125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 17/1997, Seite 109 ff.


UNTERNEHMENSFÜHRUNG


Das Gebot der Stunde: Liquide bleiben!

Michael Bandering

Schon viele Unternehmer mußten schmerzvoll erfahren, daß sich die so (über-) lebensnotwendige kaufmännische Qualifikation keineswegs im Feilschen um Ein- und Verkaufspreise erschöpft, und das vielgepriesene "Gefühl" schon häufig getrogen hat; eine Analyse der Konkursursachen bestätigt es. Denn ein nachhaltiger Firmenerfolg setzt aktuelle und umfassende Informationen über die wirtschaftliche Situation des Betriebes voraus. Das verlangt auch ein Auseinandersetzen mit einem (zeitnahen!) Jahresabschluß, um Fehlentwicklungen zu erkennen - wir führten unsere Leser bereits in die Thematik ein.

Allerdings berichtet eine Bilanz nur über die Vergangenheit; die Zukunft gilt es zu bewältigen, d.h. es muß geplant werden. So sind ein Beschaffungs- und ein Absatzplan aufzustellen sowie ein Investitions- und ein Finanzplan.

Ein langfristiger Finanzplan umfaßt Erwartung und Strategie der folgenden zwei bis zehn Jahre, der mittelfristige Finanzplan den Zeitraum von etwa ein bis zwei Jahren. Der Liquiditätsplan soll die Phase bis zu mindestens sechs Monaten vorstellen, um einerseits die unabdingbare jederzeitige Zahlungsbereitschaft des Betriebes, andererseits einen optimalen Einsatz vorübergehend freier Mittel zu gewährleisten. Wir beschränken unser Musterbeispiel auf einen Fünf-Monats-Zeitraum; denn er genügt, die Systematik eines Liquiditätsplanes zu veranschaulichen.

Ein Liquiditätsplan wird aufgestellt

Keine Angst: Einen Liquiditätsplan aufstellen klingt komplizierter als es in Wirklichkeit ist. Sie benötigen zunächst Ihren jüngsten (vorläufigen) Jahresabschluß - sofern der Bilanzstichtag noch keinen ganzen Monat zurückliegt - oder die Buchhaltungszahlen vom Ultimo des Vormonats (hier eignen sich besonders die heute üblichen EDV-Auswertungen, die wir bereits vorgestellt haben).

Ein Liquiditätsplan kann einen Ein-Monats-Zeitraum oder auch kürzere Zeitspannen umfassen. Wir stellen heute einen Ein-Monats-Phasenplan einer OHG vor, der auf den vorläufigen Jahresabschlußzahlen per 31.12. des Vorjahres aufbaut.

Der erste Schritt

Vorab sind die Zahlen aus der vorläufigen Bilanz, die Geldzuflüsse (Ziff. 1.1.) bzw. Geldabflüsse (Ziff. 2.1.) im neuen Jahr bewirken werden, in Spalte A der anzulegenden Übersicht einzutragen und entsprechend dem voraussichtlichen Geld-Zu-/-Abfluß in Spalte D aufzuteilen. Erfahrungsgemäß zahlen die Debitoren in unserem Beispielsfall

Da im Forderungsbestand (Ziff. 1.1.1.) zum 31.12. folglich brandaktuelle wie auch bereits etwas ältere Forderungen enthalten sind, wurden vereinfachend davon 3/5 als im Januar (49 TDM) der Rest (32 TDM) als im Februar eingehend angesehen. Die Fälligkeit der "Sonstigen Forderungen" (Ziff. 1.1.3.) ist bekannt: 18 TDM im Januar und 2 TDM im Februar.

Sinngemäß sind die Zahlungsverpflichtungen (Ziff. 2.1.) aufzuteilen. Die kurzfristigen Rückstellungen wurden für Jahresabschlußkosten (10 TDM) und voraussichtliche Steuernachzahlungen (13 TDM) gebildet, die im Mai bzw. etwa September anfallen dürften. Dem vorliegenden Abschluß bzw. der Summen- und Saldenliste der Buchhaltung sind auch Kontoguthaben (Ziff. 4.4.), Kassenbestand (Ziff 4.5.) und beanspruchte Kreditlinien (Ziff. 4.6.) zu entnehmen; ebenfalls (aufgegliedert) Privatentnahmen (Ziff. 2.5.). Eingeräumte Kreditlinien (Ziff. 4.6.) und Rückzahlungsverpflichtungen (Ziff. 2.4.1.) ergeben sich aus den Kreditverträgen.

