125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 17/1997, Seite 48 ff.


INTERVIEW


Geberit

Gute Aussichten

Bereits Anfang des Jahres flatterte die SHK-Unternehmensmeldung des Jahres auf die Schreibtische: "Geberit an die englische Kapitalbeteiligungsgesellschaft Dougthy Hanson & Co. verkauft". Für die Branche eine Meldung der besonderen Art, zählt die Geberit Gruppe mit Sitz im schweizerischen Rapperswil doch zu den größten europäischen Industrieunternehmen dieser Art. Deren größter Ableger wiederum ist die deutsche Vertriebsgesellschaft, die mit einem Umsatz von 540 Mio. DM (1996) über 50% des Gruppenumsatzes erwirtschaftete. Über die veränderten Rahmenbedingungen sowie die Zukunftsaussichten des Unternehmens sprach die IKZ-HAUSTECHNIK-Redaktion mit Harald Wipfler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Geberit GmbH in Pfullendorf.

IKZ-HAUSTECHNIK: In den letzten Jahren entwickelte sich die Geberit Gruppe, trotz des konjunkturellen Einbruchs, sehr positiv. War dies mit ein Grund für den Verkauf an Dougthy Hanson & Co.?

Wipfler: Überhaupt nicht. Die Firmeninhaber Klaus und Heinrich Gebert haben allein aufgrund der persönlichen Situationen - 79 und 71 Jahre alt und ohne persönliche Nachfolger - bereits 1995 den Auftrag erteilt, verschiedene Lösungsmöglichkeiten für die weitere Unternehmensentwicklung zu erarbeiten.

IKZ-HAUSTECHNIK: Waren noch andere Modelle in der "engeren Auswahl"?

Wipfler: Konkret wurde der sofortige Börsengang, der Verkauf an einen industriellen Partner oder einen Finanzinvestor geprüft.

"Übereinstimmende
Interessen"

IKZ-HAUSTECHNIK: Warum ist es nicht zum Börsengang gekommen?

Wipfler: Um einen professionellen Börsengang zu initiieren, sind mindestens drei Jahre notwendig. Dazu fehlte die Zeit. Außerdem hätten wir auch dafür auf Unterstützung von außen zurückgreifen müssen, denn "going public" vollzieht man schließlich nicht alle Tage. Der Verkauf an eine Finanzgesellschaft wurde demzufolge höher bewertet und in die Tat umgesetzt. Allerdings ist für die nächsten Jahre ein Börsengang vorgesehen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Gibt es dafür bereits einen Zeitplan?

Wipfler: Ja. Die neuen Anteilseigner Dougthy Hanson & Co. möchten das Unternehmen frühestens in drei, spätestens in fünf Jahren an die Börse führen.

Harald Wipfler (links) und Wolfgang Greiner sprachen in Pfullendorf mit den IKZ-HAUSTECHNIK Redakteuren Günther Klauke und Volkmar Runte über die Zukunft der Geberit-Gruppe.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Gründe sprachen für den Verkauf an Doughty Hanson & Co.?

Wipfler: Doughty Hanson & Co. ist ein finanzieller Investor mit starker unternehmerischer Prägung. Mit Doughty Hanson & Co. besteht in allen wichtigen strategischen Fragen Übereinstimmung.

Im wesentlichen: Die Fortführung der Geberit Gruppe in den bestehenden/bewährten Strukturen. Die Fortsetzung der erfolgreichen Geschäftspolitik auf Basis verabschiedeter Strategien. Die Frage einer möglichen Publikumsöffnung.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Konsequenzen sind für die Gruppenstruktur, die Standorte und die Mitarbeiter zu erwarten?

Wipfler: Problematisch ist das Shareholder Value-Konzept nur für Unternehmen, die sich nicht fortlaufend dem Markt anpassen. Wir haben 1993 mit dem GLM-Projekt (Geberit Lean Management) begonnen, die Gesellschaftsstrukturen zu verschlanken und die Kosten und die Ergebnistransparenz zu erhöhen.

Die per 1. Januar 1995 abgeschlossene Dezentralisierung der groben Strukturen hat sich bestens bewährt, so daß keine Veranlassung für eine Änderung besteht.

Wir haben in den letzten Jahren viel in unsere Produktionsstandorte investiert. Die Anlagen entsprechen modernsten technischen Anforderungen und sind deshalb auch in Hochlohnländern konkurrenzfähig.

