125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 17/1997, Seite 106 ff.


UNTERNEHMENSFÜHRUNG


Service - Schlüssel zur Kundenzufriedenheit

Dipl.-Wirt.-Ing. Rainer Bröcher*

In den vergangenen Jahren wurde aufgrund gesättigter Märkte und geringer Preisdifferenzen zwischen den Produkten deutlich, daß ein Anbieter Qualitätsunterschiede und damit Wettbewerbsvorteile kaum noch durch die Qualität der Produkte selbst erzielen kann, egal ob es sich um Toaster, Computer oder Heizkessel handelt. Das ist dadurch begründet, daß sich die Erzeugnisse der einzelnen Anbieter kaum noch voneinander unterscheiden.

Die Mehrleistung entscheidet

Da die produktbezogenen Leistungen einzelner Anbieter nahezu gleich sind, muß die Qualität der produktbegleitenden Leistungen um so besser sein. Hiermit ist nicht nur eine fachliche Beratung und Information vor dem Kauf gemeint, sondern vor allem die intensive Betreuung und Kommunikationsarbeit nach Lieferung, Installation und Inbetriebnahme des Produktes, denn diese Leistungen bestätigen dem Kunden, sich für das richtige Produkt entschieden zu haben.

Durch die Qualität der zuvor genannten Leistungen wird der Kunde zufriedengestellt. Und dies ist um so wichtiger für den künftigen Markterfolg, wenn es sich um mehr oder weniger gesättigte Märkte handelt. Denn nur zufriedene Kunden werden sich bei dem nächsten Kauf wieder für den bereits bewährten Anbieter entscheiden und ihn darüber hinaus bei Bekannten und Kollegen weiterempfehlen.

Anders als bei der Qualitätsmessung und -sicherung der Produkte selbst geht es hier um die Ermittlung der subjektiven Aspekte, wobei Qualität demnach nur das ist, was der Kunde als Qualität wahrnimmt bzw. was zur Befriedigung seines Bedürfnisses beiträgt.

Bild 1: Entscheidende Kaufkriterien.

In vielen Branchen ist eine strategische Pattsituation entstanden, verursacht durch zwei Entwicklungen. Zum einen waren zahlreiche Qualitätsverbesserungs- und Kostensenkungsprogramme in den vergangenen Jahren so erfolgreich, daß mittlerweile nahezu alle Hersteller zielgruppengerechte Produktqualität zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten konnten. Zum anderen gelang es immer mehr Unternehmen - aufgrund einer größeren Flexibilität ihres Geschäftssystems und verkürzter Reaktionszeiten - Vorsprünge ihrer Konkurrenten rasch wieder auszugleichen. Hinzu kommt, daß durch einschneidende Rationalisierungsmaßnahmen die Kostenstrukturen der einzelnen Anbieter weitgehend vergleichbar sind, so daß für den Käufer viele Produkte austauschbar sind und Markenbindungen damit an Bedeutung verlieren.

Bild 2: Serviceinstrumente.

Durch diese Entwicklungen ist die Kundenzufriedenheit (KZH) nicht mehr alleine durch die Produktzufriedenheit bestimmt, sondern die Unternehmen versuchen, über produktbegleitende Leistungen wie Servicepolitik sich gegenüber der Konkurrenz zu profilieren.

Loslösung vom Wettbewerb durch Service

Durch unterschiedliche Produktmerkmale alleine kann keine wirkungsvolle Abgrenzung gegenüber der Konkurrenz vorgenommen werden. Denn in Marktsegmenten für Qualitätsprodukte wird es zunehmend schwieriger, sich alleine durch physikalisch-technische Leistungsunterschiede vom Wettbewerb zu lösen. Durch die Entwicklung der Produktqualität auf ein kaum noch zu steigerndes Niveau kommt dem Service eine bedeutsame Rolle zu, da hier durch das Einbinden des materiellen Produktes in eine Reihe von immateriellen Leistungen eine Abgrenzungsmöglichkeit gegenüber der Konkurrenz besteht und darüber hinaus die KZH gesteigert wird.

Hierzu soll einmal die Entscheidungssituation eines Autokäufers, die sich in zwei Stufen abspielt, dargestellt werden. Innerhalb der ersten Stufe wird die Markenwahl aufgrund des Markenimages, der Leistung und des Preises getroffen. Auf dieser Ebene kommt dem Service nur eine untergeordnete Rolle zu. In der zweiten Stufe muß sich nun der Käufer für einen Händler entscheiden, wobei nun der Service den dominierenden Entscheidungsfaktor darstellt. Service beinhaltet hier entscheidungsrelevante Aspekte wie persönliche Beratung, freundliche Atmosphäre, das Angebot an Ersatzfahrzeugen während Wartungs- und Reparaturarbeiten sowie Flexibilität bei Problemlösungen. Hingegen wird die schnelle und sorgfältig ausgeführte Reparatur als selbstverständliche Leistung betrachtet.

