125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 19/1997, Seite 60 ff.


ELEKTROTECHNIK


Grundlagen der Elektronik

Physikalische Grundlagen der Elektronik II

Ing. Günter E. Wegner Teil 4

Wie angekündigt, geht es in der heutigen Folge noch etwas tiefer mit den physikalischen Grundlagen der Elektronik. Unter anderem wird erste Bekanntschaft mit dem Transistor geschlossen.

Eigenleitung der Halbleiter

In der letzen Folge wurde von der kristallförmigen Struktur des Halbleitermaterials gesprochen und gesagt, daß die Elektronen auf den äußeren Schalen der Atome, die sog. Valenzelektronen, fest im Kristallgitter eingebunden sind. Es wurde von der Elektronenpaarbildung gesprochen, womit gemeint ist, das sich je ein Elektron zweier benachbarter Atome vereinigen. Diese Elektronen sind damit nicht frei beweglich und können zum Leitungsmechanismus nichts beitragen. Das gilt, streng genommen, nur für reine Kristalle und bei Temperaturen um den absoluten Nullpunkt, d.h. bei 0 K bzw. -273°C. Mit anderen Worten, der ideale Halbleiter ist bei tiefen Temperaturen ein idealer Nichtleiter, ein Isolator.

Bild 1: Diese Skizze verdeutlicht die Bewegung der Ladungsträger im Halbleiterkristall. (Loewe)

Das Bild ändert sich jedoch, wenn man dem Gefüge Energie zuführt, durch Erwärmung etwa. Das Kristallgitter gerät dann ins schwingen und es kommt zur Trennung einzelner Elektronenpaare. Je höher die zugeführte Energie, um so mehr Elektronen gelingt es, sich aus dem Verband herauszulösen und frei im Kristall herumzuwandern. Also: Je höher die Temperatur, um so kräftiger schwingen die Atome und um so mehr freie Ladungsträger gibt es. Mit zunehmender Temperatur steigt damit die Leitfähigkeit des Halbleiters, oder anders, sein Widerstand wird kleiner. Die so gewonnene elektrische Leitfähigkeit des reinen Halbleiterkristalls wird als "Eigenleitung" bezeichnet und es ist erkennbar, daß diese Leitfähigkeit oder Eigenleitung in weiten Grenzen von der Temperatur abhängt, eine Tatsache, die für Halbleiterbauelemente nicht unbedingt von Vorteil ist.

Bild 2: Durch "Dotieren" kann man die Leitfähigkeit der Halbleiter verändern. Links wurde ein höherwertiges Atom eingefügt - das fünfte Atom findet keinen Partner und bleibt frei. Im rechten Bildteil dagegen fehlt ein Atom, es entsteht ein Loch, ein positiver Ladungsträger.

Noch einmal zurück zum Leistungsmechanismus. Bei einem "normalen" elektrischen Leiter bewirkt das Anlegen einer elektrischen Spannung Bewegung der Elektronen in Richtung des positiven Pols der Spannungsquelle. Das ist beim Halbleiter nicht anders. Das Besondere am Halbleiter-Leitungsmechanismus ist aber, daß neben den freien Elektronen auch die Löcher, d.h. die positiven Ladungsträger, zur Leitfähigkeit beitragen. Man kann sich das so vorstellen: überall dort, wo ein Elektron seinen Atomverband verlassen hat, entsteht eine Elektronenleerstelle, ein "Loch", wie schon in der letzten Folge beschrieben. Das betroffene Atom ist bestrebt, das Loch zu stopfen, es versucht, mit irgendeinem Elektron zu rekombinieren. Woher dieses Elektron stammt, ist dem Atom egal, aber, woher das Elektron auch kommt, es reißt seinerseits ein neues Loch auf.

Bild 3: Entstehung einer pn-Grenzschicht mit Sperrzone bei Zusammenfügen zweier verschieden leitender Halbleiter. Die "Ausschnittsvergrößerung" läßt die Bildung der Sperrschicht ohne bewegliche Ladungsträger erkennen.

Passiert dies kontinuierlich, wechselt das Loch ständig seine Position, es wandert. Unter den Einfluß einer äußeren Spannung werden sich wie vorhin die (negativen) Elektronen in Richtung Pluspol bewegen, während die (positiven) Löcher dem Minuspol der Spannungsquelle zustreben. Hier werden die Löcher wieder mit Elektronen aufgefüllt, was bedeutet, der Löcherstrom setzt sich im Anschlußdraht als Elektronenstrom fort. Verständlich ist nach dem Gesagten, daß auch der Löcherstrom mit von der Temperatur abhängig ist und auch, daß freie Elektronen und Löcher im Halbleitermaterial nur gemeinsam auftreten können.