"Kräftiges
Wachstum"

IKZ-HAUSTECHNIK: Auf welcher Grundlage wurde der Übernahmebetrag von 1,8 Mrd. CHF ausgehandelt?

Wipfler: Von dem Kaufpreis entfallen 1,2 Mrd. CHF auf das operative Geschäft und 0,6 Mrd. CHF auf nichtbetriebliche Aktiva sowie die persönlichen Holdinggesellschaften der bisherigen Aktionäre. Der Preis für das operative Geschäft entspricht somit dem 8,6fachen Betriebsergebnis vor Zinsen und Steuern.

IKZ-HAUSTECHNIK: Immer wieder erfährt man von Geschäftsübernahmen durch Finanzgesellschaften, bei denen in kürzester Zeit von den ursprünglichen Unternehmen nicht mehr viel übrig bleibt. Besteht diese Gefahr auch im Falle Geberit?

Wipfler: Sicher nicht. Ich erwähnte schon die Übereinstimmung der Interessen zwischen den ehemaligen und den heutigen Anteilseignern. Für eine Fondsgesellschaft wie Dougthy Hanson & Co. sind nur gesunde, kräftig wachsende, innovative Unternehmen in ihrer Gesamtheit interessant.

IKZ-HAUSTECHNIK: Sie sind im deutschsprachigen Raum Marktführer und verzeichneten als Gruppe in den letzten fünf Jahren einen Umsatzzuwachs von 40%. Wo soll das angestrebte kräftige Wachstum herkommen?

Wipfler: Gemäß unserer Strategie zur weiteren Internationalisierung unseres Geschäftes wollen wir im Jahr 2005 ca. 20 Prozent unseres Gesamtumsatzes (derzeit unter 10%) außerhalb Westeuropas erzielen. Daß wir in einigen Märkten Aufbauarbeit dafür leisten müssen, gehört zum normalen Geschäft. Aber auch in Europa möchten wir ein weiteres Wachstum realisieren. In Deutschland streben wir mittelfristig ein 3%iges Umsatzwachstum an.

Hintergrundinformation Dougthy Hanson & Co

Dougthy Hanson & Co. wurde 1990 als unabhängige Managementgesellschaft gegründet und ist mit Büros in London, Frankfurt und Stockholm vertreten. Die Partner von Doughty Hanson & Co. verfügen über langjährige Erfahrung im internationalen Finanz- und Fondsmanagement. Dougthy Hanson & Co. führt den größten unabhängigen Fonds Europas für Beteiligungen an Unternehmen und investiert gezielt in international marktführende Unternehmen mit Sitz in Europa. Die Fondsanteile werden von namhaften institutionellen und privaten Investoren aus aller Welt gehalten.

Unternehmen kontinuierlich weiterentwickeln

Es ist das Ziel von Dougthy Hanson & Co., die erworbenen Unternehmen gemeinsam mit deren Unternehmensleitung kontinuierlich weiterzuentwickeln. Dies wird mit einer gezielten Investitionspolitik und einer aktiven Akquisitions- bzw. Kooperationspolitik erreicht, mit der die marktführende Stellung der Unternehmen weiter ausgebaut wird. In der Regel erreichen die von Doughty Hanson & Co. erworbenen Unternehmen nach drei bis fünf Jahren die Börsenreife.

Doughty Hanson & Co. nimmt jeweils Einsitz im Aufsichtsgremium des Unternehmens und unterstützt die Unternehmensleitung aktiv bei der Erarbeitung und Umsetzung der strategischen und finanziellen Zielsetzungen.

Zu den Unternehmen, die von Dougthy Hanson & Co. in den letzten Jahren erworben und deren Aktien bereits an die Börse gebracht wurden, zählen u.a. die Tag Heuer AG (Börsengang Zürich 1996), die Tarkett International AG und die Apcoa Parking AG (beide Börsengang Frankfurt 1995).

Guter Ruf als Aktionär

Es ist die erklärte Geschäftspolitik von Doughty Hanson & Co., die Unternehmen als Einheit zu übernehmen und fortzuführen. Dougthy Hanson & Co. verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Finanzierung von Akquisitionen mittels börsennotierter Anleihen. Auf diese Weise werden die Unternehmen frühzeitig auf eine spätere Aktienemission an den internationalen Börsen vorbereitet. Man legt besonderen Wert darauf, mit einer erfolgreichen und erfahrenen Unternehmensleitung zusammenzuarbeiten und gemeinsame strategische Ziele zu entwickeln.

