode ist. Und die brauche nun einmal Geduld und Zeit.

Die Europäische Union als politische Innovation

Optimistisch in die europäische Zukunft blickt auch der Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Dr. Günther Nonnenmacher. Er bezeichnete in seinem Vortrag die Europäische Union als eine "politische Innovation". In früheren Tagen seien derartige Umwälzungen eigentlich immer mit Kriegen verbunden gewesen. Im europäischen Einigungsprozeß gebe es dagegen die Verflechtung der Interessen als friedliche Triebfeder. Das bewahrt Europa laut Nonnenmacher nicht nur vor Kriegen, es bietet zudem eine solide Plattform für ein profitables Engagement der Wirtschaft aller beteiligten Nationen.

Reinhold Würths Zukunfts-Devise: "Die sich bietenden Chancen in Europa frühzeitig nutzen und den Gestaltungsspielraum kreativ ausschöpfen."

Wie ein Mittelständler die Zukunft in Europa gestalten kann, zeigte Reinhold Würth, Beiratsvorsitzender des gleichnamigen Unternehmens aus dem hohenlohischen Künzelsau. Würth bezeichnete sich selbst als "fanatischen Europaverfechter". Den Erfolg der konsequenten Internationalisierungs- und Wachstumsstrategie seines eigenen Unternehmens führte er als Beweis an, daß der Weg zum Erfolg auch für Mittelständler über das internationale Parkett führt. Mut zu frühen Entscheidungen, Visionen für das eigene Unternehmen, eine dezentrale Organisationsstruktur und Flexibilität kennzeichnen nach Ansicht des weltweit aktiven Wirtschaftskapitäns einen erfolgreichen Unternehmer von morgen. Es gelte, die sich bietenden Chancen frühzeitig zu nutzen und den Gestaltungsspielraum kreativ auszuschöpfen.

Marken als Bindeglied zwischen den Märkten

Orientierung tut gerade im Wandel not. Ob Autolacke, Papiertaschentücher oder thermotechnische Erzeugnisse - starke Marken sind nach den Worten von Werner Ranft, Marketing-Verantwortlicher bei der Hoechst-Tochter Herberts GmbH, das entscheidende Bindeglied zwischen globalen Unternehmen und lokalen Märkten.

Dr. Carl Heiner Schmid: "Im Kopf bin ich Diplom-Kaufmann, im Herzen Malermeister."

"Der mittelständische Dienstleister ohne Grenzen" - mit diesem abschließenden Referat zeigte Dr. Carl-Heiner Schmid, wie für ein Handwerksunternehmen ein europaweites Engagement in der Praxis aussehen kann. Der Chef der Firmengruppe Heinrich Schmid hat aus dem väterlichen Betrieb Europas größtes Maler-Unternehmen mit über 5000 Mitarbeitern, 160 Niederlassungen und einem Jahresumsatz von 700 Millionen Mark gemacht. Schmid, der über sich sagt, er sei "im Kopf Diplom-Kaufmann und im Herzen Malermeister", hat erkannt, daß die funktionale Organisationsstruktur und Arbeitsteilung einem Handwerksunternehmen die größten Schwierigkeiten machte. Deshalb hat er seinem eigenen Unternehmen eine dezentrale Organisation verordnet. Bei Schmid gibt es bis auf Arbeitsgruppenebene viele Unternehmen im Unternehmen, die für ihren eigenen Erfolg zuständig und verantwortlich sind. Dieser Ansatz funktioniert laut Schmid auch in anderen europäischen Ländern.

Die Teilnehmer sorgten für einen offenen Dialog und Gedankenaustausch.

Den Dialog eröffnet

Im Zentrum der abschließenden Diskussionsrunde des Symposiums standen Fragen zum Euro. Doch auch hier gilt: Optimismus ist Pflicht, oder wie Reinhold Würth es formulierte: "Wer gewinnen will, der muß die Flucht nach vorn antreten und Dynamik entwickeln." Die Entwicklung hin zum vereinten Europa ohne Grenzen ist nicht mehr aufzuhalten. "Wir wollen uns mit unseren Marktpartnern rechtzeitig und richtig darauf einstellen, damit wir gemeinsam zu den Gewinnern im Europa der Zukunft zählen", zog Hans Joachim Leydecker aus Junkers-Sicht das Fazit der Veranstaltung. 


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