125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 16/1997, Seite 79 ff.


AUSSTELLUNG/REPORT


Hilfe zur Selbsthilfe in Moskau

SHK '97 Moskau erfolgreich

In Rußland ist heute fast nichts mehr wie es einmal war. Dasjahrzehntelange vom kommunistischen Regime mit harter Hand geführteLand ist in einem gewaltigen Umbruch, von dem im Moment keiner weiß,wohin er führt. Mit Spannung wird die Entwicklung in Moskau, der wirtschaftlichenund politischen Zentrale des Riesenstaates verfolgt.

Auch aus der Sicht des deutschen Handwerks ist es wichtig, ob sich inder Metropole endlich eine Handwerksorganisation etablieren kann. Die Aussichtendafür stehen besser denn je, wie eine Delegation unter Leitung desVorsitzenden des Fachverbandes SHK NRW, Rudolf Peters und Dr. Hans-GeorgGeißdörfer, Hauptgeschäftsführer des FachverbandesSHK NRW, erfahren konnte, die sich kürzlich zu einem 3-Tagesbesuchin Moskau aufhielt.

Iouri A. Tabounchtchikov, Präsident der ABOK (Association of Engineersfor Heating, Ventilation, Air Conditioning, Heat Supply & BuildingThermal Physics) eröffnete die SHK ´97 Moskau. Im Hintergrund,links neben ihm, Andreas Lücke, Generalsekretär der EuropeanBoilers Heating Association.

Der erste Besuchstag war der Messe "SHK ’97 Moskau" gewidmet,die von der Novea International, Düsseldorf, veranstaltet wurde.

Ein zartes Messepflänzchen?

Ein voller Erfolg!

Die "SANITÄR, HEIZUNG, KLIMA ’97 Moskau" war füralle Beteiligten, Aussteller, Fachbesucher und Organisatoren ein vollerErfolg und kann als unangefochtene Leitmesse für den Bereich Sanitär-,Heizungs- und Klimatechnik in Rußland und den gesamten GUS-Staatenangesehen werden, so eine Verlautbarung der Veranstalter.

187 Aussteller aus 18 Nationen präsentierten vom 17.-20. Juni 1997auf insgesamt 3736 m2 Ausstellungsfläche ihre Produkteund boten so einen hervorragenden Überblick über den aktuellenStand der Entwicklung auf dem Gebiet der SHK-Technik. Diese immense Präsenz,der Industrie, führte zu der mit 24300 Besuchern überaus erfolgreichenAusstellung. Mit ca. 16000 Fachbesuchern, so teilte der Veranstalter mit,erreichte diese Gruppe einen Besucheranteil von 66%.

Großes Interesse fand das 1. Europäische Symposium "ModerneHeizungstechnik zur Energieeinsparung und Ressourcenschonung".

Die überwiegende Mehrheit der Aussteller lobte die hohe Qualitätder Fachbesucher, die aus allen Staaten der GUS kamen, und rechnet miteinem vielversprechenden Nachmessegeschäft.

Namhafte Unternehmen wie ABB, Buderus, De Dietrich, Deutsche Ranco,hansgrohe, Jado, Techem und Viessmann, um nur einige zu nennen, erklärtennoch während der Laufzeit der diesjährigen Veranstaltung, daßsie auch auf der SHK ’98 wieder vertreten sein werden.

Großen Interesses erfreute sich auch das im Rahmen der SANITÄR,HEIZUNG KLIMA ’97 ausgetragene "1. Europäische Symposium- Moderne Heizungstechnik zur Energieeinsparung und Ressourcenschonung",zu dem die European Heating Boilers Association, EBA, der russische Verbandder Heizungsingenieure, ABOK, der Strobel-Verlag und Nowea Internationalfür den 18. Juni eingeladen hatten.

Die nächste Moskauer SANITÄR, HEIZUNG KLIMA sowie das2. Europäische Symposium organisiert Nowea International wieder mitUnterstützung der gleichen Partner vom 8. - 11. Juni 1998. Schon jetzthat das Bundesministerium für Wirtschaft eine offizielle Firmengemeinschaftsbeteiligungder Bundesrepublik Deutschland zugesagt. Auch Österreich wird, wieschon 1997, wieder mit einer Gemeinschaftsbeteiligung an dieser wichtigenMesse teilnehmen.

