125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 19/1997, Seite 72 ff.


REPORT


Barcode für die Logistik in der SHK-Branche

Durch Barcode-Systeme die Reserven des dreistufigen Vertriebswegs nutzen

Dirk Peters*

In der jüngsten Vergangenheit tauchen vermehrt Begriffe wie Sanitärlogistik, SHK-Branchenservice, Branchenlogistik und ähnliches auf. So wurden von verschiedenen Logistikdienstleistern, meist Spediteuren mit erweitertem Logistikangebot, Workshops abgehalten, die u.a. die Möglichkeiten einer auf die Sanitärbranche ausgerichteten speziellen Logistik zum Inhalt hatten.

Sanitärlogistik

Kernelement dieser Überlegungen war stets, durch eine Bündelung von Transportmengen Synergieeffekte zu erzielen. Diese Vorteile sollten mit einer Reihe weiterer Serviceleistungen abgerundet werden.

Sofern es gelingt, mit einem solchen Konzept den industrie- und handelsseitigen, teilweise sehr individuellen Anforderungen gerecht zu werden, ist dies grundsätzlich zu begrüßen.

Wir, als eines der führenden Industrieunternehmen der Sanitärbranche, möchten den Ansatz noch erweitern. Eine Sanitärlogistik muß neben dem physischen Transport der Ware zusätzlich die informatorische Komponente berücksichtigen und zusätzlich eine Verbindung zwischen Informations- und Warenfluß garantieren. Was wir damit genau meinen und wie dies in unserer Branche realisierbar ist, möchten wir im folgenden erläutern.

Warum gerade jetzt?

Der Zeitpunkt ist nicht zufällig. Es liegt in der Natur der Sache, daß mit jeder weiteren Vertriebswegstufe zusätzliche Informationen ausgetauscht werden müssen und meist auch die Waren einem zusätzlichen Umschlag unterliegen. Dies kostet Geld.

NVE Barcode-Aufkleber auf einer Liefereinheit.

Da wir weiterhin uneingeschränkt zu unserem dreistufigen Vertriebsweg stehen, möchten wir die darin liegenden Reserven nutzen. Die vorhandenen Spielräume innovativ zu gestalten, erscheint uns allemal geeigneter, als in nimmer endenden Diskussionen den bewährten Vertriebsweg zu Grabe tragen zu wollen.

Die alternativen Vertriebswege schlafen nicht. Industrie, Handel und Handwerk können dem gemeinsam auch an der logistischen Seite noch einiges entgegensetzen.

Der Großhändler Mustermann bestellt bei der Firma Beispiel:

Bestellnummer A001
Pos. 1 Menge 3 Artikel 4711
Pos. 2 Menge 1 Artikel 4712

Bestellnummer A002

Pos. 1 Menge 10 Artikel 4713
Pos. 2 Menge 1 Artikel 4711

Bestellung und Bestellbestätigung können konventionell oder per EDI ausgetauscht werden.

Um den Fall bewußt kompliziert zu machen, was nur die uneingeschränkte Verwendbarkeit des Konzepts unterstreichen soll, liefert die Firma Beispiel diese beiden Bestellungen wie folgt aus:

Packstück mit NVE 5000:
Bestellnr. A001 Pos. 1 Menge 2 Artikel 4711

Packstück mit NVE 5001:
Bestellnr. A001 Pos. 1 Menge 1 Artikel 4711
Bestellnr. A002 Pos. 2 Menge 1 Artikel 4711

Packstück mit NVE 5002
Bestellnr. A002 Pos. 1 Menge 8 Artikel 4713
Bestellnr. A001 Pos. 2 Menge 1 Artikel 4712

Informationsaustausch

Der in unserer Branche erreichte EDIFACT-Standard hat mit Sicherheit viel Geld und Schweiß in Anspruch genommen. Wir sollten trotz aller Probleme durchaus etwas stolz auf unseren EDI-Echtbetrieb in den Bereichen:

- Stammdatenaustausch,
- Bestellung und
- Bestellbestätigung

sein. Ein weiterer wichtiger und in 1997 zu realisierender Schritt wird die Einführung des Rechnungsdatenaustausches per EDI sein. Noch bedeutsamer für die Logistik wird jedoch die Einführung des EDI-Lieferavis sein. Mit diesem elektronischen Dokument wird dem Empfänger der Eingang einer Warensendung frühzeitig angezeigt. Daß das Lieferavis bisher in unserer Branche noch keine Anwendung findet, hat u.E. insbes. folgende Gründe:

- eine eindeutige Packstückkennung ist im bisherigen Lieferavis nicht enthalten,
- damit ergeben sich für die Beteiligten keine greifbaren Vorteile.