Bild 4: Durch Anlegen einer äußeren Spannung läßt sich die Sperrschicht vergrößern oder zum verschwinden bringen - der Halbleiter erhält den Charakter eines elektrischen Ventils.

Die Leitfähigkeit wird verbessert

Für die technische Anwendung ist die Leitfähigkeit des reinen Halbleitermaterials viel zu gering. Um die Leitfähigkeit zu erhöhen, mußte man die Anzahl der Ladungsträger im Kristall vergrößern. Das geht durch Einfügen von Fremdatomen, also Atomen eines anderen Stoffes. Der Halbleiterkristall wird also bewußt "Verunreinigt" oder "Dotiert", wie der Fachausdruck dafür lautet. Zum Dotieren werden Stoffe benutzt, deren Atome auf der äußeren Elektronenbahn entweder ein Elektron mehr oder Elektron weniger haben als die Atome des Halbleitermaterials. Je nachdem, ob man die Anzahl der positiven Ladungsträger, der Löcher, oder die der Elektronen erhöhen will, setzt man dem Kristall winzige Mengen höher- oder niederwertiger Atome zu, Bild 2 soll das verdeutlichen. Dotiert man einen (vierwertigen) Halbleiterwerkstoff mit einem dreiwertigen Atom - d.h. ein solches mit drei Elektronen auf der äußeren Schale - so fehlt bei jedem eingebrachten Fremdatom ein Elektron für die Bindung an die vier Nachbaratome. Mit jedem dreiwertigen Fremdatom entsteht ein zusätzliches Loch. Natürlich ist das Fremdatom bestrebt, durch Einfangen eines Elektrons die übliche Bindung herzustellen. Das gelingt aber nur mit freien Elektronen oder mit Elektronen vom Nachbaratom, aber wie auch immer - es entsteht ein neues Loch.

Bild 5: Hier ist die Ventilwirkung des Halbleiters noch einmal vertieft - je nach Polung der Spannung ist der Kristall stromdurchlässig oder nicht.

Ein solchermaßen dotiertes oder verunreinigtes Halbleitermaterial hat also einen Überschuß an Löchern, an positiven Ladungsträgern. Man nennt es daher "p-leitendes Material" oder kurz p-leitend. Das "p" kennzeichnet aber nicht den Ladungszustand des Halbleiters, sondern deutet nur die Art des Leitungsmechanismus an. Die in die Kristallstruktur eingebrachten Fremdatome werden "Akzeptoren" genannt, weil sie Elektronen aufnehmen, - akzeptieren. Solche Akzeptoren sind u.a. Gallium, Bor oder Indium. Den umgekehrten Effekt, also n-leitendes Material, erhält man, wenn Halbleitermaterial mit fünfwertigen Fremdatomen, also Atome mit fünf Elektronen in der äußeren Schale, dotiert werden. Das fünfte Elektron kann sich nicht vollständig in den Kristallaufbau einordnen - es bleibt für jedes eingebrachte Fremdatom ein Elektron über. Dieses kann sich sehr leicht vom Atom lösen und sich als freies Elektron durch das Kristallgitter bewegen. Die Anzahl der negativen Ladungsträger wird also erhöht. Fünfwertige Atome heißen Donatoren und das sind z.B. Arsen, Antimon oder Phosphor. Hier einige Fachausdrücke, wie sie in der Literatur zu finden sind: Ladungsträger, die im Halbleiter in der Überzahl sind, heißen "Majoritätsträger", solche in der Minderheit "Minoritätsträger". Die in das Kristall eingebrachten Fremdatome bezeichnet man auch allgemein als "Störstelle" und die durch sie bewirkte Leitfähigkeit als "Störstellenleitung". Die Störstellenleitung steigt mit dem Grad der Dotierung, ist aber unabhängig von der Temperatur.

Bild 6: Das elektrische Ventil, die "Diode" wirkt wie ein elektronischer Schalter. Rechts das genormte Schaltsymbol der Diode. Die in dieser Serie meist verwendete "geschwärzte" Darstellung ist oft sinnfälliger und auch in ausländischen Darstellungen zu finden.