Berufsbildungszentrum Moskau

Seit 1992 engagiert sich die Kammer Düsseldorf mit Mitteln derBundesregierung und der Europäischen Union für das Moskauer Handwerkindem sie die dortigen Handwerksbetriebe beim Aufbau einer starken undleistungsfähigen Handwerkskammer unterstützt und die Ausbildungdes handwerklichen Nachwuchses im Rahmen einer eigens zu diesem Zweck gegründetenHandwerkerberufsschule fördert.

Mittlerweile sind der 1993 gegründeten Kammer Moskau über400 Unternehmer freiwillig beigetreten, die unter dem Dach bereits dreizehnInnungen gegründet haben. An der Handwerkerberufsschule, dem "Berufslyzeumfür Handwerker Nr. 331", werden derzeit 180 Lehrlinge in denBerufen Maler/ Lackierer, Fliesenleger, Tischler und Stukkateure ausgebildet.Die ersten Berufsanfänger werden 1998 ihre Berufsausbildung mit demAbschluß der Gesellenprüfung beenden. Sie sollen in den Betriebender Handwerkskammer, die unter erheblichem Mangel an qualifiziertem Nachwuchsleiden, ihr berufliches Zuhause finden. Von daher sind die Projekte derDüsseldorfer Kammer nicht nur ein Beispiel für länderübergreifendeNetzwerke im Handwerk, sondern auch für die untrennbare Zusammenarbeitzwischen der Handwerksorganisation und beruflicher Ausbildung.

92% der Aussteller werden sich aus heutiger Sicht, laut einer Messeumfrage,an der Sanitär, Heizung, Klima ’98 vom 8.-11. Juni 1998 in Moskauwieder beteiligen.

Die Vertreter des Fachverbandes SHK NRW sondierten Möglichkeiten,auch die Ausbildung im Gas- und Wasser- sowie Zentralheizungs- und Lüftungsbauerhandwerkstarten zu können. Zu diesem Zweck führten sie Gesprächemit dem Projektleiter, Ministerialrat a.D. Bruno Tiedemann sowie den zuständigenBerufsschullehrern und dem Berufsschuldirektor des Berufslyzeums.

Erste Erfolge machen Mut

Aus deutscher Sicht sind die Probleme in Rußland riesig. "Nach70 Jahren Kommunismus ist die alte Tradition des russischen Handwerks fastvollständig zerstört worden", erläutert Alexandr Alexandrowitschim Gespräch mit der IKZ-HAUSTECHNIK. Der Buchbinder ist Präsidentder noch kleinen Handwerkskammer Moskau. Viel Idealismus wird der kleinenMitgliederschar abverlangt "wir sind gerade erst dabei, für unsereAnerkennung zu kämpfen", so Alexandrowitsch. Es geht nicht ohneSchwierigkeiten ab, wenn die Ehrenamtsträger mit deutscher Hilfe versuchen,die ersten Innungen zu gründen.

"Ohne die Unterstützung der Handwerkskammer Düsseldorfhätten wir das aus eigener Kraft nicht schaffen können",gibt Alexandrowitsch unumwunden zu.

Hilfreich sind auch die zahlreichen Praktika russischer Unternehmerin deutschen Betrieben. "Allerdings können wir unser Handwerkmit dem deutschen bei weitem nicht vergleichen - uns fehlen die Wurzeln".Zwar hat es auch in Rußland Meister mit handwerklichem Geschick gegeben,aber die deutsche Mentalität der Selbständigkeit, zu eigenständigemHandeln sei den meisten seiner Landsleute völlig fremd.