Diese wären bei der Einführung der Packstückkennung und der Schaffung einer Verbindung zwischen Packstück und zugehöriger Information erheblich. Zur Verdeutlichung müssen jedoch zuvor noch einige Detailinformationen zum Thema Barcode gegeben werden.

Barcode

Der Barcode ist das entscheidende Bindeglied zwischen Ware(nfluß) und zugehöriger Information. Mittels eines Scanners ist eine einfache, schnelle und sichere Zuordnung möglich. Als standardisierter Barcode ist auch in unserer Branche der sogenannte EAN 13 im Einsatz. Dabei wird jedem Artikel eine eindeutige EAN 13-Nummer zugeordnet und in einem entsprechenden Barcode verschlüsselt. Die Funktionsweise ist uns von den Scannerkassen in vielen Supermärkten bekannt.

Warum der EAN 13 in der Sanitärbranche derzeit kaum eine Bedeutung besitzt, liegt an einer Vielzahl von Gründen, die hier nicht weiter erörtert werden sollen. Für einen Einsatz in der Transportkette ist der EAN 13 schon vom Konzept her ungeeignet. Beim Transport ist das einzelne Packstück die maßgebliche Einheit.

Das mobile Datenerfassungsgerät (MDE) wird insbesondere für Inventur-, Lager und alle Warenbewegungen benutzt. Also immer da, wo man trotz mobiler Arbeitsweise auf die automatische Datenintegration nicht verzichten kann. Die Strichcodierung der Barcodes erfolgt nach dem Codierverfahren "Code 128".

Deshalb ist für logistische Zwecke auch ein anderer Barcode entwickelt worden, nämlich der EAN 128, der über die Nummer der Versandeinheit (NVE) eine eindeutige Packstückkennung ermöglicht. D.h., jedem Packstück kann eine separate, standardisierte Nummer zugeordnet werden, welche mittels den zugehörigen Informationen einfach zugeordnet werden kann. Mithin soll der EAN 128 den eingeführten EAN 13 nicht ersetzen, er dient nur anderen Zwecken.

Umfassende Sanitärlogistik mit Lieferavis und NVE

Zur Vereinfachung der nicht einfachen und recht trockenen Materie soll der Lösungsansatz mit Hilfe eines Beispiels erläutert werden.

Die Packstücke mit NVE 5000 und 5001 könnten z.B. eine Europalette sein, auf die jeweils zwei Artikel 4711 passen. Die Bestellnr. A002, Pos. 1, wird nur teilweise ausgeliefert. In den Packstücken 5001 und 5002 wurden zwei Bestellungen zusammengefaßt. In Packstück 5002 wurden zwei verschiedene Artikel gemeinsam verpackt. Zwei Teile des Artikels 4713 wurden in den Rückstand gesetzt.

Wenn nun die oben je Packstück genannten Informationen beim Abgang vom Versender dem Empfänger per EDI-Lieferavis zugestellt werden, so würde dies folgende Vorteile bringen:

1. Viele Nachfragen von Empfängerseite beim Versender (z.B. der Status einer wichtigen Kundenkommission) würden sich erübrigen, da die Information, u.U. sogar um Ergänzung des erwarteten Ausliefertermins, bereits elektronisch übermittelt ist. Die entsprechenden Stati könnten im Informationssystem des Empfängers dargestellt werden.

2. Sind a) diese Informationen übermittelt und ist b) die Packstückkennung (NVE) als Barcode auf dem Packstück angebracht, so könnte die gesamte Wareneingangsbuchung, inklusive Abtragung der entsprechenden Bestellpositionen im Einkauf, per Scannung dieses Barcodes erfolgen. Die üblichen, zeitraubenden Routinen, wie Lieferscheinabgleich und Verbuchung der entsprechenden Vorgänge im Warenwirtschaftssystem könnten vollständig automatisiert ablaufen. Wenn man einmal genau betrachtet, welcher Aufwand damit in der Praxis betrieben wird, so wird schnell klar, welches Potential hiermit noch erschlossen werden kann.

