125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 19/1997, Seite 92 f.


REPORT


Zukünftige Meisterausbildung

Meinungsaustausch an der Fachschule in Karlsruhe

Am 23. Juni 1997 war im Rahmen der inneren Schulreform "Fachschule 2000" an der Heinrich-Meidinger-Schule in Karlsruhe das Thema "Die Meisterausbildung in der Zukunft" Gegenstand eines ausführlichen Meinungsaustausches. Ziel dieser Veranstaltung war es, die Lehrer über die aktuelle Situation der Zusammenlegung der Berufe zu informieren und die damit einhergehenden Veränderungen sowohl aus inhaltlicher als auch aus methodischer Sicht zu beleuchten.

Referenten waren der Geschäftsführer im Zentralverband SHK, Dipl.-Ing. Josef Kulla, aus St. Augustin sowie der Kreishandwerksmeister und Obermeister der Innung für Sanitär- und Heizungstechnik Karlsruhe, Joachim Wohlfeil.

Entwicklung

Kulla erläuterte zunächst, warum die Mitgliederversammlung des Zentralverbandes die Zusammenlegung der Berufe beschlossen habe und wie es unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung dazu gekommen sei: Als Folgeauftrag zu der am 1. Januar 1994 in Kraft getretenen Novellierung der Handwerksordnung habe der Bundestag bereits 1993 den Auftrag zur Überarbeitung der Anlage A der Handwerksordnung erteilt. Ziel dieser Überarbeitung, die unter Federführung des Bundeswirtschaftsministeriums durch eine Arbeitsgruppe von Parlamentariern der Regierungskoalition durchgeführt werde, sei es, die zur Zeit 126 Handwerksberufe daraufhin zu überprüfen, ob Inhalt und Umfang ihrer Berufsbilder mit den Anforderungen des Marktes übereinstimmten. Dabei sei auch beabsichtigt, die große Zahl von 126 unterschiedlichen Handwerken mit zum Teil äußerst kleinen Betriebszahlen deutlich zu verringern. Dies solle durch Zusammenlegung von Handwerken, Streichungen oder durch Überführung in die Anlage B HwO erfolgen, in der die handwerksähnlichen Berufe, die ohne Meisterprüfungsordnung ausgeübt werden können, verzeichnet sind.

Plenum mit den Vortragenden.

Ein Indiz für eine notwendige Erweiterung der Berufsbilder von Handwerkern sei die Anzahl der Handwerksrolleneintragungen mit anderen Handwerken über eine Ausübungsberechtigung nach § 7a HwO. Diese 1994 neu geschaffene Rechtsvorschrift ermögliche es dem bereits selbständigen Handwerker, eine Handwerksrolleneintragung in einem anderen Handwerk oder einem Teilgebiet davon zu erlangen, soweit er die dazu notwendige Berufserfahrung nachweise. Die Anzahl dieser Eintragungen zwischen Gas- und Wasserinstallateuren und Zentralheizungs- und Lüftungsbauern habe in kurzer Zeit die Spitzenstellung unter allen Handwerken erreicht, was darauf hinweise, daß eine wirtschaftliche Notwendigkeit bestehe, gerade diese beiden Handwerke in einem Unternehmen nebeneinander auszuüben. Das Wirtschaftsministerium habe aufgrund dieser Erkenntnisse bereits 1993 vorgeschlagen, die beiden Handwerke für verwandt im Sinne der Handwerksordnung zu erklären. Dies sei jedoch vom ZVSHK aus fachlichen Gründen abgelehnt worden, weil dadurch der Befähigungsgrundsatz als Basis der Handwerksordnung durchbrochen würde. Vor diesem Hintergrund habe der ZVSHK für eine Zusammenlegung der Berufe plädiert, um mit Hilfe einer neuen Meisterprüfung einer Minderung des Leistungsstandards entgegenzuwirken.

Standpunkt

Die Meisterprüfung in der neuen Form werde durch die Zusammenlegung wesentliche Änderungen erfahren. Sie werde wahrscheinlich in den Schwerpunkten Sanitär, Heizung, Klima/Lüftung abgelegt werden. Dabei seien in der Fachtheorie die Grundlagen aller drei Fachrichtungen nachzuweisen. In der Meisterprüfungsarbeit solle eine Differenzierung nach den Fachrichtungen erfolgen, wobei die Arbeit selbst eine komplette Projektplanung aus dem jeweiligen Bereich sein solle, da dies auch den späteren Aufgaben eines Meisters entspreche. Die Bedeutung der Prüfung von Handfertigkeiten solle dagegen auf das für die Lehrlingsausbildung notwendige Maß beschränkt werden. Diese neue Gewichtung werde sich auch in den Zeitanteilen für Meisterprüfungsarbeit und Arbeitsproben äußern. Das bedeute zugleich, daß die Meisterausbildung auch für den Teil I mehr Theorie und weniger praktische Anteile enthalten müsse.

Praxissicht

In seinem Referat zum Thema "Aufgaben der Meister in den Betrieben" wies Innungsobermeister Joachim Wohlfeil auf die Notwendigkeit einer Meisterausbildung hin, deren Zielsetzung neben einer fundierten fachlichen Ausbildung auch und vor allem darin liegen müsse, den künftigen Meister so zu qualifizieren, daß er über solide Führungskompetenz in den Bereichen Betriebswirtschaft und Personalführung verfüge.