Der zweite Schritt

Zunächst werden die Daten aus der jüngsten (vorläufigen) Gewinn- und Verlustrechnung, soweit sie Geldbewegungen ausgelöst haben, in Spalte B festgehalten (Ziff. 1.2., 2.2.), und diese anschließend in Spalte C liquiditätsplan-relevant aufgeteilt: Steuerzahlungen (Ziff. 2.2.11), Privatentnahmen für Steuerzahlungen (Ziff. 2.5.2.) und (hier) Kredit-Tilgungen (Ziff. 2.4.1.) quartalsbezogen (Kennzeichnung: Q), Personalaufwand (Ziff. 2.2.3.) und abzuführende LSt, KiSt und Sozialversicherungen (Ziff. 2.2.4.) auf 13 Gehälter bezogen, und allgemeine Privatentnahmen (Ziff. 2.5.1.) auf 121/2 (Dezember = 11/2) Monate aufgeteilt (Kennzeichnung: X). Alle übrigen Erträge wie Aufwendungen verteilen sich in etwa gleichmäßig übers ganze Jahr (Kennzeichnung: M).

Rund 70% der Umsätze wird über die Kasse erwirtschaftet, der Rest durch Lieferung mit Rechnung. Dem üblichen Debitorenziel (siehe oben) entsprechend erwartet man für (15 + 20 + 40/2 =) 55% der Verkaufsrechnungen noch Eingang im Umsatzmonat, für (40/2 + 15/2 =) 27,5% Rechnungsausgleich im Folgemonat, und für (15/2 + 10 =) 17,5% Zahlung ein weiteren Monat später. Dem entspricht auch die Aufteilung der erwarteten Eingänge aus Kreditumsätzen (Ziff. 1.2.2.) von 124 TDM monatlich in 68 TDM / 34 TDM / 22 TDM. Da die Buchhaltungszahlen alle mehrwertsteuerpflichtigen Einnahmen und Ausgaben netto, also ohne MWSt ausweisen, sind die MWSt-Beträge aus den ihnen zugrundeliegenden Basiszahlen zu ermitteln (Ziff. 3). Die MWSt-Schuld, gekürzt um Vorsteuerbeträge, ist selbst dann im Folgemonat ihrer Entstehung auszugleichen, wenn die Gesamtrechnung (Ware/Leistung + MWSt) selbst noch offensteht. Dagegen ist der Geldeingang für den Rechnungsteilbetrag MWSt dem oben beschriebenen Debitorenzahlungsverhalten anzupassen (Ziff. 3.3.2.). Dies gilt sinngemäß auch für die Behandlung eingegangener Rechnungen.

Die Hälfte aller empfangenen Rechnungen wird üblicherweise skontiert, der Rest nach knapp zwei Monaten beglichen - entsprechend die Aufspaltung. LSt, KiSt und Sozialversicherungsaufwand (Ziff. 2.2.4.) machen rund ein Viertel der gesamten Personalkosten aus, von denen unter Ziff. 2.2.3. nur die an die Mitarbeiter tatsächlich ausbezahlten Beträge ausgewiesen werden; abgeführt werden vorgenannte Abzugsbeträge jeweils im Folgemonat der Gehaltszahlung. Ab April wird eine Erhöhung der Personalkosten um 5% erwartet. Mit Preissteigerungen im Ein- und Verkauf rechnet man Mitte des Jahres (in unserer Übersicht daher nicht mehr berücksichtigt).

Im März beabsichtigt man, einen älteren Firmenwagen (Ziff. 1.3.1.) durch einen neuen zu ersetzen (Ziff. 2.3.1.) (erwarteter Verkaufspreis 10 TDM + MWSt, Kaufpreis 40 TDM + MWSt) und über ein 30 Monate laufendes Bank-Darlehen (Ziff. 1.4.1.) mit monatlichen Tilgungen zu finanzieren (Ziff. 2.4.1.).