Dabei ist die Beschleunigung und qualitative Verbesserung des Prozesses noch gar nicht berücksichtigt. Der unter Sanitärlogistik genannte Vorteil könnte noch dadurch gesteigert werden, daß der Spediteur über ein empfängerbezogenes Sendungsverfolgungssystem verfügt. Dann könnten die einzelnen Stati innerhalb der Transportkette noch differenzierter dargestellt werden. Damit nicht je Spediteur ein entsprechendes Beauskunftungssystem auf Kundenseite vorgehalten werden muß, könnte eine Clearingstelle installiert werden, bei der die Versender die Sendungsinformationen zentral zur Verfügung stellen. Die bestehenden Systeme einer Branchenlogistik ließen sich hierin gut integrieren. Das System wäre aber grundsätzlich offen.

Stand der Entwicklung

Es drängt sich natürlich sehr schnell die Frage auf, ob ein solches Konzept überhaupt realisierbar und für unsere Sanitärprodukte praktikabel ist. Dazu läßt sich folgendes feststellen:

1. Ähnliche Lösungen existieren bereits. Dabei sind das Lieferavis und die NVE die zentralen Komponenten. Es wird hier die Besichtigung eines entsprechenden, völlig beleglos geführten Lagers empfohlen. Wenn man die ECR-Diskussion regelmäßig verfolgt, erkennt man, daß bereits sehr viel weitreichendere Logistikkonzepte im praktischen Einsatz sind.

2. EDI-Lieferavis und NVE sind weltweit gültige Standards. Diese eignen sich für alle Stückgüter, da sie auf das einzelne Packstück abzielen. Dabei spielt die Heterogenität der Produkte und Verpackungen keine Rolle.

Dies soll nicht bedeuten, daß ein solches Projekt, ähnlich wie unsere anderen EDIFACT-Projekte, nicht sehr großer Mühen bedarf. So müßten sowohl auf Versender- als auch auf Empfängerseite das EDI-Lieferavis eingeführt und die Schnittstellen zu den Inhousesystemen entsprechend erstellt werden. Auch die meisten Warenwirtschaftssysteme auf Empfänger- und Versenderseite sind sicherlich nicht ohne entsprechende Anpassungen in der Lage, die Informationen derart zu verarbeiten.

Praxisbeispiel

Bei Hoesch wird seit Anfang 1995 im Bereich der Wannen-, Whirlwannen-, Whirlpool- und Dampfbadproduktion bereits jedes Packstück mit einer entsprechenden Kennung versehen und beim Verlassen des Werkes abgescannt. Innerhalb des Produktionsprozesses beginnt die Erfassung der Teile bereits, so daß die Auskunftsfähigkeit bezüglich des Status eines Auftrages gegenüber dem Kunden deutlich erhöht werden konnte. Da der Spediteur alle seine Umladungen der Packstücke ebenfalls scannt, konnte die Falschverladungsquote deutlich gesenkt werden. Differenzen oder dennoch vorkommende Fehlleitungen können aufgrund der Packstückkennung sehr viel schneller und zuverlässiger geklärt werden. Dies sind Vorteile, die sich sowohl für Hoesch als auch für seine Kunden bezahlt machen, denn die Qualität endet nicht beim Produkt, sie umfaßt die gesamte Leistung.

Daß man sich seiner Sache und der damit verbundenen Vorteile bezüglich Wirtschaftlichkeit und Kundenorientierung absolut sicher ist, erkennt man daran, daß das Konzept noch in 1997 auf die Duschabtrennungen übertragen wird.

Nach der Verabschiedung des neuen Releases EDITEC-Lieferavis wird das Unternehmen die Daten seinen Kunden in der dargestellten Form zur Verfügung stellen können. Die Etikettierung der Produkte mit dem EAN 128-Barcode und der NVE erfolgt bereits (ebenso EAN 13).

In Industrie, Großhandel und Einzelhandel findet die Barcode-Technologie zunehmend Anwendung. Eingebunden in das EDV-System werden dadurch z.B. viele Arbeitsschritte im Rechnungswesen von SHK-Betrieben vereinfacht und beschleunigt.