Wohlfeil betonte, daß mehr denn je eine möglichst breit angelegte fachliche Qualifikation anzustreben sei. Allerdings sei dem derzeit in Fachkreisen laut gewordenen Ruf nach dem Motto "Alles aus einer Hand!" nicht uneingeschränkt Folge zu leisten, denn diese Zielsetzung erfahre ihre Grenzen, wenn es um die Wahrung der Seriosität eines Betriebes gehe. Im Sinne der unternehmerischen Verantwortung könne das Spektrum des Leistungsangebotes nur unter Berücksichtigung der fachlichen Qualifikation des zur Verfügung stehenden Personals erweitert werden, wenn man dem Qualitätsgrundsatz weiterhin treu bleiben wolle.

Schulung in den Unternehmen

Wichtig sei heutzutage auch die Vermittlung umfassender Informationen über alle Bereiche der Materialentsorgung und die Zusammenarbeit mit Organisationen, mit denen die Sanitär- und Heizungsbranche verbunden ist (Stadtwerke, Regionalversorger, Schornsteinfegerinnung usw.).

Neben der Förderung der Persönlichkeitsbildung im Rahmen der Meisterausbildung betonte Wohlfeil die Wichtigkeit und Notwendigkeit, Grundkenntnisse im Bereich der Mitarbeiterführung zu erwerben sowie die Kommunikationskompetenz zu erweitern.

Die Vortragenden und die Moderatoren, von links nach rechts: Joachim Wohlfeil, Dipl.-Ing. Josef Kulla, Jörg Wendolsky und Dr. Peter Hildinger.

So könne beispielsweise intensive Mitarbeiterinformation nicht nur zu einem positiven Verhältnis zwischen Chef und Mitarbeiter, sondern auch zu erhöhter Motivation und Selbstverantwortung führen.

Mitarbeiter immer wieder in betriebliche Entscheidungsprozesse miteinzubeziehen, sich zu "Team-Treffs" einzufinden, durch die kreatives Potential freigesetzt werde und Kenntnisse der Mitarbeiter dem Unternehmen zufließen können, seien Möglichkeiten, eine positive Identifikation des Mitarbeiters mit dem Betrieb zu bewirken. Dies wiederum stärke das Firmenimage nach innen und außen und bedeute so gleichzeitig ein Marktsicherheitsfaktor für den Mitarbeiter.

Daß der zukünftige Meister in einer Zeit, in der unternehmerische Ziele wie Kundenorientierung, Kundenzufriedenheit, Serviceleistungen die Wettbewerbssituation entscheidend prägten, auch an der Erweiterung seiner sprachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten interessiert sein müsse, versteht sich für Wohlfeil von selbst.

Wo Kundenberatung und Werbung - ob mündlich oder über die Printmedien - im Mittelpunkt stünden, da sollte der Meister rhetorisch geschult sein. Schließlich müsse er in der Lage sein, Angebotstexte, Werbetexte, Kundenbriefe und Stellenanzeigen korrekt und werbewirksam zu konzipieren.

Als Fazit, so der Referent, sei festzuhalten, daß das Prinzip des "lebenslangen Lernens", einer kontinuierlichen und selbstverantworteten Weiterbildung des Mitarbeiters in allen beruflich und unternehmerisch relevanten Bereichen lebenswichtig sei für den Erfolg eines Unternehmens.

Schulungsgrundlagen

Der Direktor der Heinrich-Meidinger-Schule, Dr. Wolfgang Paech, informierte ergänzend, daß zur Zeit eine Kommission des Kultusministeriums Baden-Württemberg, an der die Heinrich-Meidinger-Schule wesentlich beteiligt sei, neue Stundentafeln und Lehrpläne erarbeite. Sie stehe in engem Kontakt mit dem Zentralverband und dem Fachverband Baden-Württemberg, um die neuesten Entwicklungen und Trends zu berücksichtigen. Das heißt, die Vorschläge müßten aus der Wirtschaft kommen, deren Vertretung ja der ZVSHK und die Fachverbände seien. Sobald sich neue Tendenzen ergeben, würden sie in die Lehrpläne eingearbeitet. Dr. Paech wies in diesem Zusammenhang auf die an der Heinrich-Meidinger-Schule Karlsruhe und an der Robert-Mayer-Schule Stuttgart bestehende Akademie für handwerkliche Berufe hin, eine zweijährige Fachschule, die in ihrem ersten Jahr zur Meisterprüfung vorbereite und im zweiten Jahr, das mit einer Prüfung zum Technischen Fachwirt abschließe, in starkem Maße Inhalte und Grundlagen des jeweils anderen Schwerpunktes zum Thema habe und damit eine zukunftsorientierte Weiterbildung über den Meister hinaus anbiete.

Die Heinrich-Meidinger-Schule steht dabei in engem Kontakt mit den Wirtschaftsverbänden, dem Zentralverband SHK, St. Augustin, und dem Bundesindustrieverband HKS, Bonn.


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