Konsequenzen aus der Planung

Nach Gegenüberstellung von Geld-Ein- und -Ausgängen errechnet sich im Januar unter Berücksichtigung bestehender Kassenbestände und freier Kreditlinien ein Liquiditätsüberschuß von 33 TDM, der sich aber bereits im Februar durch ein Liquiditätsdefizit von 85 TDM in eine (kumulierte) Liquiditätsunterdeckung von 52 TDM wandelt. Wie aber dieses Loch stopfen? Auf Skontierung verzichten? Auf Wechselzahlung umstellen? Abnehmer durch Sonderrabatte zu schnellerer Zahlung animieren? Ein Ja hierzu wäre teuer und dem Firmenruf schädlich. So bietet sich ein Gespräch mit der Hausbank wegen einer Kreditüberziehungsmöglichkeit an.

Gleichzeitig ist zu prüfen, wie lange und in welcher Höhe zusätzlicher Kreditbedarf besteht. Das nun beantwortet das fortgeschriebene Liquiditäts-Ergebnis: Der Liquiditäts-Mehrbedarf wächst im März geringfügig weiter auf 57 TDM, obgleich bereits - was mit der Bank erst noch abzusprechen wäre - ein Autofinanzierungs-Darlehen eingeplant wurde. Wenn sich die Liquiditäts-Situation auch bis Mai voraussichtlich weitgehend entspannt, sollte man (neben dem Autokredit) eine Krediterhöhung um (57 TDM + Sicherheitsreserve von ca. 20 TDM =) 80 TDM anstreben.

Dank Liquiditätsplan kann der Unternehmer frühzeitig mit seiner Bank über den Kreditmehrbedarf sprechen und dabei gleichzeitig einen Verzicht auf Berechnung einer Überziehungsprovision (meist immerhin zusätzliche 41/2% p.a.) aushandeln, eine Chance, die ihm ein verspäteter Bankkontakt kaum mehr bietet.

Zeichnen sich Liquiditätsüberschüsse ab, sollte man eine Festgeldanlage mit mindestens 30 Tagen Laufzeit (ab 10 TDM) zur Anlage vorübergehend freier Liquidität ins Auge fassen; für größere Beträge und etwas längere Anlagezeiten wird eine Bank mit gutem Wertpapierservice über sog. Kurzläufer noch bessere Renditen anbieten. Für Großbeträge sind sogar nur tageweise angelegte Gelder zu höheren Zinssätzen unterzubringen.

Soll-lst-Kontrolle

Schätzung und Realität sind selten total deckungsgleich. Daher bedarf es nach jedem Planungsabschnitt (hier: monatlich) eines Vergleichs von Schätzung (Soll) und Wirklichkeit (Ist). Haben Sie erstmals einen Liquiditätsplan aufgestellt, sind Abweichungen in den ersten zwei, drei Monaten sicherlich überwiegend auf fehlende Routine zurückzuführen. Unwesentliche Differenzen liegen in der Natur einer Prognose, doch hat man wesentlichen Abweichungen nachzuspüren; denn hier konnten sich Entwicklungen abzeichnen, die es entweder sofort konsequent zu bekämpfen oder auch zu forcieren gilt.

Die Ursachen der Abweichungen sind jeweils festzuhalten, und spätere Aktivitäten auf ihren Erfolg oder Mißerfolg hin zu überwachen.

Selbstverständlich muß der Liquiditätsplan veränderten Gegebenheiten laufend angepaßt werden.

Sobald Sie eine gewisse Planungssicherheit gewonnen haben, sollten Sie den mit seinen monatlichen Planungsperioden doch noch recht groben Plan für die jeweils bevorstehenden ein bis zwei Monate auf wöchentliche Planungsphasen feinjustieren.

Der Liquiditätsplan - ein Mittel der Unternehmenssicherung

Vorübergehend eingefahrene Verluste sind schmerzhaft, plötzlich fehlende Liquidität aber oft tödlich; denn nicht von ungefähr spricht man beim Firmenzusammenbruch von Zahlungsunfähigkeit. So dient der Liquiditätsplan primär der Objektivierung und Optimierung der Zahlungsströme im Betrieb und damit der Sicherung des Unternehmensbestandes. Daher weist Sie die Vorlage eines Liquiditätsplans bei Ihrer Hausbank als kaufmännisch qualifizierten Partner aus, dem die Bank auch in schwierigen Zeiten ihre Hilfe nicht versagen wird.

Für Betriebe ab ca. 10 Mio. DM Jahresumsatz haben die drei Großbanken (Deutsche Bank, Dresdner Bank, Commerzbank) im übrigen als Kundenservice EDV-gestützte Liquiditätspläne entwickelt - ein Beweis für den hohen Stellenwert dieser Pläne für den erfolgreichen Unternehmer.


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