125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 20/1997, Seite 35 ff.


HEIZUNGSTECHNIK


Versorgungs-Contracting

Nahwärmekonzept für Einfamilienhäuser ermöglicht umfassende Umweltentlastung

Ing. Eige Clasen*

Für einen geplanten Landhauspark wurde die Konzeption, das Brauchwasser über Strom sowie das Heizungswasser über Erdgas dezentral zu erwärmen, zugunsten einer Versorgung der 65 Wohneinheiten über eine Heizzentrale, in der Erdgas zum Einsatz kommen sollte, geändert. Das ist insofern von Bedeutung, als bedingt durch diese Maßnahme ausschließlich Primärenergie in Wärme umgewandelt wird, wodurch neben Schadstoffen wie NO2, SO2 usw. auch die CO2-Emissionen reduziert werden.

Das Projekt

Es sollten 65 Häuser (Bild 1) über jeweils im Keller aufzustellende Gas-Spezialheizkessel mit Wärme versorgt werden. Für die Warmwasserbereitung waren im Ausschreibungstext der Bauträgergesellschaft elektrische Durchflußerhitzer vorgesehen.

Bild 1: Einfamilienhäuser im Landhauspark.

Das Energiedienstleistungsunternehmen (EDU) bot sich an, mit einem für eine Reihenhaussiedlung ungewohnten Wärmelieferungskonzept eine für das gesamte Siedlungsgebiet umweltschonende und energiesparende Technik einzusetzen und zudem den Komfort für den jeweiligen Mieter bzw. Besitzer des Wohnobjektes zu erhöhen, bei Kostenneutralität gegenüber dem vom Bauträger ausgeschriebenen System.

Energieversorgung

Der Energieaufwand für die Warmwasserbereitung gewinnt, bedingt durch zunehmende Dämmaktivitäten im Wohnungsbau, immer mehr an Bedeutung, zumal diese Energie ganzjährig und nicht nur während der Heizzeit benötigt wird. Durch die Erzeugung und Verteilung von Strom bis zum Wärmeverbraucher (Warmwasserbereitung) wird gegenüber der Energieumwandlung über eine Primärenergie ein größerer Anteil an Schadstoffen freigesetzt, so daß sich, wären die Anschaffungskosten für den jeweiligen Investor nicht so attraktiv, eine elektrische Warmwasserbereitung nicht mehr zeitgemäß darstellen ließe. Bedingt durch den elektrischen Anschlußwert des Durchflußerhitzers sind dem Dusch- und Badekomfort zudem physikalische Grenzen gesetzt. Auch dürften für den Nutzer dieser Anlagen die Energiekosten, die erheblich über den Kosten einer Erwärmung des Brauchwassers über Erdgas liegen, eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Für die Raumheizung wurden mit Erdgas befeuerte Niedertemperatur-Wärmeerzeuger angeboten.

Bild 2: Ansicht der Heizzentrale.

Um jedoch gegenüber diesen modernen Gasgeräten weitere 10 bis 15% Energie einsparen und somit weitere Schadstoffe durch die Nutzung der Brennwerttechnik (Rückgewinn der sensiblen und latenten Wärme aus dem Abgas) reduzieren zu können, hätten die Bauträgergesellschaft sowie 65 Hauskäufer von dieser sinnvollen Mehrinvestition überzeugt werden müssen.

Das Konzept

Als vernünftige Alternative sollte sich das Nahwärmekonzept erweisen. Über ein optimal isoliertes und dem tatsächlichen stündlichen Wärmebedarf angepaßtes, im Erdreich verlegtes Leitungssystem wird jedes Haus von der Zentrale (modifizierte Garage) mit Heizwasser versorgt (Bild 2 und 3). In einer kleinen Übergabestation im Keller übernehmen Wärmemengenzähler die Erfassung des Energieverbrauchs. Auch die Aufheizung der dezentral (in jedem Haus) aufgestellten Warmwasserspeicher erfolgt über die zentrale Kesselanlage.

Bild 3: Innenansicht der Heizzentrale (Niedertemperaturkessel, Brennwertkessel, modulierende Gasbrenner mit Gebläse).