Service umfaßt somit alle Aktivitäten, die dazu dienen, die Kundenzufriedenheit über den reinen Produktnutzen zu steigern. Die Stellung des Service innerhalb der KZH spiegelt sich in einer Untersuchung wider, die sich auf einen Teilmarkt der Informationstechnik bezieht. Wie Bild 1 zeigt, ist die Serviceleistung vor der Produktleistung und dem Preis das wichtigste Kaufkriterium. Dies macht deutlich, je komplexer und komplizierter das Gut ist, um so wichtiger ist der Service für zukünftige und dauerhafte Geschäftsbeziehungen, denn "High-Tech"-Produkte verlangen "High-Touch" mit dem Kunden.

Bild 3: Abgeleitete Serviceleistungen.

Dem Servicemanagement steht ein breites Spektrum an Instrumenten zur Steigerung des Kundennutzens bzw. zur wirksamen Beeinflussung der Kundenzufriedenheit zur Verfügung. Durch die Gestaltung der vorhandenen Serviceleistungen kann ein problemadäquates Serviceprogramm erstellt werden. Bild 2 gibt einen Überblick über die wichtigsten Serviceinstrumente. Dabei wurde eine Unterteilung der Serviceleistungen nach dem Zeitpunkt der Leistungserstellung und nach der Serviceart vorgenommen.

Die zusätzlichen Serviceleistungen

Bei der weiteren Differenzierung der Serviceleistungen, kann eine Unterteilung in ursprüngliche und abgeleitete Leistungen vorgenommen werden. Die ursprünglichen Serviceleistungen werden durch das traditionelle Leistungsspektrum des technischen Kundendienstes geprägt. Dabei werden zwischen solchen unterschieden, die es dem Anwender zunächst einmal ermöglichen, das angeschaffte Produkt zu nutzen wie

Hierbei wird deutlich, daß die ursprünglichen Serviceleistungen produktabhängige Leistungen darstellen. Sie sind im Bereich der technischen Gebrauchsgüter zwar absatzrelevant, können jedoch nicht der Forderung an das Servicemanagement als werbendes Marketinginstrument gerecht werden. Diese Lücke wird durch die abgeleiteten Serviceleistungen geschlossen, die als eigenständige Marketinginstrumente Kunden gewinnendes Potential abschöpfen können.

Bild 4: Wirkung der KZH auf die Kundenloyalität.

Die Abgrenzung der abgeleiteten zu den ursprünglichen Serviceleistungen ist darin zu sehen, daß sie eben nicht nur - wie die klassischen Serviceleistungen - die Nutzung der Hauptleistung des Produktes ermöglichen und unterstützen, sondern einen zusätzlichen Nutzen stiften. Dieser zusätzliche Nutzen soll möglichst während der gesamten Nutzungsphase durch einen dauerhaften und flexiblen Kundendialog realisiert werden. Damit das Servicemanagement die beschriebenen Aufgaben erfüllen kann, muß eine Entkopplung von Serviceleistung und eigentlichem Produkt vorgenommen werden. In Bild 3 werden die wichtigsten abgeleiteten Serviceleistungen nach ihrer Beziehung zum Produkt dargestellt.

Eine Entkopplung von Serviceleistung und Produkt ist in den indirekten und produktunabhängigen Leistungen zu sehen. Dabei ist der erste Schritt zu eigenständigen Leistungen gemacht, wenn beispielsweise eine getrennte Verrechnung von Produkt und Service zu einer höheren Preisflexibilität führt und eine bessere Ausrichtung auf die unterschiedlichen Kundensegmente ermöglicht.

Grundsätzlich sind die abgeleiteten Serviceleistungen jedoch darauf ausgerichtet, den Kunden einen zusätzlichen Nutzen zu bieten, wodurch die Servicezufriedenheit und damit auch unmittelbar die KZH gesteigert wird. Servicezufriedenheit steht somit nicht nur in positiver Wechselbeziehung zur KZH, sie fördert darüber hinaus auch ein loyales Kundenverhalten gegenüber dem Hersteller (Spill-Over-Effekt), wobei sogar ein überproportionaler Zusammenhang zwischen KZH und Kundenloyalität besteht. So können bei hoher Servicezufriedenheit durch vermehrten Ressourceneinsatz überproportionale Loyalitätsgewinne erzielt werden (Bild 4). Bei niedriger Servicezufriedenheit dagegen hat ein intensiver Ressourceneinsatz unterproportionale Zuwächse. In dem Bereich mittlerer KZH (Indifferenzbereich) können bestenfalls geringe Zuwächse erreicht werden. Durch die Servicezufriedenheit wird somit nicht nur die KZH gesteigert, sondern darüber hinaus das Fundament für dauerhafte Geschäftsbeziehungen gelegt.


* Rainer Bröcher, Studium der Fachrichtung Wirtschaftsingenieurwesen mit Vertiefung in den Bereichen Projektmanagement und Umwelttechnik; Tätigkeiten in der Kraftwerkstechnik, speziell Entwicklung einer Konzeption des Projekt- und Kundenmanagements; seit 1.7.96 bei Sieger Heizkessel GmbH zuständiger Leiter für den Bereich Verkaufsförderung/Techn. Akquisition.


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