Die hier primär dargestellte informatorische Komponente, die unabdingbare Voraussetzung für ein modernes Logistiksystem ist, stellt aber nur einen Teil der Logistikaktivitäten dar. Ebenso konnte durch ein neu eingeführtes System der Produktionsplanung, welches vollständig in die Auftragsabwicklung und Distribution integriert ist, die Liefertreue (definiert als Anteil der zum versprochenen Liefertermin versendeten Ware) im gesamten Jahr 1996 nachprüfbar über 99% (!) gehalten werden. Die darin liegenden Rationalisierungspotentiale sind kaum quantifizierbar. Wichtiger noch ist es, daß dies ein weiteres wichtiges Element der Kundenorientierung darstellt, denn so werden auf beiden Seiten wichtige Ressourcen für andere Aktivitäten geschont.

Ebenso arbeitet man weiter an einer Verfeinerung des Distributionssystems, in welchem die in ausführlichen Kundenbefragungen analysierten Logistikanforderungen noch besser abgedeckt werden. So sind in den Testgebieten bereits folgende Verbesserungen erkennbar, die in 1997 bundesweit greifen werden:

- Reduzierung der Umschlagshäufigkeit der Ware auf dem Transportweg und damit Absenkung von Transportschäden,
- Beschleunigung der Zustellzeiten,
- Reduzierung von Fehlverladungen,
- Erhöhung der Auskunftsfähigkeit über Sendungsstati und
- beschleunigte und vereinfachte Retourenabwicklung.

Auch in diesem verbesserten Distributionssystem besitzt die NVE, die sich in der Logistik mittlerweile weltweit durchgesetzt hat, eine zentrale Bedeutung.

Hoesch arbeitet auch an dieser Stelle für die Stärkung des Vertriebsweges. In vielen geführten Gesprächen ist großes Interesse bekundet worden. Dabei muß allen Marktpartnern klar sein, daß moderne Logistiksysteme nur von allen Vertriebsstufen gemeinsam, nämlich entlang der Prozeßkette, gestaltet werden können. Hoesch ist auch hier ein innovationsstarker Partner und freut sich auf die weitere Intensivierung der Zusammenarbeit auch auf diesem Sektor.

Vorteile für das Handwerk

Die hier beschriebenen Logistiksysteme konzentrieren sich primär auf die Beziehungen zwischen Industrie und Fachgroßhandel. Man kann sich also die Frage stellen, welche Vorteile speziell das Fachhandwerk von solchen Entwicklungen hat.

Ein reibungsloser Ablauf zwischen den vorgelagerten Vertriebsstufen reduziert die gerade für den Handwerker problematischen Fälle von Terminverschiebungen.

Eine Reduzierung der Transportschäden vermeidet die oft unangenehmen Überraschungen, wenn erst auf der Baustelle die Verpackung geöffnet wird.

Jede Verbesserung der bestehenden Abläufe stärkt den Vertriebsweg.

Durch eine Lieferavisierung und eine bessere Verfolgung der Sendungsstati ist auch der Fachgroßhandel schneller und besser auskunftsfähig. Die Feindisposition der Termine wird erleichtert.

Eine Ausweitung des hier vorgestellten Systems auf die Beziehung zwischen Fachgroßhandel und Fachhandwerk ist zwar theoretisch denkbar, die Vorteile müßten sich aber zunächst auf der vorgelagerten Ebene bewähren.

Wichtigste Erkenntnis muß aber sein, daß wir diese logistischen Prozesse nur gemeinsam, durch Industrie, Handel und Handwerk verbessern können. Die Qualität einer Leistung wird sich in Zukunft immer stärker auch an Fragen der Terminzuverlässigkeit oder allgemeiner gesagt, der logistischen Leistungsfähigkeit orientieren. Es ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt von besonderer Bedeutung, auf den richtigen Partner zu setzen.


* Dirk Peters: Leiter Controlling und Mitglied der Geschäftsleitung, Hoesch Metall + Kunststoffwerk GmbH & Co.


B i l d e r :   Hoesch Metall + Kunststoffwerk, Düren
Programm + Datenservice, Rotenburg (W.)
Sykaplan Computer, Würzburg


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