Funktionen der Anlage

Heizung

Neben dem beim Abkühlen der Abgase genutzten sensiblen Wärmeanteil wird bei Unterschreitung der Temperatur des Rücklaufwassers unter den Taupunkt des Abgases auch die latente Wärme zurückgewonnen. Voraussetzung ist, daß die Abgastaupunkttemperatur, welche je nach Luftzahl bei der Verbrennung des Erdgases zwischen 47°C und 60°C liegt, (bei Luftzahlen von l = 1 - 2,2) durch das Heizungsrücklaufwasser unterschritten wird. Die Kondensationswärme beträgt etwa 11% des Heizwertes.

Bild 4: Kondensationswärmenutzung bei dem Heizsystem mit einer max. Vorlauftemperatur (gleitend) von 70°C und einer max. Rücklauftemperatur von 50°C.

Da, bezogen auf eine angenehme Wärmeabgabe niedrige Heizflächentemperaturen in den Wohnhäusern vorgesehen waren, konnte diesem für die Nutzung des Brennwertes erforderlichen Punkt ohne Mehrkosten Rechnung getragen werden. Obwohl die installierten Heizflächen aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus bei der niedrigsten Außentemperatur mit einer maximalen Rücklauftemperatur von 50°C (70/50) betrieben werden, ist die Nutzung des Brennwertes zu rd. 90% der Jahresheizarbeit möglich (Bild 4).

Bild 5: Zentrale Pumpenanlage.

Die Wassertemperatur des Brennwertkessels und somit auch der Heizkreise wird über eine witterungsgeführte Regelung den Erfordernissen angepaßt. Durch diese im Mittel des Jahres geringen Wassertemperaturen verringern sich auch die Verteilungsverluste im Rohrnetz. Wegen einer optimalen Brennwertnutzung sowie aus Kostengründen konnte somit auf Mischeinrichtungen zu Regelungszwecken auch in den jeweiligen Häusern verzichtet werden. Über eine strömungsabhängige Regelung der Heizungsumwälzpumpe wird der Heizwasserstrom im Verteilungssystem dem momentanen Wärmebedarf angepaßt, wodurch Pumpenenergie (Stromkosten), Wärmeverteilungsverluste und Fließgeräusche reduziert werden (Bilder 5 und 6). Neben dem enormen Einspareffekt entfällt bei diesem System das aufwendige Festlegen eines Referenzpunktes, wie es bei differenzdruckgeregelten Umwälzpumpen erforderlich wäre (Bild 7).

Bild 6: Mikroprozessorgesteuerte, strömungsabhängige Pumpenregelung.

In den Hausstationen sorgen Differenzdruckregler für einen konstanten Betriebsdruck in der Heizungsanlage, was besonders in den nahe der Heizzentrale gelegenen Häusern u.a. wegen eventueller Geräuschbildung von Bedeutung ist (Bild 8). Geregelt wird die Raumtemperatur über einen mit einer Zeitschaltuhr versehenen Raumthermostat, welcher bei Bedarf über ein Stellglied den Fluß des Heizwassers unterbindet. Fremdwärmeeinflüsse kompensieren an jedem Heizkörper angebrachte Thermostatventile. Damit im Heizungswasser befindliche Schwebeteilchen die Funktion von Wärmezählern und Druckreglern nicht beeinträchtigen, wurden Schmutzfänger installiert.

Wegen der Vielzahl der Betreiber und der somit unterschiedlichen Wärmenutzung ist ein Abschalten der Kesselanlage während der Nacht nicht möglich. Statt dessen wird die Heizwassertemperatur von 23.00 Uhr bis 4.00 Uhr abgesenkt.

Die Warmwasserbereitung

Die handelsüblichen Warmwasserspeicher werden über eine Vorlauftemperatur von 80°C aufgeheizt. Damit das Nahwärmesystem so wenig wie möglich ohne Brennwertnutzung betrieben werden kann, wurden Speicher eingesetzt, deren Fassungsvermögen dem Tagesbedarf an Brauchwasser entsprechen. Es standen 300- bzw. 400-l-Speicher zur Wahl, welche in 1 bis 2 Stunden auf eine Speichertemperatur von 60°C aufgeheizt werden. Die Aufheizung erfolgt wegen der höheren Verfügbarkeit von warmem Wasser von 4.00 bis 5.00 Uhr und von 14.00 Uhr bis 15.00 Uhr.

Bild 7: Betriebspunkte und Einsparung an elektrischer Energie bei Einsatz von differenzdruck- und strömungsabhängiger Regelung.