Ein besonderes Problem drückt die Handwerker in Moskau: die fehlendeQualifikation der Mitarbeiter. "Nach deutschen Maßstäbenist die Qualifikation als mangelhaft zu bezeichnen", so ein Kennerder Szene. Aus seiner Sicht ist ein Engagement der Deutschen mittelfristigunerläßlich. Immerhin ist es jetzt gelungen, eine Handwerkerschulein Moskau ins Leben zu rufen. Und die habe äußerst respektableErgebnisse zustande gebracht.

Hansgrohe ließ in Moskau "live" duschen. Eine Ausstellerbefragungergab: 78% der Firmen machten schon während der Messe sehr gute bzw.gute Geschäfte und hielten zudem das Nachmessegeschäft füraussichtsreich.

Ein Problem eint aber die Handwerker in beiden Staaten: die viel zuhohen Steuern. Daher dauert es nicht lange, bis Alexandrowitsch auf dieungerechten und undifferenzierten Steuern zu sprechen kommt. Er forderteine Steuersenkung für Handwerksbetriebe - um diese in die Lage zuversetzen, mehr Nachwuchskräfte auszubilden und die Eigenkapitalbasiszu stärken. In seinem Buchbinderbetrieb mit sechs Mitarbeitern, soder Präsident, bleibe nach Abzug von Löhnen, Steuern, Miete undGebühren kein Gewinn mehr übrig. Und das, obwohl Alexandrowitschin der glücklichen Lage ist, daß er sich vor Aufträgenkaum retten kann. Das hat er allerdings nur der Mund-zu-Mund-Propagandazu verdanken - in Moskau gilt er seit 20 Jahren als Fachmann für dieRestaurierung alter Bücher.

Das deutsch-russische Berufsbildungskonzept ...

... ging in der didaktischen Planung von den Aufgabenstellungen derFachpraxis aus. Daran orientierte sich auch die Fachtheorie. Weiterhinwerden auch da die Fächer Mathematik und Naturwissenschaft auf dieAnforderung der Berufspraxis in den oben genannten Handwerksberufen gerichtet.Das ist neu, üblicherweise sind in der russischen Berufsbildung dieSektoren der allgemeinen Fächer von Fachtheorie und Fachpraxis isoliert.Der didaktische Ansatz in der Praxis ist inzwischen akzeptiert. Er wirktauf die Schüler schon sehr motivierend wie die Delegation erfahrenkonnte. So wird das Aufgabengebiet des Berufs "Baumaler und Putzmaurer"klarer erkannt. Dieses Konzept hat dem Beruf Prestige gegeben, was sichin der Nachfrage zeigt.

Wir haben ein Modell geschaffen, das in Rußland akzeptierbar istund der Fachpraxis den zentralen Stellenwert gibt, so die Moskauer Berufsschullehrer.Hieraus lassen sich die notwendigen engen Beziehungen zur Betriebspraxisentwickeln, zunächst aber über gelenkte Betriebspraktika, Betriebspatenschaften.Sobald sich einschlägige Strukturen entwickelt haben, lassen sichdann Lehrverhältnisse bilden.

Im Schuljahr 1996/97 ist der Handwerksberuf Stukkateur hinzugekommen.In der Planung für das nächste Schuljahr befinden sich die BerufeBäcker und Dachdecker. Das Modellprojekt hätte sicherlich nichtso erfolgreich entwickelt werden können, wenn nicht der HandwerkskammerDüsseldorf so engagierte Fachleute aus den Handwerksorganisationen,beruflichen Schulen und handwerklichen Bildungsstätten zur Seite gestandenhätten und stehen. 1998 werden die ersten Absolventen der HandwerksberufeMaler/Lackierer, Tischler, Fliesen- und Mosaikleger das erste "Berufslyzeumfür Handwerker" in Rußland verlassen. Zur gleichen Zeitwerden dem russischen Bildungsministerium abgeschlossene Konzepte überhandwerkliche Berufsbildung in Rußland übergeben.

Was den Aufbau eines Lehrgangs für Gas- und Wasserinstallateuresowie Zentralheizungs- und Lüftungsbauer in diesem Berufslyzeum inMoskau betrifft, so hat der Fachverband SHK NRW Hilfestellung angeboten:Hilfe zur Selbsthilfe in Moskau.


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