IKZ-HAUSTECHNIK: Bedeutet das auch außereuropäische Produktion "vor Ort"?

Wipfler: Ja, aber ausschließlich für den jeweiligen Markt, und nicht, um von diesen Standorten wieder nach Europa zu exportieren.

IKZ-HAUSTECHNIK: Hat sich der Konkurrenzkampf verschärft?

Wipfler: Ja. Das gilt einerseits für vergleichbare Markenhersteller, andererseits aber auch im preisaggressiven Bereich durch Importe. Zur ISH in Frankfurt haben wir einige Importeure gesehen, die verstärkt im Vorwandinstallationsbereich aktiv sind.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie reagieren Sie auf diese Herausforderung?

Wipfler: In der Vorwandinstallationstechnik setzen wir verstärkt auf unsere Systemkompetenz, Beratung und Schulung. Damit bieten wir dem Fachhandwerk - und dadurch auch dem Endkunden - mehr Leistung. Wir sind überzeugt, mit dieser offensiven Marktpolitik weitere Marktanteile gewinnen zu können. Bei Trinkwasserrohren sind wir noch ein "Nobody" im deutschen Markt. Hier werden wir weiter hartnäckig am Ball bleiben und versuchen, Meter um Meter, mehr Rohr in die Wand zu bringen. Darüber hinaus werden wir neue Marktsegmente erschließen.

"Kompetentes
Fachhandwerk"

IKZ-HAUSTECHNIK: Können Sie die letzte Aussage konkretisieren?

Wipfler: Das Sanitärfachhandwerk verfügt über mehr Fachkompetenz als man gemeinhin annimmt. Statt "nur" den UP-Spülkasten in der Wand zu installieren, können diese Fachleute doch auch gleich den ganzen Trockenausbau übernehmen. Unser modernes Vorwandinstallationssystem GIS bietet dazu die richtige Grundlage, die es verstärkt zu vermarkten gilt.

Darüber hinaus haben wir im Mai, gemeinsam mit einem Kooperationspartner, eine Produktionsgesellschaft für Sanitärlüftungssysteme in Kassel gegründet.

Forschung und Kundennähe genießen bei Geberit einen besonderen Stellenwert. Der Vorsitzende der Geschäftsführung Harald Wipfler (rechts) und Wolfgang Greiner, Leiter Marketing Service, vor der abwassertechnischen Demonstrationsanlage im Pfullendorfer Schulungszentrum.

IKZ-HAUSTECHNIK: Heißt das, Geberit steigt in den Lüftungsmarkt ein?

Wipfler: Das ist richtig. Wir bieten als erster dem Markt eine gesamtheitliche, brandschutztechnische Lösung für die sanitäre Lüftungstechnik. Dies ist ein riesiger Markt. Wir schätzen ein Marktvolumen in Höhe von 750 Mio. DM, wovon wir uns in den nächsten fünf Jahren einen respektablen Anteil herausschneiden wollen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wieviel Prozent bedeutet respektabel?

Wipfler: Sagen wir mal fünf Prozent.

IKZ-HAUSTECHNIK: Können Sie nähere Angaben über den Kooperationspartner und die Anteilsverteilung machen?

Wipfler: Den Vertrieb des Lüftungsprogramms übernimmt auf der klassischen Sanitärschiene die Geberit GmbH. Des weiteren haben wir mit unserem Know-how-Träger eine gemeinsame Produktionsgesellschaft, die Gemax Gebäudetechnik GmbH, gegründet - wobei Geberit die Mehrheit hält.

"Neuer Markt:
Lüftungstechnik"

IKZ-HAUSTECHNIK: Geberit pflegt seit Jahren intensive Kontakte zum verarbeitenden Handwerk und betreibt umfangreiche Forschungsarbeit. Bleibt es auch zukünftig bei diesem kostenintensiven Engagement?

Wipfler: Selbstverständlich. Die Basis für unseren Erfolg war und bleibt die Nähe zu unseren Kunden, den Installateuren, dem Großhandel, den Planern und Architekten. Dies werden wir auch zukünftig mit kompetenten Außendienstmitarbeitern sicherstellen und über den Dialog in Schulungsveranstaltungen pflegen und Erfahrungen austauschen. Dank innovativer Produkte und Dienstleistungen in der sanitären Gebäudetechnik konnte Geberit immer stärkere Wachstumsraten ausweisen als die Baubranche. Deshalb wird auch weiterhin der Forschung und Entwicklung große Bedeutung zugemessen.


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