Regelung der Warmwasserbereitung

In der Heizzentrale sind ein Brennwert- und ein NT-Heizkessel mit einer Nennwärmeleistung von je 430 kW installiert. Nur zur Aufheizung der in jedem Haus aufgestellten Warmwasserspeicher wird über beide Kessel Wärme erzeugt, wobei die Schaltung der in den jeweiligen Hausstationen befindlichen Stellventile zentral erfolgt. Während der Speicherladezeiten wird das Ventil zur Unterbindung des Wärmestromes zu den Heizkörpern geschlossen und das Ventil zu den Speichern nach Bedarf über einen Speicherthermostaten geöffnet.

Bild 8: Übergabestation in den Kellern der Häuser (Schmutzfänger, Differenzdruckregler, Stellventile, Wärmezähler).

Außerhalb der Ladezeiten ist ein Öffnen des zuständigen Stellventils nicht möglich. Die nach Beendigung der Speicheraufheizung zur Verfügung stehende erhöhte Vorlauftemperatur im Nahwärmenetz steht jetzt kurzzeitig zur schnelleren Aufheizung des Heizsystems zur Verfügung.

Investitionen

Das Energiedienstleistungsunternehmen war für die Einrichtung der Heizzentrale einschließlich des Wärmeverteilungsnetzes und der Wärmezähler zuständig. Der Bauträger hatte für die Erstellung der Heizungsanlagen einschließlich der Warmwasserspeicher, der hausinternen Regelungen und der Umschaltarmaturen zu sorgen. Gegenzurechnen (Vergleich dezentrale Wärmeerzeugung) waren auf der Bauträgerseite der Fortfall der Heizkessel mit den witterungsgeführten Regelungen, die Gasanschlußkosten, die Heizungsumwälzpumpen, die Kaminanlagen und die elektrischen Durchflußerhitzer sowie Untertischspeicher einschließlich der Rohr- bzw. Kabelverbindungen, weiterhin die erhöhten elektrischen Anschlußkosten für die Durchflußerhitzer (21 kW).

Die Aufwendungen für den Bauträger fielen bei dem Nahwärmekonzept niedriger aus als bei den geplanten Heizsystemen, so daß die vorgeschlagene Wärmeversorgung verwirklicht werden konnte. Der investive Aufwand des EDU wurde zum Teil durch einen Anschlußkostenbeitrag sowie durch den Wärmegrundpreis abgegolten.

Gesamtjahreskosten

Bedingt durch den sehr hohen Jahresnutzungsgrad (Brennwertnutzung) der Heizkessel, die über Erdgas indirekt durchgeführte Warmwasserbereitung und dadurch, daß der Wärmepreis zu günstigen Konditionen erfolgen kann, liegen die Gesamtjahreskosten der Heizungs- und Warmwasserbereitung, welche aus den kapitalgebundenen, den betriebsgebundenen und den verbrauchsgebundenen Kosten resultieren, für den Verbraucher niedriger als bei den zuerst geplanten dezentralen Kesselanlagen einschließlich der elektrischen Warmwasserbereitung.

Bei der Durchführung einer derartigen Wärmelieferung sind eine dichte Wohnbebauung, kurze Rohrleitungsstrecken sowie sinnvolle und maßvolle Investitionen von besonderer Wichtigkeit, damit sich dieses System für den Investor, den Verbraucher und auch für die Umwelt rechnet.

Kapital- und Betriebskosten

Dem Investor (Bauträger, Käufer) entstehen durch den Fortfall der Kesselanlage und der hiermit verbundenen Investition primär keine kapitalgebundenen Kosten (Kapitaldienst, Instandhaltung) sowie keine Wartungs-, Schornsteinfegergebühren und heizungsbedingten Stromkosten. Die Kosten der Nahwärmeversorgung finden sich im Anschlußkostenbeitrag, dem Grundpreis und dem Arbeitspreis wieder (Grundlage der Kostenermittlung VDI 2067, Blatt 1 und 2).

Ergebnis

In der Summe der Vorteile ergibt sich bei dem vorgestellten Projekt ein klarer Vorsprung für das aufgezeigte Nahwärmekonzept im Vergleich zur dezentralen Wärmeversorgung, bei der die Warmwasserbereitung elektrisch erfolgt wäre, zumal ein klarer Komfortgewinn zu verzeichnen ist und diese Lösung durch den rationellen Umgang mit Energie zur Verminderung von Schadstoffemissionen und somit zur Schonung der Umwelt beiträgt.


*) Ing. Eige Clasen, Beratender Ingenieur, Ruhrgas AG, Essen


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