Ein kleiner Grenzverkehr

Werden nun zwei unterschiedlich dotierte, also verschieden leitende Halbleiterkristalle, so zusammengefügt, daß sich ihre Grenzflächen eng berühren, stellen sich ganz bestimmte, für die Halbleitertechnik entscheidende, elektrische Verhältnisse ein. Man sollte meinen, daß an dieser Berührungsstelle, diesen pn-Übergang, wie der Fachausdruck lautet, die unterschiedlichen Ladungen sich ausgleichen, die Elektronen und Löcher aufeinander zuwandern und rekombinieren. Tatsächlich kommt ein Wandern der beweglichen Ladungsträger auch zunächst zustande. Die aufeinandertreffenden Ladungen löschen sich jedoch gegenseitig aus und auf beiden Seiten der Grenzlinie verschwinden die beweglichen positiven und negativen Ladungsträger. Die unbeweglichen Ladungsträger dagegen bleiben erhalten, sind aber an ihrem festen Platz im Kristallgitter gebunden. Innerhalb einer bestimmten, sehr kleinen Zone bilden sich zu beiden Seiten der Grenzschicht entgegengesetzte Ladungen aus; die n-Schicht wird leicht positiv, die p-Schicht leicht negativ. Das daraus resultierende Potentialgefälle blockiert jeden weiteren Ladungsaustausch. Der pn-Übergang hat sich selbst gesperrt, weshalb der Übergang auch "Sperrschicht" heißt.

Bild 7: Schichtenfolge und Schaltsymbol der beiden Transistorarten.

Eine Diode entsteht

Durch eine äußere Spannung läßt sich der natürliche Potentialsprung am pn-Übergang zunichte machen oder unterstützen. Zunächst einmal soll die Spannung so gepolt sein, daß der negative Pol der Batterie an der p-Schicht liegt, der positive an der n-Schicht - Bild 4 links. So gerichtet, unterstützt die Spannung das bestehende Potential, werden die beweglichen Ladungsträger noch mehr blockiert - die Sperrschicht oder Sperrzone merklich vergrößert. Ein in den Stromkreis eingeschalteter Strommesser zeigt keinen Stromfluß. Anders, wenn die Spannungsquelle (Batterie) umgepolt wird. Dann ist die äußere Spannung umgekehrt gerichtet wie das Potential an der Grenzschicht, sie wird überwunden und die Sperrwirkung aufgehoben. Der pn-Übergang wird stromdurchlässig, allerdings erst dann, wenn die äußere Spannung das Potentialgefälle der Grenzschicht übersteigt. Man spricht von der Sperr- oder Schleusenspannung und sie liegt, je nach Halbleitermaterial, zwischen 0,3 V und 0,7 V. Der pn-Übergang - und das ist das bemerkenswerte - verhält sich also unsymmetrisch. In der einen Richtung sperrt er praktisch den Stromfluß, hat er einen hohen Widerstand. In der anderen Richtung dagegen hat er einen kleinen Widerstand, ist der Übergang stromdurchlässig. Der Kristall verhält sich also wie ein elektrisches Ventil, wie eine Diode. Die Bezeichnung "Diode" kommt aus dem Griechischen und deutet auf ein Bauelement mit zwei Anschlüssen hin.

Bild 8: So kann man sich den Transistor aus zwei Diodenstrecken zusammengesetzt denken - eine oft hilfreiche Vorstellung. (Loewe)

Die Diode ist in der Elektrotechnik und Elektronik ein wichtiges und bedeutendes Bauteil. Ihre Besonderheit liegt darin, daß sie wie angeschnitten, als elektrisches Ventil wirkt. So wird beim Anlegen einer Gleichspannung je nach Polung der Strom durchgelassen oder gesperrt. Die Diode funktioniert wie ein elektronischer Schalter und wird auch gern so eingesetzt. Mehr über die Diode wird in einer späteren Folge dieser Serie zu lesen sein.

... und der Transistor

Der Transistor ist das Halbleiterbauelement, das sich in den letzten Jahrzehnten zum wichtigsten aktiven Bauelement der Elektronik entwickelt und die früher weit verbreitete Hochvakuum-Elektronenröhre praktisch völlig verdrängt hat. Der wesentliche Vorteil gegenüber der Vakuumröhre ist, daß der Transistor keine Heizleistung benötigt und mit relativ niedrigen Spannungen betrieben werden kann.

Bild 9: Bewegung der Ladungsträger im Transistor.

Der Transistor ist ein elektronisches Bauelement, welches elektrische Leistungen, Spannungen und Ströme verstärken und schalten kann. Sein Einsatzbereich ist das gesamte Gebiet der Elektronik, so u.a. die Nachrichtentechnik, die Steuer- und Regeltechnik, die Computertechnik. Ohne Transistoren wäre auch die moderne Unterhaltungselektronik, der Bedienkomfort der TV-Geräte oder der Videorecorder undenkbar. Der Name "Transistor" ist ein Kunstwort und aus der Zusammensetzung von "transformer" (Transformator) und "resistor" (Widerstand) abgeleitet und die Bezeichnung deutet bereits auf das Transistorprinzip hin, nämlich der Widerstandsänderung von pn-Übergängen. Der Transistor ist also - ein Merkmal jedes Verstärkerelementes - ein steuerbarer elektrischer Widerstand. Das Ausgangsmaterial des heutigen Transistors ist Germanium oder Silizium, seltener Selen. Der erste Transistor war ein sog. Spitzentransistor. Er benutzte n-leitendes Germanium als Basisschicht. Darüber befanden sich zwei Drähte, deren Spitzen federnd auf das Kristall drückten. Aber schon im Jahre 1951 führte der Amerikaner Shockly den Flächentransistor ein und er hat inzwischen den Spitzentransistor verdrängt. Der Flächentransistor ist aus drei Halbleiterschichten aufgebaut und besteht aus zwei dünnen Schichten desselben Materials. Dazwischen angeordnet eine dritte Schicht eines anders leitenden Materials. Dabei sind die Reihenfolgen PNP - oder NPN - dotiert möglich, je nachdem, ob man vom n- oder p-Kristall als Basismaterial ausgeht. Die drei Schichten des Transistors tragen die Bezeichnung Emitter, Basis, Kollektor. Das Ganze ist in einem Gehäuse untergebracht und die Anschlüsse der drei Schichten sind nach außen geführt. Zahlreiche Varianten des Flächentransistors sind je nach Anwendungsgebiet inzwischen entwickelt worden.

Bild 10: Grundschaltung einer Transistor-Verstärkerstufe mit Steuer- und Arbeitskreis. (HEA)

Der Transistoreffekt

Es soll jetzt gezeigt werden, wie man die Ströme im Transistor steuern kann. Dazu noch einmal: Fügt man zwei verschieden leitende Halbleiterschichten zusammen, läßt sich durch eine äußere Spannung die an den Berührungsflächen sich ausbildende Potentialschwelle so beeinflussen, daß die Anordnung in der einen, der Flußrichtung, den Strom leitet, und in der anderen, der Sperrrichtung, den Strom sperrt. Ein Transistor besteht nun wie dargelegt aus drei solcher Halbleiterschichten in bestimmter Reihenfolge. Man kann sich den Transistor gut als zwei Dioden mit gemeinsamer Basis vorstellen, eine Hilfsvorstellung, die das Verständnis um den Transistor erheblich erleichtert. Bei dem PNP-Transistor sind dann die beiden Diodenanoden getrennt herausgeführt und die beiden Diodenkatoden bilden die gemeinsame Basis, den dritten Anschluß. Beim NPN-Typ ist es gerade umgekehrt. Entsprechend den Elektrodenbezeichnungen liegt eine Diode zwischen den Anschlüssen Basis-Emitter, die andere zwischen den Anschlüssen Basis-Kollektor. Legt man über die beiden Diodenanoden eine Spannung an - tut sich erst einmal gar nichts. Die eine Sperrschicht baut sich ab, die andere verbreitert sich - es fließt aber kein Strom (der geringe Stromfluß durch die Eigenleitung soll hier einmal "vergessen" werden). Ganz anders, wenn auch an der Basis eine passend gepolte Spannung liegt. Die Basis-Emitterdiode ist dann in Durchlaßrichtung gepolt und über die vorhin schon abgebaute Sperrschicht fließen nun, zusätzlich angezogen durch das Basispotential, die Ladungsträger. Beim NPN-Transistor sind dies die Elektronen, beim PNP-Transistoren die Löcher. Den Emitter kann man als die "Quelle" der Ladungsträger ansehen (daher auch die Bezeichnung), aber ob Löcher oder Elektronen, im Basisraum sind sie bestrebt, mit den dort vorhandenen Ladungsträgern zu rekombinieren. Weil die Basiszone extrem dünn ist, wird sie von den meisten Ladungsträgern durchquert und diese geraten unter den Einfluß des Kollektorpotentials. Sie werden von der Kollektorspannung angezogen und fließen als Kollektorstrom in den äußeren Stromkreis. In Bild 9 ist das anschaulich dargestellt und es sind ca. 98 - 99% der vom Emitter ausgehenden Ladungsträger, die zum Kollektor weiter fließen. Die restlichen 1 - 2% fließen den Basisanschluß ab und bilden den Basisstrom. Das aber heißt nichts anderes, als daß ein relativ geringer Eingangsstrom -Iein- einen relativ großen Ausgangsstrom -Iaus- steuert; der Transistor hat den Strom verstärkt. Damit das funktionieren kann, müssen an den Transistorelektroden Gleichspannungen anliegen, die in der richtigen Richtung wirksam werden. Das wiederum wird bestimmt von der Art des Transistors, also ob es sich um einen PNP-Typ oder einen NPN-Typ handelt. Deshalb die "Neutralität" dieser Betrachtungen.


[Zurück]   [Übersicht]   [www.ikz.de]